Passau/Berlin/Kalifornien. Goodbye, Deutschland. Der Traum vom Auswandern erscheint gerade zur kalten Jahreszeit sehr verlockend. Wer wäre da nicht lieber unter Palmen am Strand oder zumindest an einem Ort, an dem auch im Februar oder März die Sonne mehr als eine entfernte Erinnerung ist. Wobei – auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es sie, die Schnee- und Eisliebhaber. Egal, ob Skandinavien, Australien, Frankreich oder die USA: ein ganz neues Leben beginnen, neu anfangen. Das ist es doch, was mit einer Auswanderung verbunden wird.
Für mich begann alles mit einem ersten Aufenthalt nach dem Abitur. Wobei das nicht so ganz stimmt, denn damals wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, sieben Jahre später tatsächlich meinen Koffer zu packen (ja, nur einen!) und komplett auszuwandern. Wie ein Großteil meiner Generation entschied auch ich mich nach meinem Schulabschluss, ein wenig zu reisen. Anders als die meisten meiner ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler habe ich jedoch das Glück, Verwandte in Kalifornien zu haben. Die Schwester meines Vaters, die noch in den Endzügen ihrer Doktorarbeit in die USA ging, lebt mit ihrer Familie an der Westküste. Und auch der Stiefbruder meiner Mutter zog vor Jahren nach Amerika, als er über seinen Arbeitsplatz die Möglichkeit dazu bekam.
Oreos, Reeses und amerikanischer Slang
Schon seit ich klein bin, verbinde ich gewisse Erinnerungen mit dem „Land der Möglichkeiten“, wie es oftmals betitelt wird. Da mein Vater einen Teil seiner Jugend dort verbrachte und durch Geschäftsreisen immer mal wieder dort war, lernten meine Schwester und ich bestimmte amerikanische Süßigkeiten kennen – noch bevor sie durch die Globalisierung in jedem deutschen Supermarkt erhältlich waren.
Zugegeben: Ein bisschen habe ich mich immer damit identifiziert, Familie in den Staaten zu habe. Und das, obwohl ich selbst noch nie dort gewesen war. In der fünften Klasse übertrieb ich es mit dem amerikanischen Slang im Englisch-Unterricht. In der Pubertät eiferte ich meiner Schwester nach, die von ihren Aufenthalten in Kalifornien schwärmte. Für mich war klar: Früher oder später werde auch ich dieses Land bereisen. Nach dem Abi war es dann so weit: Nachdem ich ein paar Monate lang gearbeitet hatte, um mir den in meinen Augen sündhaft teuren Flug leisten zu können, saß ich am 18. Dezember 2014 endlich im Flieger, meinen ersten Langstreckenflug vor Augen.
Einreise nicht ohne Aufenthaltsgenehmigung
Die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen waren schon immer sehr streng. Für Reisende, die nicht in den Staaten arbeiten wollen, bietet sich das ESTA an, mit dem man bis zu 90 Tage in den USA bleiben darf. Mit dieser Einreiseerlaubnis blieb ich bis Februar und verbrachte Weihnachten und Silvester in Kalifornien. Ich war überwältigt von den Facetten, die der Staat zu bieten hat: vom Meer über Berge, wüstenähnlichen Landschaften bis hin zu saftigen, grünen Wiesen gibt es in Kalifornien so gut wie alles. Sogar Skifahren ist möglich.
Zu dieser Zeit wurde der Samen gepflanzt – und der Wunsch, wieder hierher zu kommen, stand fest. Das Land, vor allem aber die Leute – allen voran natürlich meine Familie, aber auch die freundlichen Bewohnerinnen und Bewohner der Westküste – fehlten mir bereits nach kurzer Zeit. Wenn ich über die Positivität der Menschen dort spreche, bekomme ich oft ähnliche Rückmeldungen wie: „Die Amis sind doch alle so oberflächlich!“ Das ist interessant, denn für mich ist es genau das Gegenteil: Wenn mir jemand auf der Straße entgegenkommt und mir etwas Nettes sagt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, finde ich das nicht unbedingt oberflächlich. Was hätte die Person davon, mich anzulügen?
