Herzogsreut/Austin. Meist zum Jahreswechsel ist sie im Woid. Gemeinsam mit Vater Franz und Mutter Marianne verbringt sie die Zeit um Heilig Abend, Silvester und Dreikönig gemütlich im elterlichen Haus in Herzogsreut. Dort ist Helga Eder aufgewachsen, noch heute ist es ihr „Dahoam“. Und das, obwohl die 48-Jährige den Großteil ihres Lebens mittlerweile in den Vereinigten Staaten verbringt.
Gemeinsam mit ihrem Mann Paul Porter (51) lebt und arbeitet die Kinderkrankenschwester in Austin/Texas. Dort fühlt sie sich heimisch. Dennoch steht für sie fest, dass sie nach Herzogsreut zurückkehren wird – irgendwann einmal. In der Welt zu Hause, im Woid dahoam – das trifft auf Helga Eder zu. Out of da Woid!
Schon in der Schule war Englisch ihr Lieblingsfach
Fernweh hatte Helga Eder schon immer. Während ihrer Schulzeit beschränkte sich dieses Gefühl noch auf die Fremdsprachen – Englisch war ihr Lieblingsfach. Nach dieser Lebensphase legte sie ein Au-Pair-Jahr in den Vereinigten Staaten ein: 1990 – ein Jahr , das die Herzogsreuterin wohl nie in ihrem Leben vergessen wird. Zum einen erfüllte sie sich ihren USA-Traum, sie stillte ihr Fernweh. Zum anderen lernte sie mit Paul Porter den Mann kennen, der sie nicht mehr loslassen sollte, denn: „Der Kontakt ist nie mehr abgerissen.“ Mehr noch: Einige Jahre später wird der heute 51-Jährige der Grund sein, warum Helga ihre Heimat im Woid verlässt – und in Amerika heimisch wird.
Impressionen aus Helga Eders neuer Heimat – Das ist der „Lone Star State“:
Doch der Reihe nach. Nach ihrem US-Jahr verschlug es die Waidlerin nach München, am Klinikum in Schwabing absolvierte sie ihre Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Ihre Reiselust blieb freilich ungedämpft: In ihrer freien Zeit flog sie 1995 nach London, 1997 gönnte sie sich eine Weltreise. Ihre Englischkenntnisse wurden zunehmend besser, außerdem freundete sie sich mit dem Lebensstil in den Vereinigten Staaten an. Und das Wichtigste: Während ihrer Weltreise traf sie auch wieder auf Paul, Inhaber eines Sicherheitsdienstes – und verliebte sich in ihn. „Am Liebsten wäre es mir gewesen, ich hätte gleich dort bleiben können“, erinnert sie sich. Doch vorerst musste sie wieder zurück nach Deutschland, die Arbeit in München rief. „Insgesamt sechs Jahre führten wir dann eine Fernbeziehung – nur ab und zu konnten wir uns sehen.“
„Zugegeben, so ganz leicht ist mir der Abschied nicht gefallen“
2007 hatte die „Leidenszeit“ schließlich ein Ende. Helga Eder zieht zu ihren Paulund siedelte in die USA, genauer gesagt nach Austin in Texas, über. „Zugegeben, so ganz leicht ist mir der Abschied nicht gefallen“, gibt sie heute zu. Schnell fand sie sich aber in ihrer neuen Heimat zurecht – zumindest privat. Denn mit der Bürokratie gab es einige Schwierigkeiten. Ihre Kinderkrankenschwester-Ausbildung wurde in Texas nicht anerkannt. Die Exil-Waidlerin musste daher nochmals die Schulbank drücken – erst 2014 schloss sie ihre abermalige Ausbildung ab. Und auch mit der Aufenthaltsgenehmigung hatte sie lange zu kämpfen. Erst, als sie ihren Mann heiratete, hat das Wirrwarr endgültig ein Ende …
Obwohl sie sich mittlerweile in Austin gut aufgenommen fühlt – und nach eigenen Aussagen viele typische Eigenschaften der US-Amerikaner angenommen hat – bleibt sie im Herzen eine Waidlerin durch und durch. „Die Texaner sind sehr extreme Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl – sie sind ein bisschen arrogant“, beschreibt Helga Eder ihre neuen Freunde. „In Texas sind die Gespräche etwas oberflächlichler als im Woid.“ Anschließend zählt sie die typischen Dinge wie Pick-Ups, Trucks und Waffen auf, die wohl jeder dort Lebende hat. Doch vor allem mit Letzeren kommt sie überhaupt nicht klar. Als Krankenschwester im Unversity Medical Center Brackenridge hat sie oftmals mit Patienten, die Schussverletztungen haben, zu tun. Ihre Meinung dazu: „Das muss besser kontrolliert werden, die Waffengesetze müssen strenger werden.“ Auch die Todesstrafe, die in Texas noch zum Alltag gehört, verurteilt sie.
„Sie gehen erst ins Krankenhaus, wenn es ihnen sehr schlecht geht“
Weitere größere Unterschiede zwischen Waidlern und Texanern sieht Helga Eder im Gesundheitswesen an sich. Der Beruf der Krankenschwester wird in den USA anderes definiert. „Dort bin ich mehr der Manager“, erklärt sie. Während Helfer die Arbeit an den Patienten übernehmen, ist sie mehr die Organisatorin im Hintergrund. Zudem hat sie einen größeren Aufgabenbereich – auch in der Psychiartrie und in der Geburtshilfe ist sie tätig. Weil es im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ keine gesetzliche Krankenversicherung wie in Deutschland gibt, ist es auch nicht üblich, sofort ins Krankenhaus zu gehen. Im Gegenteil. „Die Amerikaner gehen erst ins Krankenhaus, wenn es ihnen so richtig schlecht geht.“
Während Helga Eder, gemütlich in der Küche ihrer Eltern in Herzogsreut sitzend, von ihrem neuen Leben erzählt, lacht sie gerne und oft. Man merkt schnell, dass sie sich in den USA wohl fühlt – aber auch gerne immer wieder im Bayerischen Wald zu Besuch ist. Diese beiden Einflüsse werden auch während des Gesprächs deutlich. Immer wieder rutschen der kinderlosen 48-Jährigen englische Begriffe raus – ansonsten spricht sie lupenreines Boarisch. Sie gibt zu: „Hochdeutsch kann ich fast gar nicht mehr.“ Ein Rückkehr nach Deutschland schließt sie nicht aus. „Momentan möchte ich aber noch nicht zurück. Irgendwann jedoch möchte ich wieder im Bayerischen Wald wohnen.“ Dann dürfen sich ihre Eltern Marianne und Franz wieder über häufigeren Besuch ihrer Tochter freuen …
Helmut Weigerstorfer