Freyung-Grafenau. Praktikant beim Onlinemagazin da Hog’n zu sein, ist manchmal wahrlich kein Zuckerschlecken. Um Freyung-Grafenaus öffentlichen Nahverkehr einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, wurde ich jüngst von meinen Chefs auf eine ganz besondere Reise geschickt. Motto: Von A nach Z, oder: von Auersbergsreut nach Zenting. Meine Mission: Ich sollte versuchen, mich ausschließlich mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel einmal quer durch den Landkreis zu schlagen. Dabei nicht erlaubt war der Einsatz von Kartenmaterial, Kompass, GPS-Gerät oder Smartphone.. Okay, okay, dachte ich mir. Ich bin sechs Monate lang durch Afrika getingelt – das dürfte doch zu schaffen sein. Mein Orientierungssinn ist gut ausgeprägt, ich kann Fahrpläne lesen – und auf den Mund gefallen bin ich auch nicht gerade.
Die Fakten: Laut Routenplaner misst die Strecke, sofern man sie im Auto zurücklegt, rund 55 Kilometer. Eine knappe Stunde Fahrzeit etwa, wie Google-Maps verrät. Drückt man beim wohl meistgenutzten Kartendienst der Online-Welt auf die Schaltfläche mit dem Bus-Symbol, lautet die ernüchternde Antwort: „Die Route von Auersbergsreut nach Zenting mit öffentlichen Verkehrsmitteln konnte nicht berechnet werden.“ Ah ja… Schon mal gut zu wissen…
„Nur an Schultagen“ – Fußmarsch Teil 1
Als ich morgens gegen 9 Uhr am Ausgangspunkt nahe der bayerisch-tschechischen Grenze abgesetzt werde, bekomme ich sogleich einen ganz passablen Eindruck von meinem (wahnwitzigen?) Unterfangen: Aufgrund der Pfingstferienzeit will der Bus an diesem Tag nicht aus Auerbergsreut abfahren. Das geht ja gut los… Und während meines knapp 30-minütigen Fußmarschs zur nächsten Bushaltestelle in Haidmühle wird mir schnellstens bewusst: Wer viel wert auf Ruhe, Idylle und nur ja keine Hektik legt, der ist in diesen Breitengraden goldrichtig. Menschenleer sind die Straßen an diesem nasskalten Mai-Tag, der eher an einen tristen November-Tag erinnert. Das einzig Lebendige in diesem Ort scheint noch das Bettenhaus Mühldorfer zu sein – also, zumindest war hier das Licht an und es schien wohl zumindest irgendeine Form menschlicher Aktivität zu geben.
Um halb 10 Uhr erreiche ich die Bushaltestelle in Haidmühle – gerade noch rechtzeitig, um den 9:35-Uhr-Bus nach Freyung zu erwischen. Hätte ich diesen ersten „ÖPNV-Rettungsengel“ verpasst, wäre der nächste Bus in die Kreisstadt erst um 14.15 Uhr losgefahren – und ich wäre eben mal locker-lässig fünf Stunden in dem Grenzort mit Zeit totschlagen beschäftigt gewesen…
Das Ding mit der Sprachbarriere…
Im geräumigen Bus bin ich der einzige Fahrgast – und nachdem mein (in diesem Falle) ganz persönlicher Chauffeur sich erst einmal liebevoll seine Leberkaassemmel zerlegt, den Inhalt ordentlich mit Senf bestrichen und anschließend die beiden Hälften behutsam wieder zusammengesetzt hat, geht’s auch schon Richtung Westen. Während der Fahrt steigt eine ältere Dame zu, die allem Anschein nach den Großteil ihres Lebens in den nördlicheren Gefilden unseres Bundesstaates verbracht hat – und somit nicht ganz mit der bairischen Sprache vertraut ist. Der Busfahrer hingegen hat ganz offensichtlich mit dem Hochdeutschen eher weniger am Hut. Das Resultat: ein etwas irrwitziger Dialog aus „Wie bitte? Was?“ und „Iatz – des bascht scho – iatz steign’s einfoch ei“. Um 10:12 Uhr endet mein erster Reiseabschnitt am Freyunger Busbahnhof. 37 Minuten Fahrspaß durch die wilde Natur des Bayerwalds für 5,40 Euro – in Uganda bin ich günstiger unterwegs gewesen…
Nach etwas Wartezeit findet sich um 11 Uhr ein Bus Richtung Grafenau. Auch Richtung Tittling gäbe es eine Routen-Option – und hätte ich gewusst, was am Ende meiner Reise auf mich zukommt, wäre diese vielleicht sogar die bessere gewesen. Da mir aber weder die Grafenauer noch die Tittlinger Verbindungen nach Zenting bekannt sind, entscheid‘ ich mich bauchgefühlsmäßig für die zeitnähere nach Grafenau. Mit 4,80 Euro fürs 40-minütige Fahrvernügen ist dieser zweite Teilabschnitt also etwas kostengünstiger zu bewerkstelligen.
Der Service stimmt – der Fahrplan hat Potenzial
11.45 Uhr, Busbahnhof Grafenau: Trotz einer nahezu überwältigenden Menge an Plänen muss ich, nachdem ich mich durch das Wirr-Warr an Abfahrtszeiten gekämpft habe, feststellen, dass das Ziel meiner Wahl, Zenting, leider nicht dabei ist. Also frage ich bei einer Busfahrerin nach, wie ich denn am besten in die Gemeinde am Fuße des Brotjackelriegels komme. „Des Bussystem is a Katastrophe, i woas eh“, sagt sie ganz unverblümt – und wählt sogleich die Nummer eines Kollegen, um Auskunft zu erlangen. Auch dieser bestätigt zunächst die „katastrophalen Zustände“ – und hat leider auch keine Lösung parat.
Hm. Also hämmert die hilfsbereite Dame weitere Nummern in ihr Telefon, um die für mich passende Verbindung herauszusuchen. Der Service stimmt also schon mal. Einige Telefonate später steht dann meine Route doch noch fest: Grafenau – Innernzell – Hunding – Hengersberg – Zenting. Selbstverständlich keine Direktverbindung – und nur unter mehrmaligem Umsteigen zu bewältigen. Ein bisschen schmunzeln muss ich dabei schon, denn eigentlich sind’s auf direktem Wege von Grafenau nach Zenting keine 20 Kilometer mehr – über Hengersberg wären’s dann doch über 60…
Egal. Um 12:25 Uhr startet der Bus von Grafenau nach Innernzell. Als ich der Busfahrerin von meinem kleinen Projekt berichte, gibt auch sie schnell zu erkennen, dass sie nicht so ganz vom Fahrplan des öffentlichen Nahverkehrs überzeugt ist – ein Eindruck, der sich ebenfalls in den Fahrgastzahlen widerspiegele, wie sie berichtet: „I fahr eigentlich den ganzen Tag nur Luft von A nach B“.
Apropos Plan: Einmal in Innernzell angekommen, finde ich zwar den besagten Anschluss-Bus meiner zuvor in Grafenau zusammengebastelten Reiseroute vor – allerdings fährt dieser gar nicht nach Hunding! Der einzige Weg nach Zenting würde, wie ich irgendwann herausfinde, über Deggendorf (!) führen – hipp hipp hurra! Allmählich ahne ich, dass diese Odyssee noch etwas länger dauern könnte. Um meinem Zielort näherzukommen, müsste ich mich also erst einmal ordentlich davon entfernen – und in den benachbarten Landkreis gondeln. Das verstehe, wer will. Als ich Innernzeller Boden betrete, gibt mir die symphatische Grafenauer Busfahrerin noch ein „Alles Gute“ mit auf den Weg und erlässt mir – wohl aus Mitlied – sogar noch den Fahrpreis. Eine Wahnsinns-Frau!
„Schlecht is fei des Z´fuasgeh eh ned“
Um kurz vor 13 Uhr trete ich also meine Reise nach Deggendorf an. Bei einem kurzen Zwischenstopp in Schöfweg versucht der Fahrer auf meine Bitte hin die Verbindungen zwischen Deggendorf und Zenting für mich ausfindig zu machen. Das ernüchternde Ergebnis: Vor 17:30 Uhr (!) würde es keine Fahrt von der Donau-Kreisstadt nach Zenting geben…
Hm. Was tun? Wenn ich um halb sechs Uhr abends mit dem Bus von Deggendorf aus Richtung Zenting aufbreche, bin ich erst gegen halb sieben am Ziel. Ich müsste mehrere Stunden herumsandeln, warten, ausharren… Schöfweg ist noch zirka zehn Kilometer von Zenting entfernt. Entweder ich komme irgendwie per Anhalter ans Ziel – oder zur Not muss eben die gute alte „Fuasmare“ herhalten. Doch auf den Umweg über Deggendorf habe ich definitiv keine Lust!
Der Verkehr zwischen Schöfweg und Zenting hält sich zwar stark in Grenzen, sprich: potenzielle Mitfahrgelegenheiten sind rar gesät – aber ich spaziere jetzt trotzdem einfach mal drauf los. Ein Gefühl, das sich schnell bei mir einstellt: „Schlecht is fei des Z’Fuasgeh eh ned.“ In Daxberg verleiht mir die traumhafte Aussicht auf den Woid wieder etwas Schwung – und von einer älteren Frau am Straßenrand, die mir mit einem freundlichen „Bis Zännin geht’s eh nua na bergob, mehra wia drei Kilometta sann des nia mehr“ Auskunft erteilt, gibt’s auch noch einen zusätzlichen Motivationsschub.
Der ÖPNV – keine wirkliche Alternative
Nach weiteren 20 Minuten des Dahinschlenderns grüßt mich ein Schild mit der Aufschrift „Zenting 5 km“ – aha! Anscheinend sollte die Info der Einheimischen eher als Placebo dienen... Zum Glück haben zwei junge Deggendorfer dann doch noch Erbarmen mit mir – und nehmen mich ein Stückchen in ihrem Auto bis kurz vor Zenting mit. Das letzte Stück ist dann nur noch ein Kinderspiel – und um 15:08 Uhr erreiche ich schließlich das gelobte Land – mit Tränen der Freude in den Augen…
Fazit: Geschafft! In sechs Stunden und acht Minuten (fast) ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach Z! Es ist also grundsätzlich möglich auf diese Weise den Landkreis – einmal von Auerbergsreut nach Zenting – zu durchqueren. JETZT KOMMT DAS GROßE „ABER“: Der Reisende sollte ausreichend Zeit, einen Batzen Geduld, das nötige Kleingeld und – im Bedarfsfall – gutes Schuhwerk mitbringen. Zudem lässt der Fahrplan nach Meinung einiger ÖPNV-Beschäftigter – gelinde gesagt – viel Raum für Verbesserungen. Gesetzlich ist jeder Landkreis dazu verpflichtet seinen öffentlichen Nahverkehr mindestens alle fünf Jahre auf den Prüfstand zu stellen. Im Landkreis Freyung-Grafenau geschah dies das letzte Mal 1983… Das Ergebnis meines experimentellen Roadtrips ist also wenig verblüffend. Eine wirkliche Alternative zum Auto stellt der ÖPNV bei uns im Landkreis daher nicht dar. Lediglich Personen, denen es wirklich absolut an Alternativen mangelt, ist es zu empfehlen darauf zurückzugreifen…
Johannes Gress
Wie ist Eure Meinung zum öffentlichen Nahverkehr im Landkreis Freyung-Grafenau? Im Landkreis Regen? Im gesamten Bayerwald? Teilt uns Eure Gedanken mit – entweder gleich hier per Kommentar oder per Email an info@hogn.de.
Steffi schreibt uns per Email:
Mei Meinung zum öffentlichen Nahverkehr – ganz sche bled.
Und Führerschein mit 17 bringt a nix weil bis 2std Wartezeit is zumutbar also derfst ned foahn.
Mei Weg is von Grafenau nach Oberndorf bei Röhrnbach.
Schui aus- warten(45min)- nach Hohenau fahren- umsteigen- nach Freyung fahren- warten (45min)- heimfahren.
Oder
Schui aus- über Freyung nach Waldkirchen fahren- warten- nach Röhrnbach- von Röhrnbach zfuas.
Auf Dauer is des ned sche, und es gibt sicher na viele viel schlechtere Verbindungen, do habes praktisch eh guad.
LG Steffi
Ein sehr schöner Artikel, der das ganze Elend des Bussystems im Bayerischen Wald zeigt.
Ein paar kleine Anmerkungen habe ich allerdings doch:
Der Fußmarsch nach Haidmühle wäre etwa nicht notwendig gewesen. Der Bus Haidmühle – Freyung fährt um 9:40 auch durch Auersbergreut.
Alle Fahrten im Landkreis Freyung-Grafenau wären mit dem Bayerwald-Ticket für 8 Euro möglich gewesen. Lediglich die Fahrt im Landkreis Deggendorf wäre zu zahlen gewesen. Und hier wäre eine 10 Waben-Karte für 7,10 Euro der Höchstpreis gewesen.
Für die Landkreise Freyung-Grafenau und Regen gibt es ein Fahrplanfaltblatt von bayerwald-ticket.com, dass zumindest bei der Planung etwas weitergeholfen hätte.
Dazu wird Zenting vom Bahnbus-Unternehmen RBO-Ostbayernbus nur aus dem Landkreis Deggendorf angefahren. Alle Linien im Landkreis Freyung-Grafenau sind an den in Zenting ansässigen Busunternehmer Alois Pfeffer vergeben. Dies hat zum einen zur Folge, dass diese Linien nicht im Fahrplanauskunftssystem der Deutschen Bahn oder dem Bayern-Fahrplan auftauchen und solch kleine Busunternehmen sich rein auf den gewinnbringenden Schülerverkehr stürzen und daher in Ferien keine Verbindungen anbieten, wie es die RBO tun würde. Lediglich versteckt auf der Seite des Landkreises tauchen diese Fahrten auf.
Was ich mir vom Hog’n jetzt noch wünschen würde, wäre neben diesem Worst Case ein Best Practice Bericht. Hierzu empfehle ich Fahrten mit der Waldbahn und den Igelbussen. Dort passen die Anschlüsse, die Fahrzeuge, das Fahrtenangebot und die Fahrpreise. Leider sind diese Systeme auf Feriengäste ausgerichtet und nutzen Einheimischen für tägliche Erledigungen relativ wenig.
Ich bin Busfahrer (Landkreis PA oder Altlandkreis VOF) Natürlich gibts da viel zu verbessern aber wie die nette Busfahrerin sagte „sie fährt Luft von A nach B“ Nun fahren so wenig weil die Verbindungen schlecht sind oder sind die Verbindungen schlecht weil eh keiner mitfährt???? Dazu fehlt es an Fahrern erkundigt euch mal was es kostet Busfahrer zu werden!! Wenn man alles selber zahlen muss darf man mit ca. 10000€ Euro rechnen. Meine Erfahrung zeigt es fahren in der Regel nur ältere Leute die zum Arzt oder so müssen. Selten jüngere Leute (Schüler mal ausgenommen). Die Frage die mich brennend interessiert ist “ würden mehr Leute mit dem Bus fahren wenn es bessere Verbindungen gäbe??? Ist wie mit der Henne und dem Ei was war zuerst da?