Grafenau. Max Niedermeier kommt, im Vergleich zu seinen jüngeren Kollegen aus den Nachbarstädten Waldkirchen und Freyung, dem Klischee eines niederbayerischen Bürgermeisters am nächsten – zumindest rein äußerlich. Groß, stemmig – mit der Prise Schnupftabak stets im Anschlag. Seit genau zwei Jahren ist der 57-Jährige nun Bürgermeister von Grafenau, der ältesten Stadt des Bayerischen Waldes. Er fühlt sich wohl in dieser Rolle, hat sich im Rathaus gut eingelebt. Als wir ihn vor wenigen Tagen in seinem Büro besuchten, gab es aus Grafenauer Sicht frohe Botschaften zu verkünden: Für das Sorgenkind „Stadtberg“ scheinen sich jetzt endlich konkrete Lösungen aufzutun. Außerdem haben wir uns mit ihm über die neu geschaffene Tourismus-GmbH, Autokennzeichen, den Kurpark und die Frage unterhalten, wann denn nun auch die Bärenstadt ihr eigenes Kino bzw. ihr Subway-Restaurant erhält. (Seine Dackel-Dame „Willi“ war beim Interview zwar auch zugegen, wollte dem Hog’n gegenüber jedoch nichts sagen. Es heißt, sie spreche nur mit „Ein Herz für Tiere“ und der PNP – wobei da ja kaum noch ein Unterschied zu erkennen ist)

A bärige Sach – er spricht wieder mit den Hog’n-Redakteuren: Grafenaus Bürgermeister Max Niedermeier.
„Wir wollten eine GmbH, die diese Probleme löst“
Herr Niedermeier: Der Tourismus ist für Grafenau ein wichtiges Standbein. Die neu gegründete Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH ist für die Nationalparkregion eine Chance, oder?
Generell gilt: Den Tourismus muss man den Touristikern überlassen – und nicht den Bürgermeistern und Ratsmitgliedern. Man kann den Tourismus outsourcen, sprich: aus dem Rathaus raus – und an eine Firma vergeben. Doch diese Touristik-GmbH ist kein Out-Sourcen, weil dort ja doch wieder viele Bürgermeister mitreden… Man braucht heute Fachkräfte im eigenen Haus. Im Gesamten muss es stimmen – der Gast will bedient werden.
Warum beteiligt sich die Stadt Grafenau nicht an der GmbH?
Wir waren ja schon Mitglied im Vorgänger-Modell, dem Zweckverband der Nationalparkgemeinden, sind damals durch ‚Tierisch Wild‚ dazugekommen, weil wir sehr früh die Notwendigkeit zu einem größeren Zusammenschluss erkannt haben. Einzelne Gemeinden haben zu wenig Budget, um effektiv werben zu können, auch die Vielzahl an Prospekten gehört eingedämmt. Aber leider hat das Konstrukt ‚Zweckverband‘ nie die im Tourismus so notwendig Flexibilität erreicht. Uns hat von Anfang an gestört, dass es zu unbeweglich war, sich eher selbst verwaltet hat. Wir sind jedoch bestrebt, relativ schnell auf dem Markt reagieren zu können. Das ist heute notwendig. Wir wollten eine GmbH, die diese Probleme löst. Leider ist das jetzt geschaffene Konstrukt nicht unsere Lösung. Vielleicht entwickelt sich daraus ja irgendwann eine echte Tourismus-Struktur.
Die Hoffnung ist verständlich, nur: Warum ist Grafenau nicht dabei? Die Frage haben Sie uns noch nicht beantwortet.
Wir haben immer wieder Einwände gegen einzelne ungeklärte Punkte in der GmbH gehabt. Unsere Fragen wurden leider nicht beantwortet, die Punkte, die in der Praxis nicht funktionieren können – zumindest bei den Städten – wurden nicht gelöst.
Welche konkreten Einwände gab’s zum Beispiel?

