Während meiner ersten Woche als einstiger Hog’n-Praktikant durfte ich den Feldversuch unternehmen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Auersbergsreut nach Zenting zu fahren: vom östlichsten Osten des Landkreises Freyung-Grafenau bis in den westlichsten Westen. Eine Reportage über die teils etwas irrwitzigen ÖPNV-Verbindungen (gerne auch: Nicht-Verbindungen) in diesem schönen Teil des Bayerischen Waldes. Toll war’s! Hat auch nur sechs Stunden und acht Minuten gedauert bis ich am Ziel war. Angst hatte ich nur mäßig. Und ich musste auch nur vier (!) Kilometer zu Fuß zurücklegen. „Da musst du als Praktikant durch“, dachte ich mir damals…
Gut. Viereinhalb Jahre ist das nun her mit der Busfahrerei. Ich träume nur noch selten davon. Mein Psychologe meinte unlängst, dass meine daraus resultierende posttraumatische Belastungsstörung (kurz: PTBS) fast auskuriert sei. Läuft! Praktikant bin ich mittlerweile auch keiner mehr, die journalistische Hackordnung also zumindest ein bisschen emporgeklettert. Herrlich! Eine fiktive Geschichte soll’s nun sein – mit mir und Franz Josef Strauß in einer Propellermaschine. Weltklasse! Von dem treuen Hog’n-Leser, der diese Idee hatte – und sie auch noch öffentlich machte! – wünsche ich mir als Wiedergutmachung eine Reportage über einen „Saunabesuch mit Peter Altmaier“. Mit einem Typen, der „Alt“ und „Eier“ im Namen trägt. Das wird bestimmt ein Spaß…
Inshallah!
Ja, nur fiktiv und nicht echt, schon klar. Schließlich steigt der olle FJS heute nur noch selten in Propellermaschinen. So wie er überhaupt nur noch selten irgendwo hinsteigt. Aber da ich generell eine sehr blühende Fantasie besitze und gedankliche Reize bei mir oft mehr Schmerzen verursachen als empirisch-audiovisuelle, rangiert ein FJS-Helikopterflug auf der Spaß-Skala in etwa auf Höhe einer Darmspiegelung qua Schlagbohrer. Um Missverständnissen vorzubeugen: also eher weiter unten. Der Busfahrer meiner Reportage anno 2015 mag zwar ab und an ein Schulkind gefrühstückt haben, doch mein Flugbegleiter heißt – fiktiv hin oder her – eben Franz Josef mit Vornamen. Und Strauß mit Nachnamen.
Abflug – what else? – am Franz-Josef-Strauß-Flughafen in München. Ziel: Moskau – denn bei seiner ersten Reise in den Osten kam Strauß bekanntlich „nur bis Stalingrad“. Außerdem steht Vodka bekanntlich für Spaß. Und den kann ich gebrauchen. Doch die Stimmung war zu meiner Verwunderung von Beginn an gut, denn Ralf Stadler stieg ins falsche Flugzeug. Über Saudi-Arabien fliegt der jetzt nach Qatar. Bildungsreise. Statt über autoritäres Regieren lernt er jetzt was über den Islam. Toni Schuberl begleitet ihn. Inshallah!
„Schwarz macht Geil“
Nun gut. Franz Josef mag im Laufe seines Tuns (was auch immer er da tat) etwas fortschrittsresistent, altbacken – um nicht zu sagen: reaktionär – gewirkt haben. Aber auch er – und mit ihm die CSU – geht mit der Zeit. Zumindest nachdem alle anderen schon mal vorgegangen sind. Fliegen, so FJS (gesprochen: „Efff-Tscheeyyy-Esss“, weil’s cooler klingt), sei viel zu umweltschädlich. Und außerdem gäbe es im Süden von Bayern nun so einen Typen, der’s tatsächlich geschafft hat, ewiggestrige Schwärmereien wieder fresh zu machen.
Die Wirtschaft lief nicht so recht, eine Gesellschaft, die sich zunehmend in Reiche und Arme aufspaltet, Kinder- und Altersarmut im Land. Dazu die Klimakrise. Gut, dass sich da eine Blitzbirne von überragendem Intellekt fand und sogleich proklamierte: Schuld an der Misere sind die, die vorher noch gar nicht da waren: die Ausländer! Natürlich! Brillant, die Idee hatte vor ihm eigentlich noch keiner. Man mag sich fragen, wieso da vor ihm eigentlich noch nie irgendwer draufgekommen ist!? Ein echter Wunderwuzzi. Sebastian soll der heißen, so fresh der Typ, dass er glatt die Pubertät übersprungen hat. Ein Mann ohne Ausbildung und Gesichtshaar, aber eben auch ohne Skrupel – und deswegen: Bundeskanzler von Südbayern. Bei solchen Typen kommt die FJS-Libido erst so richtig in Wallung. Bei mir schlägt zeitgleich der Eros Alarm.
Efff-Tscheeeyyy-Esss steigt also ins Geilomobil. Er verscheucht noch ein paar Bitches, bewegt seinen Astralkörper in einer Eleganz ins Auto, dass selbst das umstehende Preußentum spitz wird – und wispert dann verführerisch: „Schwarz macht Geil“. Der Sebastian mache das auch so, meint FJS. Der Sebastian hat auch nicht im Zweiten Weltkrieg gekämpft, denke ich mir, sage es aber nicht, um die Stimmung nicht zu vermiesen.
Zum Einstieg: sanft
Apropos Stimmung. Ich versuche es zum Einstieg sanft. „Du Franz Josef“ – ich teile mir aus Prinzip kein Geilomobil mit Menschen, mit denen ich nicht per Du bin. Das ist so eine Macke von mir – „hast du Hobbies?“
– „Jedenfalls habe ich keine Eisenbahn in meinem Keller.“
Nächster Versuch, mit etwas mehr Charme. „Franz Josef, wie fühlt man sich so, wenn ein Flughafen den eigenen Namen trägt?“
– „Gut.“
„Nicht mehr? Gut? Schau dir mal deinen Nachfolger an. Der hat’s gerade mal zu einer Ikea-Hängeleuchte gebracht.“
– „Sowas hätt’s damals nicht gegeben.“
„Hängeleuchten?“
– Nein, Söders.
Von hängenden Leuchten und stehenden Würsten…
„Der hatte immerhin als Teenager ein Poster von dir überm Bett hängen…“ (bei der Vorstellung, wie unser Held der Hängeleuchte seine Weißwurst auspackt und voll Wonne Richtung Strauß blickt, wird mir schlecht – liebe Grüße vom Schlagbohrer)
– „… hätt‘ er lieber mal eins vom Sebastian aufgehängt, dann wäre die CSU auch heute noch das, was sie einmal war“.
Nice, hipp, fancy und abgespaced?
– Nein, eine Volkspartei.
An dieser Stelle endet unser Gespräch abrupt. Wir, in unserem Geilomobil, fühlen uns zwar ziemlich geil. Doch nichts im Vergleich zu dem Typen, der da – Oberkörper frei – auf einem Bären durch die Prärie reitet. Njet, njet, njet, njet, meine chlieben Möcchtegörn-Ümperrialisten. Was is das fürr eine chlächerliche Automobill? Ja, es ist Vladimir Putin – und ja, der redet wirklich in genau diesem Klischee-Russen-Deutsch. Und hat natürlich auch eine Flasche Vodka dabei.
Wir trinken Vodka. Viel Vodka. Als ich wieder aufwache, bin ich CSU-Mitglied. Neben mir liegt ein verschwitzter Schlagbohrer…
Liebesgrüße aus Moskau von: Johannes Greß
(Achtung: Text kann Spuren von Satire enthalten)
auch interessant zu wissen:
kürzlich war zu lesen:
Strauß soll im Krieg US-Spion gewesen sein
In den Akten werde behauptet, Strauß habe im Oktober 1944 geheime Unterlagen zur Luftverteidigung süddeutscher Städte, darunter Würzburg, an amerikanische Agenten übergeben. Strauß‘ Treffen mit den Kontaktmännern des amerikanischen Militärgeheimdienstes Office of Strategic Services (OSS) soll danach im Schweizer Grenzort St. Margarethen stattgefunden haben. „Wäre dies zutreffend, müssten wichtige Kapitel der deutschen Zeitgeschichte überdacht werden“, schreibt Brissa.
https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2015-09/franz-josef-strauss-spionage-usa
https://www.welt.de/geschichte/article149603520/Strauss-waere-als-Landesverraeter-erschossen-worden.html