Schönberg/Passau. Ein Mann (39) hat eine Reiterin (30) mit einem Messer bedroht, wollte sie zum Absteigen zwingen, sie betatschen. Ein Jahr ist das nun her, geschehen am helllichten Tag im Raum Schönberg. Die junge Frau konnte unverletzt davongaloppieren. Der Mann wurde wenig später in der Nähe des Tatorts festgenommen. Derzeit läuft sein Strafprozess am Landgericht Passau. Es geht um versuchte sexuelle Nötigung durch ein gefährliches Werkzeug.
Eine junge Frau betritt den Gerichtssaal. Ohne Zögern, aber sichtlich nicht gerne. Ein junger Mann ist an ihrer Seite. Ihr Freund. Der Vorsitzende Richter erlaubt, dass er sich während der Aussage der Zeugin neben sie – und damit zwischen sie und den Angeklagten – setzt.
„Wenn er mich vom Pferd bringt, werde ich vergewaltigt“
Sie soll schildern, woran sie sich erinnert. Sie ritt am Tag der Tat gegen 14 Uhr auf ihrem jungen Pferd von den Stallungen weg. Sie fühlte sich noch nicht besonders ortskundig, da sie ihr Tier erst vor Kurzem dort untergestellt hat. Nach etwa zehn Minuten gelangt sie an eine T-Kreuzung, wählt den Weg nach rechts. Ein Mann geht schnellen Schrittes in dieselbe Richtung. Es dauert, bis sie ihn überholt. „Ich bin ein freundlicher Mensch“, berichtet die Zeugin nun. Und weiter:
„Ich grüßte ihn. Er wirkte erschrocken. Ich fragte, wohin dieser Weg geht. Er sagte, er ist nicht von hier. Aber da vorne ist eine Bank, da könnten wir uns hinsetzen und im Handy eine Karte googeln. Ich fand das seltsam. Wenn er nicht von hier ist, warum weiß er dann von der Bank. Ich ritt weiter. Im nächsten Ort gab mir eine Frau einen Tipp für den Heimweg. Ich ritt zurück. Mein Pferd wurde unruhig, schaute immer nach rechts. Da war wieder dieser Mann. Er hielt eine Hand hinter sich, sprang auf mich zu, hatte ein Messer in der Hand. Ich sollte absteigen, er will Spaß haben. Wenn ich nicht absteige, sticht er mein Pferd ab – und mich auch.“
Sie sucht nach einem Ausweg. Einem, bei dem auch ihr Pferd unverletzt bleibt. „Er ahnte wohl, dass ich weg will. Das Pferd machte einen Schritt auf ihn zu, er drehte sich weg. Da bin ich weggaloppiert, links in den Wald. Da kam eine Familie im Auto hergefahren. Ich bin hin, hielt sie auf und bat sie um einen Notruf. Er war mir erst nachgerannt, hielt mein Bein fest. Ich rutschte deshalb aus dem Steigbügel. Ich war mir sicher, wenn er mich vom Pferd bringt, werde ich vergewaltigt.“
„Mein Mandant räumt die Anklage ein“
Der Vorsitzende Richter will wissen, wie es ihr heute geht, psychisch. „Ich stand an dem Tag unter Schock, war bei meiner Familie. In der Nacht war ich unruhig. Ich habe heute noch ein Problem, wenn mich jemand anstarrt oder schnell auf mich zukommt. Ich habe mich zwei Wochen später gezwungen, wieder allein auszureiten. Aber dieselbe Strecke reite ich nimmer allein.“ Behutsam fragt der Richter nach, wie lange die Begegnung gedauert hätte. „Erst hat er mich mit dem Messer bedroht, es dann dem Pferd an die Brust gesetzt. Ein Satz gab den anderen. Ich hab‘ nur überlegt, wie ich Zeit gewinne. Ich sagte, er muss weggehen, zum Absteigen. Er glaubte mir nicht und hielt meine Hand fest. Da machte das Pferd den Schritt auf ihn zu. Da ist er seitlich weg. Und ich davon. Er kam mir seltsam vor, ich fragte mich: Läuft der nicht ganz rund? Er hat so einen unruhigen Blick gehabt, so starrend.“
Auch ein Jahr später, als Angeklagter, wirkt der Mann seltsam. Er spricht gerne über sich, über früher. Unangenehmes aber überlässt er seinem Verteidiger Armin Dersch. Das war schon gleich nach der Anklageverlesung und einem Verständigungsgespräch aller Seiten außerhalb des Gerichtssaales so. Wenn der Mann gesteht, können Gericht und Staatsanwältin sich eine Haftstrafe zwischen vier und fünf Jahren vorstellen.
Der Angeklagte senkte den Kopf, sein Anwalt las vor: „Mein Mandant räumt die Anklage ein. Er hat mit sexueller Intention gehandelt. Er wollte Spaß haben, er wollte sie betatschen – wie weit, hatte er sich keine Gedanken gemacht. Er wollte sie anfassen. Er war im Wald, sah sie vorbeireiten. Er ist ihr nachgelaufen. Er war sozial isoliert und mit seinem Vater zerstritten. Es tut ihm leid, er schämt sich dafür.“ Das Messer wäre zufällig noch in der Jacke gewesen – vom Schwammerl suchen. Bevor die Zeugin gehen kann, muss wieder der Anwalt für den Täter sprechen: „Ihm ist das unglaublich peinlich, er möchte sich entschuldigen.“
War das Messer nur rein zufällig in der Jackentasche?
Der Angeklagte war damals wenige Stunden nach dem Vorfall gestellt worden. Auf den Notruf hin kam die Polizei, fand nahe dem Tatort ein Handy, stellte den Eigentümer fest. Es war der Angeklagte. Der war nicht zu Hause. Die Fahnder von der Grenzpolizei postierten sich in der Nähe von Wald und Weg. Ein junger Mann war dort zu Fuß unterwegs. Die Beamten sprachen ihn mit dem Namen des Handy-Eigentümers an – und nahmen ihn ohne Widerstand fest.
Der Mann ist polizeibekannt, saß auch schon im Gefängnis, jedoch wegen anderer Sachen. Er stammt aus Sachsen, wuchs im Raum Schönberg auf. Er ist beim Vater gemeldet, der nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Zuletzt war der Angeklagte arbeitslos und schlief entweder bei Bekannten oder auf der Straße.
Das Gericht glaubt nicht alles, was der Mann seinen Verteidiger erklären ließ. Zum Beispiel, dass das Messer nur rein zufällig in der Jackentasche war. Der Angeklagte schweigt dazu. Vielleicht überlegt er sich bis zum Fortsetzungstermin noch, ob dies beim bisherigen Prozessverlauf eine kluge Taktik ist…
da Hog’n