Annaberg/Salzburg. Es war nicht nur der Traum von Marcel Hirscher, es war auch der sehnlichste Wunsch von mehr als acht Millionen Österreichern. Und der 23-jährige Skifahrer hat diesem Druck standgehalten – und im Slalom die Gold-Medaille geholt. Über diesen Erfolg, über seinen Vater Ferdinand und über seinen ärgsten Konkurrenten Felix Neureuther spricht der sympathische Österreicher im Hog’n-Interview. Ähnlich wie bei der Heim-WM in Schladming umkurvt Marcel Hirscher dabei die Fragen elegant und gewissenhaft – aber dennoch mit einer enormen Lockerheit und dem nötigen (Wort-)Witz.
Herr Hirscher: Weltmeister im Slalom bei der Heim-WM in Schladming. Ist damit ein Kindheits-Traum in Erfüllung gegangen?
Als Kind habe ich davon geträumt, ja. Später, als Teenager, nicht mehr – da war der ÖSV-Kader mein größter Wunsch. Weltmeister, das war damals ein viel zu fernes Ziel.
„Mehr als schnell Ski fahren geht nicht“
40.000 Zuschauer im Ski-Stadion, Millionen vor den Fernsehgeräten. Waren Sie eigentlich nervös – vor allem vor dem zweiten Slalom-Durchgang?
Ich hab tatsächlich wenige Minuten vor dem Start über die Bedeutung dieses Rennens nachgedacht. Und dann ist mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gegangen: ‚Wenn’s mich raushaut – oh Gott, dann töten die mich!‘ Zum Glück habe ich mich dann wieder beruhigt – mehr als schnell Ski fahren geht nicht, dachte ich. Und ich habe mich entschieden: Lieber ausfallen, als wieder nur Vierter werden. Das war eine gute Entscheidung (lacht).
Marcel Hirschers Fahrt zu Slalom-Gold bei der Ski-WM in Schladming
Vierzehn Tage Ski-WM. Wie anstrengend war das?
Ich war vierzehn Tage lang ‚on fire‘ – heiß, kalt, heiß, kalt, zornig, glücklich. Es war zum Teil echt zäh. So schön es im Nachhinein betrachtet war – ich bin froh, dass der Druck jetzt weg ist.
Ihr ärgster Slalom-Konkurrent ist gleichzeitig ein guter Freund. Welcher Typ ist Felix Neureuther?
Felix ist mein Lieblings-Piefke (lacht). Er ist ein Racer wie ich, ein saucooler Hund und ein verdammt guter Skifahrer. Wir verstehen uns sehr gut, wir haben großen Respekt voreinander und wir feiern gerne gemeinsam.
„Manchmal habe ich gedacht, ich hab nur geträumt“
Seit Ihrem WM-Triumph werden Sie mit Ski-Legenden wie Hermann Maier verglichen …
Ich freue mich natürlich, wenn mein Name in einer Reihe mit verdienten Ski-Allstars genannt wird. Dennoch ist es mir wichtig, dass mich die Leute als Marcel wahrnehmen – und ich glaube, das gelingt mir ganz gut.
Achtzehn Weltcup-Siege, zwei WM-Titel – obwohl Sie erst 23 Jahre alt sind, haben Sie schon viel erreicht. Überrascht Sie das selbst manchmal?
Ich bin letzten Sommer manchmal aufgestanden und hab meine Glaskugeln (Pokale für Weltcup-Gesamtsiege – Anm. d. Red.) in die Hand genommen, weil ich gedacht hab, ich hab das alles nur geträumt. Es ist manchmal echt schräg. Dann schau ich mir immer wieder meine Rennen auf Video an, damit ich’s richtig check.
Wird aus Marcel Hirscher eigentlich noch ein Abfahrer?
Also da müsste ich bestimmt noch einige Knödel essen (lacht). Allein zwei Disziplinen zu bestreiten ist extrem aufwendig. Ich komme ja kaum zum Super-G-Training, obwohl das auf manchen Strecken sicherlich Sinn machen würde. Das mit der Abfahrt ist wirklich weit weg.
Trotz Ihrer Erfolge sind Sie erfreulich bodenständig und authentisch geblieben. Gibt es ein Geheimnis für Ihre Lockerheit?
Danke fürs Kompliment (lacht). Ich denke, das ist Erziehungs- und eine Einstellungssache. Ich mag die Menschen – und ich bin nix Besseres als jeder andere. Jeder, der seine Begeisterung lebt, kann andere damit anstecken. So einfach ist das – und das spüren die Leute.
„Ich mag Menschen – und ich bin nix Besseres als jeder andere“
Welche Rolle spielt Vater Ferdinand bei Ihren Erfolgen? Ist er ein Freund, Ihr strengster Kritiker oder ein Vollblut-Fan?
Mein Dad und ich haben eine super Beziehung: meist sehr freundschaftlich – manchmal kracht’s aber auch ordentlich. Er ist ein großer Tüftler, hat mir mit seinen Ideen und Zugängen zum Skisport schon in ganz jungen Jahren eine Basis bereitet, von der ich heute noch profitieren kann. Er verbringt Stunden damit, mit meinem Atomic-Service-Mann Edie Unterberger an technischen Details zu feilen. Das ist ein großes Glück, so mit seinem eigenen Dad zusammenarbeiten zu können.
Die Masse träumt davon Sportstar zu werden. Von was träumt ein Sportstar?
Von einem gemeinsamen Urlaub mit seiner Freundin. Laura und ich reden echt schon lange, dass wir einmal g’scheit wegfliegen sollten – das geht sich nur leider nie aus …
Ein ähnlicher Frühstarter wie Sie war Biathletin Magdalena Neuner. Sie beendete jedoch mit 25 Jahren ihre Karriere. Können Sie Lenas Entscheidung verstehen? Schließen Sie ein ähnlich frühes Ende aus?
Das ist jetzt, glaube ich, das erste Mal in meiner jungen Karriere, dass mich jemand nach dem Karriere-Ende fragt – soll ich das Interview an dieser Stelle abbrechen?!?! (lacht) …
Nein. Ein, zwei Fragen hätt ma noch. Zum Beispiel: Wie wichtig sind Ihnen eigentlich Auszeichnungen wie „Österreichs Sportler des Jahres“ oder der „Skieur d’Or“?
Österreichs Sportler des Jahres zu werden, war für mich etwas ganz Besonderes. Wenn ich mit Namen wie Niki Lauda, Thomas Muster, Hermann Maier in einem Atemzug genannt werde, ist das eine besondere Anerkennung für meine Leistungen. Genauso geht es mir mit dem Skieur d’Or, eine Auszeichnung, die Ski-Journalisten verleihen – das ist doch auch was, wenn die Leute vom Fach einen zum besten Skifahrer des Jahres wählen. Da sind Namen dabei wie Ingemar Stenmark, Franz Klammer, Pirmin Zurbriggen, Karl Schranz, Hermann Maier und so weiter…
„… dann wäre ich jetzt ein holländischer Skifahrer“
Bitte vollenden Sie folgende Sätze: Wenn ich nicht Skifahrer geworden wäre, wäre ich jetzt …
… ‚wäre‘ stimmt zum Glück nicht – ich bin’s ja geworden.
Wenn ich für den holländischen Skiverband (Marcels Mutter ist Niederländerin) an den Start gegangen wäre, wäre ich jetzt …
… ein holländischer Skifahrer.
Wenn ich nicht Slalom-Gold gewonnen hätte, wäre ich jetzt…
… in der glücklichen Lage, solche Sätze in der Möglichkeitsform nicht weiter ausfüllen zu müssen.
Wenn ich im zweiten Durchgang beim letzten Tor eingefädelt hätte, wäre ich jetzt …
… jetzt reicht’s (lacht).
Herr Hirscher, vielen Dank für das kurzweilige Interview – und alles Gute für Ihre weitere Karriere.
Interview: Helmut Weigerstorfer