Schönberg. Jüngster Bürgermeister des Landkreises Freyung-Grafenau – ein schöner Titel, von dem sich Martin Pichler (CSU) allerdings nichts kaufen kann. Denn sein junges Alter wird das kommunalpolitische Nesthäkchen nicht vor Kritik schützen, das ist sicher. Genauso steht aber seit dem 16. März fest, dass der Politik-Benjamin das uneingeschränkte Vertrauen der Schönberger Bevölkerung genießt: Mit gerade einmal 26 Jahren wurde Martin Pichler bei den Kommunalwahlen mit 70 Prozent zum Nachfolger von Peter Siegert auf den Rathaussessel gewählt. Der Verwaltungsfachwirt und frühere Kämmerer der Marktgemeinde spricht im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ über das Ideal-Alter eines Bürgermeisters und über Vorurteile gegenüber jungen Chefs. Außerdem erklärt er, was er in den kommenden Jahren in seiner Heimatgemeinde alles erreichen möchte.

Hat gut lachen: Schönbergs Martin Pichler ist mit gerade einmal 26 Jahren der jüngste Bürgermeister des Landkreises Freyung-Grafenau.
Herr Pichler, wie alt muss ein Bürgermeister mindestens sein?
(lacht) Da gibt’s kein Mindestalter. Was das passive Wahlrecht angeht, liegt die rechtliche Grenze bei 18 Jahren – dazu haben sich gescheite Köpfe bei der Gesetzgebung sicher ihre Gedanken gemacht. Und schlussendlich entscheidet der Wähler, wie alt ihr Bürgermeister sein soll.
Anders gefragt: Wie alt sollte ein Bürgermeister sein?
Ich denke, das Alter spielt keine Rolle. Es gibt sowohl junge als auch ältere Bürgermeister, die hervorragende Arbeit leisten.
„Die breite Masse wusst jedoch nicht, wer ich genau bin“
Vor Ihrer Wahl zum Marktoberhaupt von Schönberg waren Sie Kämmerer der VG Schönberg. In welchen Bereichen stellen Sie die markantesten Unterschiede fest?
In der öffentlichen Wahrnehmung. Nur diejenigen, die unmittelbar mit der Gemeinde zu tun hatten – also der Bürgermeister, die Räte, die Mitarbeiter – haben mich, also den Kämmerer, gekannt. Die breite Masse wusste nicht, wer ich genau bin. Vor der Wahl hat sich das geändert – und mittlerweile kennt mich jeder. Klar ist aber auch: Durch meine Wahl zum Bürgermeister habe ich mich nicht verändert, ich bin derselbe Mensch wie vorher – auch wenn ich inzwischen noch mehr Verantwortung habe.

„Den wahnsinnigen Vertrauensbeweis, den mir die Schönberger Bürger bei der Wahl entgegengebracht haben, möchte ich mit Arbeitseifer zurückzahlen.“
Kann man als Oberhaupt einer Marktgemeinde leben wie ein „ganz normaler“ 26-Jähriger?
Fairerweise muss ich an dieser Stelle sagen, dass ich auch schon vor meiner Zeit als Bürgermeister ein eher ruhiges Leben geführt habe. Ich war keiner, der sich regelmäßig ‚weggeschossen‘ hat. Seit zehn Jahren bin ich darüber hinaus in einer stabilen Beziehung. Freilich muss man sich aber als Kämmerer und vor allem auch als Bürgermeister entsprechend aufführen. Das hat aber weniger damit zu tun, dass es von mir erwartet wird. Es ist vielmehr mein eigener Anspruch.
Es bleibt nur wenig Zeit fürs Privatleben?
Ja. Viele Kollegen handhaben es so, dass sie sich einen Tag in der Woche für die Familie reservieren. Das mache ich bisher nicht. Momentan sind die Prioritäten einfach anders. Den wahnsinnigen Vertrauensbeweis, den mir die Schönberger Bürger bei der Wahl entgegengebracht haben, möchte ich mit Arbeitseifer zurückzahlen. Abends mal spontan ausgehen – das gibt es nicht! Schade finde ich, dass einige Freundschaften darunter leiden…
„Eine gewisse ‚Betriebsblindheit‘ ist der Nachteil“
Apropos: Wie haben Ihre Freunde reagiert, als Sie Bürgermeister geworden sind?
Gerade im Vorfeld haben mir viele ihren Respekt ausgesprochen. Einige haben mich aber auch darauf hingewiesen, dass ich dann keine Freizeit mehr hätte – und ich permanent in der Öffentlichkeit stehen würde. Ich habe alle negativen und positiven Aspekte berücksichtigt – und diese Entscheidung bewusst getroffen. Alles in allem haben sich all meine Freunde nach dem Wahlsieg mit mir gefreut.
Betrachtet man Ihr Alter, sind Sie zweifelsohne ein „Exot“ im Landkreis. Warum kleiden Sie sich dann wie alle anderen Kommunalpolitiker, die durchwegs älter sind als Sie, mit Anzug und Krawatte?
Das ist nicht immer der Fall und liegt meist an den Terminen des jeweiligen Tages. Ich denke aber auch, dass man sich als Bürgermeister adäquat zu kleiden hat – man repräsentier ja auch immer die Einwohner seiner Kommune.

