Neureichenau. Severin Freund, Florian Graf, Michael Uhrmann – die Liste mit erfolgreichen Wintersportlern aus dem Bayerischen Wald ist lang. Eine, die immer mehr in diese Kategorie von Spitzensportlern vordringt, ist die Neureichenauerin Julia Eichinger. Die 20-jährige Skicrosserin holte im vergangenen Jahr die Gold-Medaille bei der Junioren-Weltmeisterschaft – ihr Weg an die Weltspitze scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch vor kurzem bremste die Waidlerin eine Halswirbelverletzung aus. Wann sie ihr Comeback plant, welche Ziele sie hat und wie wichtig ihr ihre Heimat am Dreisessel ist, verrät Julia Eichinger im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n.
„Fürs Skifahren reicht es in dieser Saison leider nicht mehr“
Julia, beim Heim-Weltcup in Grasgehren bist Du schwer gestürzt – und kannst seitdem keine Rennen mehr fahren. Wie ernst ist die Verletzung?
Ich habe mir den Halswirbel angebrochen – mit einer Kompressionsfraktur, das heißt: der Knochen ist nach vorne weggebrochen. Mittlerweile geht es mir besser, ich kann mich schon wieder relativ gut bewegen. Aber fürs Skifahren reicht es in dieser Saison leider nicht mehr.
Wann hast Du Dein Comeback geplant?
Das nächste Rennen wird dann wohl erst im Dezember dieses Jahres anstehen (traurig). Trainingsstart ist hingegen schon im April.
Deine Verletzung ist zum wohl ungünstigsten Zeitpunkt in der vorolympischen Saison passiert. Doppelt bitter, oder?
Im ersten Moment habe ich mich an meinen Sturz gar nicht erinnern können. Erst nachdem mir der Arzt alles erklärt hatte, habe ich das ganze Ausmaß realisiert. Anfangs habe ich gedacht: ‚Schau ma mal‘. Und kürzlich ist mir endgültig bewusst geworden, dass ich in dieser Saison kein Rennen mehr fahren kann.
Bei Olympia zählt zuerst der Gedanke: „Dabei sein ist alles“
Wie ist es zu dem verhängnisvollen Sturz eigentlich gekommen?
Es war ein klarer Fehler von mir! Ich bin zu weit gesprungen, mit Vorlage in die Landung gegangen und mit dem Kopf voraus in die Steilkurve geflogen – dann war’s schon passiert.
Wie realistisch ist – trotz Deiner Verletzung – die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi?
Ich kann es durchaus schaffen! Allerdings sollte ich bis dahin verletzungsfrei bleiben. Wenn ich meine Leistung bringe, ist das Ziel Olympia greifbar.
Ein großer Traum könnte also in Erfüllung gehen.
Natürlich! Welcher Sportler möchte nicht gerne zu Olympia? Aber wer kann schon sagen, dass er bei den Spielen dabei ist – da zählt erst mal nur der Gedanke: ‚Dabei sein ist alles‘. Welche Platzierung dann rauskommt, ist absolut zweitrangig.
„Nun haben auch die Neureichenauer einen Weltmeister“
Medaillen und Podestplätze bist Du praktisch schon gewohnt. Welche Rolle spielt Deine Goldmedaille bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2012 im italienischen Valmalenco?
Des war ein großer Schritt für mich – aber auch für den Deutschen Ski-Verband und für das deutsche Skicross allgemein. Es war wichtig, weil ich dadurch nun einen großen Titel vorweisen kann. Außerdem war es auch für Neureichenau schön. Seitdem haben nicht nur die Breitenberger einen Weltmeister (Skispringer Michael Uhrmann – Anm. d. Red.), sondern auch die Neureichenauer.
Wie wichtig ist Dir der dritte Platz bei der Wahl zum „Juniorensportler des Jahres 2012„?
Auf diese Auszeichnung bin ich sehr stolz, das war Wahnsinn. Vor allem, weil im selben Jahr die Sommer-Olympia ausgetragen wurde – und ich dann der einzige Wintersportler in den Top drei war.
… und der „Goldene Ski„?
Das ist die höchste Auszeichnung des Deutschen Ski-Verbands. Und wenn man neben so bekannten Sportlern wie Viktoria Rebensburg, Magdalena Neuner oder Tobi Angerer stehen darf, ist das schon alles andere als schlecht (lacht).
Keine Berühungsängste also vor den Stars der Szene?
Nein, überhaupt nicht. Man hat im Hinterkopf, dass sie diesen oder jenen Erfolg erreicht haben – dann ist es aber auch schon gut.