„Dass man ein Büro von Passau bis Flensburg gesucht hat, der diesen Zusammenschluss begleitet, hat mich am meisten gestört.“
Zum Beispiel… (überlegt)… was mich am meisten störte: Dass man ein Büro von Passau bis Flensburg gesucht hat, der diesen Zusammenschluss begleitet. Mein Rat lautete damals: ‚Fragt doch mal den Herrn Steiner (Georg Steiner, ehemaliger Geschäftsführer des Tourismusverband Ostbayern – Anm. d. Red.), der zunächst bei der TVO war, später nach Linz gegangen ist. Der hat bestimmte gute Kontakte nach Österreich, wo es touristischen Zusammenschlüsse dieser Art schon länger gibt.‘ Österreich ist nunmal touristisch nicht zu übersehen. Beim nächsten Zusammentreffen habe ich dann nachgefragt, welchen Ratschlag denn der Herr Steiner geäußert hatte. Die Antwort war kurz und prägnant: ‚Es lag kein schriftlicher Antrag vor.‘ Und das war mitunter ein Grund dafür, hier nicht mitzumachen – ich bin mit meiner Meinung ja nicht allein, sondern der gesamte Stadtrat hat so entschieden.
„Wenn der Zug ins Rollen kommt, versperren wir uns nicht“
Gibt es weitere Gründe?
In den letzten drei Jahren ist in dieser Konstellation nicht viel geschehen. Auch jetzt heißt es ja ganz offiziell, es wird dauern, bis der Geschäftsführer unsere Gegebenheiten und die Leute kennengelernt hat. Diese Zeit haben wir nicht! Bestandsaufnahmen und Analysen wurden lange genug gemacht, wir brauchen Gäste und zwar gleich. Wir setzen unseren Beitrag, den wir an die GmbH hätten zahlen müssen, momentan selber so effektiv wie möglich ein. Und unsere Buchungs- und Übernachtungszahlen sprechen dabei für sich! Nochmal: Was wir brauchen, ist: Ein Marketing, mit dem wir schnell reagieren können.
Und sie trauen dieses „schnelle Reagieren“ der Tourismus-GmbH derzeit noch nicht zu?
Wenn das meiste Geld in Verwaltung fließt und kaum Budget für Werbung übrig bleibt, kann das ja nicht funktionieren. Wir werden sehen, wie sich das langfristig lösen wird.
Das heißt dann mehr oder weniger: Wenn sich die GmbH als reaktionsschnell erwiesen hat, ist Grafenau auch mit dabei?
Wenn der Zug im Rollen ist und wir positive Erkenntnisse vorliegen haben, werden wir uns nicht versperren einen möglichen Beitritt wieder auf die Tagesordnung des Stadtrats zu setzen. Eine Alternative wäre auch, dass sich der TVO hier federführend im Landkreis miteinbringt, die Rolle des Tourismusmanagers übernimmt – und wir unseren Beitrag an den TVO zahlen. Momentan ist man in einer Umbruchphase – und wir schauen, wo die Reise hingeht. Prinzipiell sind wir für alles offen.
Aber wäre die Außenwirkung nicht eine andere, wenn ein Zugpferd wie Grafenau von Anfang an bei der GmbH mit dabei ist?
Wenn man diese Außenwirkung gewollt hätte, hätte man auf unsere Ansprüche eingehen müssen. Das Konstrukt steht jetzt, ein neuer Mann (Herr Jochen Gemeinhardt, der viele Jahre Geschäftsführer der Jever Marketing und Tourismus GmbH war – Anm. d. Red.) wurde auserkoren, der nun den Zug ins Rollen bringen soll. Er hat die Aufgabe, die Strukturen zu erfassen und die Leute im Tourismusbereich kennenzulernen. Er wird mit Sicherheit demnächst hier auftauchen und schauen, wie Grafenau tickt.
Finanzamt und Technologiecampus wider das Stadtberg-Problem
Zum Grafenauer Tourismus gehört auch der Kurpark, der ja momentan neu gestaltet wird. Wie gehen die Arbeiten voran?
Stand der Dinge ist, dass der Kurpark-Pavillon nach den Sommerferien fertig wird. Der Wohnmobil-Stellplatz ist bereits fertig. Abgeschlossen wird in diesem Monat noch der Bereich Eishalle/Minigolf. Und der Spielebereich für Kinder ist im Entstehen begriffen, wobei großer Wert auf regionale Rohstoffe gelegt wird.
Der Kurpark-Pavillon, der in Zukunft Kultur-Pavillon heißen wird, hat eine Erweiterung erfahren, sodass wir etwa 150 bis 180 Sitzplätze dort unterbringen. Ebenso gibt es eine Bühne, innen wie außen, um wetterunabhängig Veranstaltungen präsentieren zu können. Die Gesamtkosten der Neugestaltung des Kurparks belaufen sich auf 4,3 Millionen Euro. Ende nächsten Jahres soll alles fertiggestellt sein.

„Momentan gibt es andere Prioriäten als den Bau eines Kurhauses.“
Stichwort Kurhaus: Ist das immer noch ein Thema? Ein „echtes“, eigenes Kurhaus zu bauen. Sie hatten das ja in einem früheren Interview schon mal angesprochen.
Offen gesagt: Momentan gibt es andere Prioriäten, etwa die energetischen Sanierungen der Probst-Seyberer-Schule für vier bis fünf Millionen Euro – oder des Rathauses, das auch schon rund 40 Jahre alt ist… In der langfristigen Planung ist das Kurhaus nach wie vor ein Thema.
Freyung, Waldkirchen, Schönberg, Perlesreut – überall dort hat man das Gefühl: „Ja, hier rührt sich was, hier ist Veränderung spürbar!“ – Während in Grafenau der Eindruck entstanden ist, dass die Pfründe eher verwaltet als gestaltet werden. Wie sehen Sie das?
(überlegt kurz) Abwarten! Mittlerweile ist in Grafenau eine echte Aufbruchstimmung spürbar. Wir bekommen ja 2016/17 eine Außenstelle des Finanzamts München, mit 45 Vollarbeitszeitplätzen. Wir sind momentan auf Grundstückssuche – und versuchen so unsere städtebaulichen Ziele in Sachen Innenentwicklung durchzubekommen. Das heißt: Wir werden am Stadtberg, wo die geschäftliche Entwicklung relativ unwahrscheinlich ist, diese Außenstelle installieren. Baubeginn: nächstes Jahr.
Fakt ist auch: Die Hausnummern 3 und 5 werden voraussichtlich in der ersten Augustwoche dieses Jahres abgerissen. Dort soll dann der Technologiecampus für Logistik und Einkauf, der momentan noch in Neudorf ist, installiert werden.
Allgemein ist zu sagen: Wir haben momentan eine wirtschaftlich gute Ausgangslage, ein gutes Steueraufkommen. Wir haben auch in den vergangenen Jahren sehr positive Entwicklungen gehabt, wie etwa im Bahnhofsbereich und in der neuen Kröllpassage mit tollen Einkaufsmöglichkeiten und Geschäften.
„Wir haben in Grafenau eine sehr gute Grundausstattung“
Cineplex in Freyung, Waldkirchen wird vermutlich bald ein Subway-Restaurant bekommen. Welches Zugpferd haben die Grafenauer ins Auge gefasst?
Wir haben in Grafenau eine sehr gute Grundaustattung, wie ich finde.
Und welche Extras werden angestrebt?
Zunächst heißt es auf dem Teppich zu bleiben und die Grundpflichten zu erfüllen. Wir haben 4,3 Millionen Euro in den Kurpark investiert, haben den Technologiecampus und schon bald auch das Finanzamt München nach Grafenau geholt, was sicherlich auch nicht für lau passieren wird. Das sind schon auch Meilensteine. Das kostet alles viel Geld…
Aber so ein Kino würde doch auch Grafenau wieder gut stehen, oder?
Ja, aber man kann nicht allem nachhecheln. Der Standort Freyung ist in diesem Fall auch besser gewählt als der Standort Grafenau. Wir hatten ja versucht uns in Sachen Kino neu aufzustellen – doch wir haben kein ‚Hinterland‘, wie’s die Freyunger haben. Unser Hinterland ist der Nationalpark. Das Freyunger Einzugsgebiet geht bis Philippsreut, Hohenau – und auch Waldkirchen gehört aufgrund der geringen Distanz auch irgendwo mit dazu.
Sie haben die hohen Steuereinnahmen vorhin bereits kurz angeschnitten – für Sie als Grafenauer Bürgermeister sind Gewerbegebiete wie das in Großarmschlag ein gutes Pfund, mit dem man wuchern kann, nicht?