„Generell komme ich mit unseren Mitarbeitern sehr gut aus. Ich bin sowieso eher der kommunikative Typ.“
Ist es ein Vor- oder Nachteil, dass Sie schon vor Ihrer Zeit als Bürgermeister Schönberg in- und auswendig gekannt haben?
(überlegt kurz) … sowohl als auch. Es ist ein Vorteil, weil ich die Abläufe bereits kenne. Dass man gleichzeitig vielleicht aber auch eine gewisse ‚Betriebsblindheit‘ entwickelt, ist der Nachteil. In der Summe ist es gut, dass ich vorher schon als Kämmerer in Schönberg tätig war. Gerade in Sachen Einarbeitungszeit habe ich dadurch klare Vorteile.
Wie gehen die Kollegen mit Ihnen um, wenn Sie plötzlich ihr Chef sind?
Ich war vorher nicht nur Kämmerer, sondern auch stellvertretender Geschäftsleiter. Deshalb hatte ich auch schon damals ein gewisses Vorgesetzten-Verhältnis. Generell komme ich mit unseren Mitarbeitern sehr gut aus. Ich bin sowieso eher der kommunikative Typ.
„Er mischt sich nicht in aktuelle politische Themen ein“
Welche Rolle spielt in Ihrer politischen Karriere Ihr Vorgänger und frühere Chef, Peter Siegert?
Er hat mich über lange Jahre auf meinem Weg begleitet. Neben dem, dass er mein Chef war, hat er mich auch politisch beeinflusst. Ich habe zu Peter Siegert ein sehr gutes Verhältnis, wenngleich er nun seinen Aufgaben nachgeht – und ich den meinen. Es ist nicht so, dass er sich in die aktuellen politischen Themen einmischt.
Gibt es für Neu-Bürgermeister eigentlich eine Art Einsteigerkurs, bei dem man lernt „wie es geht“?
Bürgermeister wird man nicht, nur weil man gewählt wird – man muss sich vielmehr das Vertrauen der Bürger erarbeiten. Und das schafft man nur, wenn man ordentlich Auftritt und vernünftig mit den Menschen umgeht. Ohne einer entsprechenden Einstellung wäre ich gar nicht Bürgermeister geworden – deshalb braucht es auch keinen Einsteigerkurs.
Habe Sie irgendwelche Vorbilder?
Nein.

„Wir müssen uns von dem Traum verabschieden, dass sich Großkonzerne wie BMW bei uns im Bayerischen Wald ansiedeln.“
Sie haben sich eine intensive Familien- und Seniorenpolitik auf die politische Fahne geschrieben. Was heißt das konkret?
Die Bedürfnisse älterer Mitbürger sind einfach anders – Stichwort: Barrierefreiheit. Und für junge Familien muss man Anreize, wie zum Beispiel beim Bauen der eigenen vier Wände, schaffen. Man glaubt gar nicht, wie wichtig eigentlich Kleinigkeiten manchmal sind.
Und wie schafft man es, junge Leute in der Region zu halten?
Wir als Kommune können keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten. Wir können nur dafür sorgen, dass Firmen hier die idealen Voraussetzungen haben. Klar ist, dass man von unserer wunderschönen Landschaft nicht leben kann, deshalb muss auch die Infrastruktur passen. Ohne eine entsprechende Beschäftigung – die meiner Meinung nach nicht unmittelbar neben der Wohnung liegen muss – kann man sich nichts leisten. Mit dem Schnittpunkt B533/B85 hat Schönberg eine hervorragende Lage, unsere Bürger können auch in Innernzell oder Freyung einen Arbeitsplatz haben.
„Manchmal muss man unpopuläre Entscheidungen treffen“
Wie schafft man es, dass neue Firmen in die Region kommen?
Wir müssen uns von dem Traum verabschieden, dass sich Großkonzerne wie BMW bei uns im Bayerischen Wald ansiedeln. Ich denke, vor allem im Bereich der Existenzgründer ist hier viel möglich. Für solche Betriebe muss man Anreize schaffen, um diese beim Aufbau zu unterstützen und später zu halten. Wir in Schönberg haben da eine kleine, feine Auswahl an interessanten Unternehmen.
Was halten Sie von der Rückholaktion des Landratsamtes Freyung-Grafenau bzw. des Regionalmanagements?
Es kann einer von vielen Bausteinen sein. Wissen die Fachkräfte, wo es welche Stellenangebote gibt, ist es für sie einfacher, zurückzukehren – das liegt ja auf der Hand. Dann sind aber weitere Schritte unabdingbar. Es ist schwierig, die Rückholaktion an Zahlen zu messen, ganz klar. Irgendwann muss man eine Bilanz ziehen – und wenn diese positiv ausfällt, kann man das Projekt weiterführen.

Finanzen? „Schulden kann man auf zwei Seiten machen – monetär und infrastrukturell.“
Wie bei allen anderen Kommunen sind auch in Schönberg die Kassen leer. Wie finden Sie hier das Gleichgewicht zwischen Weiterentwicklung und Sparen?
Schulden kann man auf zwei Seiten machen – monetär und infrastrukturell. Investiere ich nichts, habe ich auf der monetären Seite keine Schulden, oder baue sie sogar ab. Dann bleibt aber die Infrastruktur auf der Strecke. Manchmal muss man unpopuläre Entscheidungen treffen, um den Haushalt ausgeglichen gestalten zu können. Ich denke, in Sachen Finanzen hat ein junger Bürgermeister eine höhere Verantwortung, weil er den Weg der Kommune noch länger begleiten wird – versäumt er es, beide Seiten zu stärken, holt es einen irgendwann ein. Da muss man den Spagat schaffen.
(überlegt)
Vor allem bei den laufenden Kosten gibt es Einspar-Potenzial. Wir haben in Schönberg beispielsweise vor, die Kläranlage mit einem Blockheizkraftwerk auszustatten. Denn dann sind wir dort autark und können gleichzeitig viel Geld sparen.
Durch die Tourismus GmbH können Kräfte gebündelt werden“
Wann wird man Ihre ersten Projekte bestaunen können?
Das wird sicher ein, zwei Jahre dauern. Größere Projekte brauchen eine längere Vorlaufzeit. Mein größtes Anliegen wird es sein, unser Gewerbegebiet zu vergrößern. Außerdem wird sich im Bereich der Abwasserversorgung etwas tun.
Wann bekommt Schönberg sein eigenes Subway-Restaurant oder sein Kino?
Wenn ich einen fleißigen Schönberger gefunden habe, der das unternehmerische Risiko trägt.

„Ganz offen gesagt: Ich weiß nicht, ob eine Tourist-Info der herkömmlichen Art noch aktuell ist.“
Wäre denn das ein Wunsch?
Klares Ja.
Thema Tourismus. Schönberg hat beim Hog’n-Tourist-Info-Check gut abgeschnitten. Welchen Stellenwert hat der Tourismus allgemein in der Marktgemeinde?
2005 hatten wir 75.000 Übernachtungen, mittlerweile haben wir 130.000 – eine wahnsinnige Entwicklung. Von dem her besitzt der Tourismus als Arbeitgeber und imagetechnisch einen großen Stellenwert. Ganz offen gesagt: Ich weiß nicht, ob eine Tourist-Info der herkömmlichen Art noch aktuell ist. Buchungen laufen inzwischen einfach übers Internet und nicht mit einem Anruf bei der jeweiligen Kommune. Ich erwarte mir von der neu gegründeten Tourismus-GmbH, bei der Schönberg Mitglied ist, viel. Dadurch können Kräfte gebündelt werden.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer