Viechtach. Das kam alles andere als erwartet. Aus heiterem Himmel droht dem Viechtacher lichtung verlag das Aus, wie die verantwortlichen Geschäftsführerinnen Eva Bauernfeind und Kristina Pöschl mitteilen. Grund für die missliche Lage sei eine Neubewertung durch die Deutsche Rentenversicherung, die eine hohe Nachzahlung von knapp 40.000 Euro nach sich zieht. Die Sache ist ernst, denn: „Den fälligen Betrag kann der unabhängige Kleinverlag nicht aufbringen.“
Die Basis des Verlags ist seit jeher das kulturelle Engagement in der Region Ostbayern. 1987 haben sich auf Initiative von Hubert Ettl etwa 30 Menschen in einem Verein zusammengeschlossen, um zunächst die kritische Kulturzeitschrift „lichtung“ und dann die ersten Bücher herauszugeben. Im Jahr 1990 wurde der lichtung verlag als GmbH gegründet, bei der die Redakteure mit Einlagen zu Gesellschaftern wurden. Das Stammkapital beträgt bis heute gleichbleibend 25.000 Euro, wie die Geschäftsführung informiert.
Bürokratischer Federstrich ohne Vorwarnung
In Absprache mit Steuerberatern wurde Geschäftsführer Hubert Ettl für seine Geschäftsführertätigkeit geringfügig beschäftigt angestellt, Projektarbeiten für das „magazin lichtung“ und Bücher im Verlag wurden freiberuflich auf Honorarbasis abgerechnet, wie einer von Verlagsseite ausgesandten Pressemitteilung weiter zu entnehmen ist. Diese Teilung sei auch so fortgeführt worden, als Eva Bauernfeind und Kristina Pöschl 2014 die Geschäftsführung des Verlags übernahmen. „Sie sind freiberuflich für den Verlag und andere Unternehmen tätig, ihre Einnahmen haben sie ordnungsgemäß angegeben und die Versicherungsbeiträge über die Künstlersozialkasse (KSK) abgeführt. Der Verlag hat ordnungsgemäß alle Honorare an die KSK gemeldet und die Abgaben entrichtet.“
Die Deutsche Rentenversicherung habe seit Unternehmensgründung im regelmäßigen Turnus von vier Jahren ihre Prüfungen vor Ort im Unternehmen durchgeführt. Dabei seien besonders die Lohnkonten und die Abführung der Beiträge geprüft worden. „Bei den bisherigen Prüfungen kam es nie zu einer Beanstandung oder zu einem Hinweis, dass die Vorgehensweise nicht in Ordnung sei.“
Bei ihrer aktuellen Prüfung für den Zeitraum 2019 bis 2022 komme die Deutsche Rentenversicherung nun zu einer Neubewertung: Die Geschäftsführerinnen müssten einheitlich als Angestellte beschäftigt sein, alle Beträge seien über den Verlag abzuführen. Für den Verlag ergebe sich daraus seit dem Jahr 2019 bis 2023 eine Nachzahlung in Höhe von 40.000 Euro. Diese Nachzahlung sei innerhalb eines Monats fällig, auch wenn Widerspruch eingelegt wird, informieren die Verlagsverantwortlichen weiter – und ergänzen: „Dies ist eine Summe, die dem Verlag nicht zur Verfügung steht und auch nicht erwirtschaftet werden kann. Dem Verlag droht durch diese Entscheidung aus dem Nichts und die rückwirkende Forderung das Aus.“
„Ungeheuerlich, dieses Vorgehen!“
Hubert Ettl, Gründer und langjähriger Geschäftsführer, zeigt sich empört über dieses Vorgehen einer staatlichen Behörde. „Die Rentenversicherung nimmt eine Neubewertung einer Situation vor, die sie 30 Jahre akzeptiert hat, und verlangt dann noch rückwirkend eine für uns horrende Summe. Und dies ohne Vorwarnung. Sie zerstört einen Verlag, der in den letzten Jahrzehnten durch Förderung von staatlichen Stellen, Stiftungen und Sponsoren überhaupt sein Profil gewinnen konnte. Ungeheuerlich, dieses Vorgehen!“
Ein Kulturunternehmen in der ohnehin schrumpfenden Branche der unabhängigen Verlage, Buchhandlungen und Druckereien werde so in Existenznot gebracht. Seit seiner Gründung werde der Verlag durch den ehemaligen Geschäftsführer und die aktuellen Geschäftsführerinnen mit Bedacht und stabil geführt, auch die Corona-Jahre habe das Unternehmen gut überstanden. Die Arbeit für den Verlag werde von den Geschäftsführerinnen und auch von allen Redakteuren des „lichtung“-Magazins trotz niedriger Honorare ambitioniert und mit einem großen Engagement für die Kultur und die Literatur ausgeführt.