Ohne Rücklagen und Berufserfahrung wird’s schwierig
Trotz meiner Sehnsucht vergingen vier Jahre, bis ich endlich wieder nach Kalifornien flog. Durch einen Todesfall vor Ort und den damit verbundenen Umständen verbrachte ich beide Semesterferien im Jahr 2018 an der Westküste, führte die Vorstudie zu meiner Bachelorarbeit vor Ort durch und kam zwischen Bachelor- und Masterstudium im Jahr 2019 wieder her. Die langen Aufenthalte, verbunden mit kleineren Roadtrips und dem Eintauchen in die Kultur, führten jedes Mal dazu, dass die Sehnsucht nach Kalifornien sich mehr nach Heim- als nach Fernweh anfühlte, wenn es zurück nach Deutschland ging. Bereits während des Studiums beschäftigte ich mich mit den Möglichkeiten, eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die USA zu bekommen.
Wer dauerhaft in den USA leben möchte, braucht nicht nur eine Aufenthaltserlaubnis, sondern vor allem die Erlaubnis zum Arbeiten. Für Firmen und Betriebe ist es jedoch teuer, ein so genanntes Arbeitsvisum zu sponsern. Grund dafür ist, dass Arbeitsplätze zunächst den amerikanischen Staatsbürgern zugesichert werden sollen. Wenn man also keine deutsche Firma mit Auslandsstandort als Arbeitgeber hat, die sich um Organisatorisches kümmert, wird es kompliziert. Und so sammelte ich zunächst Informationen über potenzielle Arbeitgeber sowie Möglichkeiten und Voraussetzungen für Arbeitsvisa. Zudem setzte mich damit auseinander, wie es mir sonst noch möglich sein könnte, meinen USA-Traum zu verwirklichen.
Schnell wurde klar: So oder so würde ich Rücklagen brauchen, denn Bewerberinnen und Bewerber müssen einen gewissen Kontostand vorweisen können. Darüber hinaus legen viele US-Bürger Wert auf eine große Bandbreite von Berufserfahrungen, weshalb ich während meines Studiums parallel in verschiedenen Jobs und Branchen tätig war. Das ermöglichte mir die Buchung einer weiteren Reise im Jahr 2020 – schließlich wollten die Semesterferien genutzt werden.
Die Green Card Lottery – mehr als nur eine Losziehung
Doch dann kam Corona – und aus dem geplanten Amerika-Aufenthalt wurde nichts. An meinem Plan, nach Abschluss meines Studiums auszuwandern, änderte sich jedoch nichts. Im Gegenteil: Die abgesagte Reise verstärkte die Sehnsucht nur noch mehr. In einem Gespräch mit meiner Schwester fiel der Begriff „Green Card Lottery“. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich zwar Mal von dieser gehört – worum es sich genau handelte, wusste ich jedoch nicht. Eine Green Card ist vereinfacht gesagt die ständige Aufenthaltserlaubnis, die die Inhaber ebenfalls zum Arbeiten in den Staaten befähigt. Es handelt sich nicht um eine Staatsbürgerschaft, denn eine Green Card kann entzogen werden, wenn man sich nicht an bestimmte Regeln hält.
Neben der Ehe mit einem amerikanischen Staatsbürger oder einer amerikanischen Staatsbürgerin werden Green Cards häufig über Firmen vergeben. Anders als gewisse Arbeitsvisa umfasst die Green Card die Erlaubnis, in jeglichen Berufen zu arbeiten und wird meist für einen unbeschränkten Zeitraum vergeben. Mit der so genannten DV-Lottery (Diversity Visa Lottery) fördert die US-Regierung jährlich die Vergabe der Aufenthaltsgenehmigungen. Verlost werden im Schnitt 55.000 Green Cards, wobei im Prozess meist einige „Gewinner und Gewinnerinnen“ aussortiert werden – doch dazu später mehr. Ihren Namen verdankt die Green Card übrigens ihrer grünen Farbe.
Vor dem Hintergrund meiner abgesagten Reise und der wachsenden Sehnsucht nach Kalifornien begann ich also, mich über die Green-Card-Lottery zu informieren. Schnell wurde mir bewusst, wie viele Voraussetzungen bereits bei der Beantragung eines Loses zu erfüllen sind – denn anders, als es der Name vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine klassische Lotterie: Los kaufen, abwarten, mit etwas Glück gewinnen. Nein, alleine der Loserwerb ist mit sämtlichen Angaben zur eigenen Person, zum Bildungshintergrund, finanziellen Rücklagen und auch mit Kosten verbunden, denn die Beantragung erforderlicher Dokumente kostet in vielen Fällen Geld. Fortsetzung folgt…
Malin Schmidt-Ott