Themawechsel: Wie bist Du eigentlich zum Skicross gekommen?
Ich bin vorher Alpin-Ski gefahren. Nach einer schweren Verletzung und weil ich im selben Jahr Abi geschrieben habe, war dann aber Schluss. Immer wieder bin ich dann darauf angesprochen worden, dass ich Skicross machen soll. Ich habe es mir angeschaut – und es hat mir auf Anhieb gefallen.
Spezial-Slalom-Karriere? „Mein Fahrstil ist einfach zu aggressiv“
Hättest Du es auch im Slalom- oder Riesenslalom in die Weltspitze geschafft?
Ich war ganz gut, aber ich bin immer zu viel Risiko gegangen und rausgeflogen. Mein Fahrstil ist einfach zu aggressiv. Beim Skicross kommt mir das jetzt zu Gute. Ich bin in dieser Sportart einfach besser aufgehoben.
Muss man als Skicrosser „einen Vogel“ haben, etwas verrückter sein?
Man muss als Skicrosser ein paar Eigenschaften haben, die bei einem alpinen Skifahrer zu kurz gekommen sind. Man muss risikobereit sein, darf die Geschwindigkeit nicht fürchten und den direkten Kontakt zum Gegner nicht scheuen.
„Der Skifahrer wird im Sommer gemacht – von 9 bis 17 Uhr“
Skifahrerisch groß geworden bist Du beim SV Neureichenau. Welche Erinnerungen hast Du an diese Zeit?
Wir waren damals eine Gruppe von 20, 30 Leuten – und auch viele Eltern waren immer dabei. Trainiert haben wir am Patscherkofel oder am Hinterstoder. Es war eine schöne Zeit (schwärmt).
War es von Anfang an Dein Ziel Profi-Sportler zu werden?
Ich wollte schon als kleines Kind Skifahrer werden, nachdem ich viele Ski-Rennen im Fernsehen verfolgt habe.
Die Neureichenauerin Julia Eichinger nach ihrem Sieg bei der Junioren-Weltmeisterschaft:
In mehreren Berichten wird Deine Starttechnik und Deine gute Kondition gelobt. Talent oder Fleiß?
Der Skifahrer wird im Sommer gemacht. Dann gehe ich um neun Uhr zum Training und komme um 17 Uhr heim – hier wird der Grundstein für die Erfolge gelegt. Ich mache viel im konditionellen und koordinativen Bereich, wir gehen aber auch oft turnen. Und natürlich sind dann auch spezifische Start-Trainings dabei, bei denen neue Techniken ausprobiert werden.
Du bist ja Sportsoldatin. Wie verlief Deine militärische Ausbildung bisher?
Die Bundeswehr hat eine bestimmte Gruppengattung, die Sportfördergruppe. Ich habe ganz normal meine Grundausbildung absolviert – jedoch hat sie nur sechs bis acht Wochen gedauert. Dann habe ich meine Lehrgänge und Fortbildungen – wie jeder andere Soldat auch.
„Woid is Woid – wenn’s me ned voschdengand, hamd’s Pech ghod“
Wie häufig bist Du dann „Soldatin Eichinger“?
Genau einmal im Jahr – bei den Lehrgängen (lacht).
Sportsoldat, Skicross – wie viel Zeit bleibt da noch für die Familie und Freunde?
Wegen meiner Verletzung bin ich jetzt seit vier Wochen daheim. Im Sommer trainiere ich während der Woche in München. Am Wochenende bin ich in Neureichenau. Ich fahre eigentlich immer nach Hause, wenn es irgendwie möglich ist.
… und den Dialekt hast Du Dir bisher auch bewahrt?
Bayerwoid is Bayerwoid. Wenn’s me ned voschdengand, hamd’s Pech g’hod …
Julia, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg beim Skicross.
Interview: Helmut Weigerstorfer
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Kurz gefragt – kurz geantwortet
Was verbindest Du mit Martin Süß (ehem. Ski-Trainer beim SV Neureichenau)?
Einer unserer ersten Ski-Trainer. Er ist ein super Ski-Fahrer.
Alex Böhme (Skicross-Bundestrainer)?
Ein klasse Typ.
Mike Schmid (Skicross-Olympiasieger 2010)?
Der Hühne des Skicross (1,93 Meter groß – Anm. d. Red.)
Simon Stickl (Deutscher Skicrosser)?
Ein cooler Typ, der immer einen Witz auf Lager hat.