Der lichtung verlag spiele eine wichtige Rolle für den Kulturbetrieb in der Region und sei zudem überregional anerkannt und geachtet. „In wenigen Jahren konnte er ein weithin anerkanntes Profil gewinnen“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Im Programm sind Prosa und Lyrik auf Hochdeutsch und im Dialekt, Fotobände, Lesebücher und auch Sachbücher zur kritischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Der Verlag habe bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, u.a. 2010 den Preis des Freistaates Bayern für einen bayerischen Kleinverlag, 2020 die Verlagsprämie des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und den Kulturpreis des Landkreises Regen.
„Aufgeben ist für uns und unsere Gesellschafter keine Option“
Der Verlag versuche nun, den Betrieb zunächst aufrechtzuerhalten. Gegen den Bescheid wolle man Wiederspruch einlegen, rechtliche Schritte prüfen lassen und mit den Abgabestellen Ratenzahlungen vereinbaren. Die nächste Ausgabe des Kulturmagazins lichtung, das sich über Anzeigen und Abonnements finanziert, könne Anfang April erscheinen. Die Buchproduktion müsse jedoch zunächst gestoppt werden.
„Aufgeben ist für uns und unsere Gesellschafter keine Option“, zeigt sich Geschäftsführerin Kristina Pöschl kämpferisch. „Wir versuchen alles, um den Verlag fortführen und bereits geplante Projekte umsetzen zu können. In die nächsten Buchprojekte ist bereits viel Arbeit geflossen, unsere Autorinnen und Autoren verlassen sich auf uns!“
Wenn diese Entscheidung der Rentenversicherung den Verlag nicht ruiniere, dann würde sie ihn für viele Jahre definitiv schwächen. Nur mit Unterstützung von außen, durch Solidaritätsaktionen, Förderungen oder Spenden könne der Verlag überhaupt weitergeführt werden. Geschäftsführerin Eva Bauernfeind setzt auf solche Hilfen: „In den Jahrzehnten seit der Verlagsgründung hat sich immer wieder gezeigt, dass es viele Unterstützer gibt, die dem Unternehmen große Wertschätzung entgegenbringen. Wir hoffen, dass auch sie den Verlust nicht hinnehmen wollen.“
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Unterstützen kann man den Verlag über Bucheinkäufe, den Abschluss eines Abos oder Geschenk-Abos für das magazin lichtung (Jahresabo: 22 Euro). Als spezielle Aktion bietet der Verlag Buchpakete für jeweils 50 Euro an. In dem Überraschungspaket sind drei bis vier Bücher aus dem Bestand des Verlags enthalten. Drei verschiedene Pakete stehen dabei zur Auswahl: das „Rettungspaket Lyrik“, das „Rettungspaket Prosa“ und das „Rettungspaket Bildband“. Bestellen kann man direkt beim Verlag unter 09942/2711 oder lichtung-verlag@t-online.de, per Whatsapp unter 0151 / 196 22 179 oder über die Webseite des Verlags www.lichtung-verlag.de.
Wer dem Verlag eine Spende zukommen lassen möchte, kann diese an das Konto des lichtung verlag richten: Sparkasse Regen-Viechtach, IBAN DE 90 7415 1450 0240 0001 17, BIC BYLADEM1REG.