Prackenbach. Alles Glück dieser Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde. Ein bekanntes Sprichwort, dem wohl viele Liebhaber von Schimmel, Stute, Wallach und Hengst zustimmen. Wer einmal ausgeritten ist, will (und wird) es wieder tun. Mit dem Pferde-Virus infiziert haben sich vor geraumer Zeit auch Karin und (umständehalber) Roland Geiger. Ein Besuch auf der Mulberry Ranch bei Prackenbach.
„Der Boden im Haus vibriert regelmäßig morgens um fünf, da wird man wach“, sagt Roland Geiger und rollt gespielt genervt mit den Augen. Dann galoppieren die 40 Pferde geschlossen von der Koppel heim in die Liegehalle oder zu den Futterspendern. „Ein ganz normales Verhalten, denn dann kommen die Fliegen, die ärgern sie“, fügt seine Frau Karin Geiger nickend hinzu. „So leben Pferde in freier Wildbahn.“ Das Ehepaar betreibt seit 2007 den HIT-Aktivstall „Mulberry Ranch“ bei Prackenbach.
„Auch als Mensch ist man nicht gerne alleine“
„Der Start war damals nicht einfach“, erklärt die Frau mit blondem Pferdeschwanz und Brille. Fast ein ganzes Jahr lang gab es nur einen Einsteller. Der neue Ansatz der Pferdehaltung in einem Aktivstall – ähnlich dem Leben in der freien Natur – habe einige eher abgeschreckt. „Es hat gedauert, bis die Leute registriert haben, dass dies das Beste für ihre Lieblinge ist – frei nach dem Sprichwort ‚Was der Bauer nicht kennt…’“ Mittlerweile hat sich die naturnahe Form der Pferdehaltung in Prackenbach und Umgebung etabliert, es leben derzeit 40 Pferde auf der Ranch. Die Anzahl schwanke immer wieder einmal – „einer kommt, einer geht.“
Auf die Herde habe das mal mehr, mal weniger Auswirkungen, erklären die beiden. Es herrsche eine strikte Rangordnung, an die sich alle zu halten hätten. „Was wir zum Beispiel beobachten, ist, dass sich ranghohe Tiere seltener hinlegen als rangniedrigere“, bemerkt Karin Geiger. Sie hätten eine gewisse „Wächter-Rolle“. Vor einiger Zeit verließ der damalige Herdenchef den Stall – das sei nicht einfach gewesen. „Das war, als ob eine ganze Familie auseinanderbrechen würde. Es hat wochenlang gedauert, bis eine neue Rangordnung hergestellt war und alles wieder halbwegs normal ablief“, beschreibt sie. In der Regel müsse der Rangoberste nur mit den Ohren wackeln und alle Streitigkeiten unter Rangniedrigeren würden beigelegt. Auch wenn ein Pferd altersbedingt sterbe, merke man den festen Zusammenhalt unter den Tieren – „das A und O“, weiß Karin Geiger. Ihr Mann fügt hinzu: „Das ist eine einfache Geschichte: Auch als Mensch ist man nicht gerne alleine.“
Karin Geiger gehören zehn der insgesamt 40 Pferde. Doch sie mache keinen Unterschied. „Ich bezeichne alle als meine Pferde und möchte, dass es allen so gut wie möglich geht“, sagt die Pferdeliebhaberin. Sie hat selbst einige Ausbildungen gemacht – unter anderem Phytotherapie, Alternativmedizin, Lasertherapie und Vitalblutanalyse.
Für viele Zwischenfälle fände man selbst eine Lösung, „wenn wir wirklich mal den Tierarzt rufen, dann weiß er, dass es schlimm ist und schnell gehen muss“. Zum Beispiel steht den Pferden auf der Mulberry Ranch eine „Solebox“ mit Ultraschallvernebler zur Verfügung. Durch verschiedene Aromazusätze könne man damit die Heilung positiv beeinflussen.
„Die Pferde haben einen eigenen Ofen im Körper“
Im Aktivstall hat jedes Pferd einen Chip, auf den der Futterspender reagiert und die passende Menge Kraftfutter ausgibt. Wann gefressen wird, entscheiden die Tiere selbst. Zugang zu Heu – in der Fachsprache „Raufutter“ genannt – besteht 24 Stunden am Tag. Vor allem für Rangniedrige gibt es zusätzlich Heudosierer, die mittels Chip funktionieren. „Hier können sie geschützt vor den anderen Pferden in Ruhe zusätzlich Heu abrufen“, erzählt Karin Geiger. Rund 16 Stunden fressen, dementsprechend auch Bewegung und zwischendurch eher kurze Pausen – darauf sei der Organismus eines Pferdes ausgelegt.
Je kälter es wird, desto mehr Heu brauchen die Tiere – auch für die Bildung des Winterfells. „Sie haben einen eigenen Ofen im Körper, könnte man sagen. In der Fachsprache heißt das: Thermoregulierung“, legt sie dar. Auf drei Koppeln mit insgesamt zehn Hektar haben die Pferde im Sommer freien Zugang. Es ist ihnen selbst überlassen, wo sie sich aufhalten. Im Winter ist es ein Hektar. „Wie schon vor tausenden von Jahren machen die Tiere dann Pause und fahren den Stoffwechsel herunter.“ Trotzdem bewegen sie sich rund elf Kilometer am Tag, im Sommer sind es 30 bis 40.
Die Idee, einen Stall zu bauen, sei nur logisch gewesen, blickt das Ehepaar amüsiert zurück. Frau und Tochter waren regelmäßig reiten, dem Mann war das zu teuer. „Dann bauen wir eben selbst einen Stall und halten Pferde“, war seine Lösung. Nach einigem Hin und Her mit dem Landratsamt habe er eine Genehmigung bekommen, jedoch nur für mindestens 25 Pferde. „Dann gleich für 30 und mehr, hab ich gesagt – gerade extra“, erinnert sich Roland Geiger. 2006 wurde gebaut, 2007 eröffnet. Schon damals sei klar gewesen, dass der Stall allein ohne Lokal nicht funktioniere. „Die Einstellerpreise sind so knallhart kalkuliert, dass man davon nicht leben könnte.“
In kleinen Schritten zum großen Ergebnis
2009 begann man mit dem Bau des Lokals „Nashvilla„, 2012 folgte die Eröffnung. Seither kamen noch eine Reithalle, ein Boxenstall, eine Ferienwohnung, das eigene Haus auf dem Gelände sowie ein Saal und ein Wintergarten im Lokal hinzu. So ungefähr habe der Ursprungsplan schon von Anfang an ausgesehen – „aber wir haben nicht gewusst, ob das alles finanziell machbar ist“. In kleinen Schritten habe man sich aber angenähert und sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis und der Auslastung.
Momentan sei eher ein Problem, dass das Interesse am Handwerk in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sei, wie beiden auffällt. Roland Geiger, der sich hauptsächlich um das Lokal kümmert, sucht händeringend Koch und Küchenhilfe. Karin Geiger, zuständig für den Stall und alles drumherum, war lange auf der Suche nach Ranch-Arbeitern. Und eine weitere Entwicklung gibt es: „Wir haben früher einen ganzen Kuhstall ausgemistet, nur um dann die Kühe striegeln zu dürfen – so bin ich aufgewachsen“, erzählt sie augenzwinkernd. „Heute wäre es vielen Kindern am liebsten, wenn sie ein geputztes, gestriegeltes Pferd zum Ausreiten hingestellt bekommen – und es dann einfach wieder abgeben könnten.“
Mit der Mulberry Ranch und dem Lokal Nashvilla hat sich das Ehepaar selbst verwirklicht. „Wir hätten nicht gedacht, dass uns immer wieder was Neues einfällt“, sagen beide grinsend. „Und wir sind sehr zufrieden mit der Auslastung und froh, dass auch unsere Einsteller ihre Pferde als Familienmitglieder sehen!“
Lisa Brem