Ja, das ist eine sehr gute Ausgangsbasis. Wir stehen hier in der Region auf drei Säulen: Zum einen gibt es die Kleinindustrie, verteilt auf viele Schultern. Das zweite Standbein ist der Tourismus – und das dritte der soziale Bereich, den man nicht vergessen darf. Schauen Sie, wie viele Leute heute im Gesundheitsbereich arbeiten – vom Masseuer bis hin zu den Fachärzten in den Kliniken. Hinzu kommen die Seniorenwohnheime. Das ist eine enorme Zahl an Arbeitsplätzen. Allein die Kliniken GmbH hat 900 Mitarbeiter. Die Kreis-Caritas bietet mehr als 300 Arbeitsplätze. Das darf man nicht übersehen.
Apropos Gesundheitswesen. Bleibt das Krankenhaus den Grafenauern erhalten?
Ja, mit Sicherheit. Warum sollte Grafenau nicht bleiben? Zum einen ist es die Klinik des Alt-Landkreises Grafenau. Zum anderen sind die Distanzen zu Freyung und Waldkirchen wesentlich größer. Ich denke, dass die drei Häuser Bestandschutz und Bestandsberechtigung haben.
„Alles andere kostet mich ein müdes Lächeln“
Thema Autokennzeichen. Seit gut einem Jahr gibt es jetzt die unterschiedlichen Nummernschilder „GRA“, „WOS“ und das altbekannte FRG zur Auswahl. Sie haben auch ein GRA-Kennzeichen am Bürgermeister-Dienstwagen anbringen lassen.

Kein „Einser-Typ“: Max Niedermeier befürchtet keine separatistischen Strömungen aufgrund der Kennzeichen-Vielfalt im Landkreis Freyung-Grafenau.
(überzeugt) Na selbstverständlich, da muss man doch vorausgehen. Es war ein allgemeiner Wunsch, diese Kennzeichen als Alleinstellungsmerkmal wieder einzuführen – und alles andere kostet mich ein müdes Lächeln. Insbesondere die Stimmen, die behaupten: ‚Der Landkreis wird wieder auseinandergerissen.‘ Eine junge Frau aus Grafenau hat die Kombination ‚WOS – IS‘ an ihrem Auto angebracht, weil ihre Initialen „IS“ sind. Genauso gibt’s Bürger aus dem Raum Freyung und Waldkirchen, die mit GRA-Kennzeichen umherfahren.
Und warum genau haben Sie sich nochmal für das GRA-Kennzeichen entschieden?
Wenn ich als Bürgermeister von Grafenau es nicht mache – wer sonst? Ich hätte auch schreiben können: ‚GRA – BM – 1‘, wie es in Deggendorf oder in Regensburg der Fall ist – aber ich bin kein ‚Einser-Typ‘.
Stichwort: Tennishalle. Vor gut einem Jahr ist der vordere Bereich der Halle abgebrannt. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Die Baumaßnahmen sind abgeschlossen, im Herbst beginnt die neue Saison – und dann wird in unserer Halle, der einzigen Tennishalle dieser Art im Landkreis, wieder angegriffen. Wir wollen die Besucherzahlen wieder nach oben bringen und werden ein paar energetische Maßnahmen durchführen.
Abschließende Frage: Wenn Sie kurz zurückblicken auf Ihre zweijährige Dienstzeit als Bürgermeister von Grafenau – worauf sind Sie besonders stolz?
Unsere Erfolge sind immer eine Summe aus Stadtratsentscheidungen, der momentanen Wirtschaftslage und vielen weiteren Faktoren – einer allein kann das nicht meistern. Es gibt immer zehn, die mit mir stimmen – und am liebsten ist’s mir, wenn 15 mit mir stimmen. Dass es einen kleinen Prozentbereich gibt, der nicht meiner Meinung ist, ist verständlich. Doch das ist Demokratie. Die meisten großen Projekte sind bisher nahezu einstimmig beschlossen worden – und der Stadtrat steht dahinter. Die Neuausrichtung des Stadtbergs ist für uns ein großer Meilenstein – und wir haben hier alle Anstrengungen unternommen. Das Geld ist dort gut angelegt.
Herr Niedermeier, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer