Passau/Freyung. Das Ergebnis des bisherigen Mord-Prozesses gegen den Freyunger Dominik R. haben nun alle Beteiligten am zehnten Verhandlungstag im Landgericht Passau in ihren Plädoyers zusammengefasst. Und erstmals sprach R. selbst zum Gericht – er hatte von allen im Saal das letzte Wort: „Es tut mir auf alle Fälle leid. Ich bin nicht der Mensch für große Ansprachen.“ Und weiter: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das gemacht habe. Ich kann das auch nicht mehr gutmachen. Es tut mir leid, dass ich manchmal so gefühllos und eiskalt bin. Ich kann meine Gefühle nicht so ausdrücken. Und es tut mir auch leid, dass ich manchmal gelacht habe hier im Prozess.“
Da waren bereits gut vier Stunden voller Reden vergangen. Dabei ging es stets um die Nacht auf den 27. Oktober 2016. In der vorausgegangenen Sitzung hatte Dominik R. seinen Verteidiger, Prof Dr. Holm Putzke, ein Geständnis dazu verlesen lassen. Er hat seine Ex-Freundin Lisa H. (20), die Mutter des gemeinsamen Sohnes (2), mit einem Messer im Schlafzimmer der einst gemeinsamen Wohnung in Freyung umgebracht und dort versteckt. Zehn Tage verblieb er dort mit dem Kind, bereitete die Flucht ins Ausland vor. Am 12. November entdeckte Lisa H.s Mutter ihre tote Tochter. Eine Woche später nahm die Polizei R. in Spanien fest.
Staatsanwalt: „Das war äußerst berechnend und kaltblütig“
Mord oder Totschlag? Der Staatsanwalt hat sich – wie auch angeklagt – für Mord entschieden. Er fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe für Dominik R. Ursprünglich war er von heimtückischer Begehung aus niedrigen Beweggründen ausgegangen. Im Plädoyer beließ er es bei niedrigen Beweggründen: R. hätte in jener Nacht gewusst, dass Lisa H. mittlerweile einen neuen Freund hat. Weder die gegenseitige Eifersucht noch ihr Gebaren, R.s Kontakt zum Kind als Druckmittel einzusetzen, wären neu für den 23-Jährigen gewesen. „Er hat auf verachtenswerte Art und Weise in Anwesenheit des Kindes diesen Streitpunkt ein für alle Mal beendet. Er setzte in einer für das Paar typischen Streitsituation Lisas Leben ein Ende, getrieben davon, sein Besuchsrecht über das Leben der Kindsmutter zu stellen.“
Für Heimtücke, das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, findet der Staatsanwalt inzwischen aber „Dominik R.s Ausnutzungsbewusstsein nicht vollständig sicher begründbar“. Wohl aber stellt er zur Diskussion, die Tat als Totschlag in besonders schwerem Fall einzustufen. Das gilt für einen Täter, der zwar nicht gemordet hat, dessen Verschulden aber so außergewöhnlich ist, dass es ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders. Der Staatsanwalt betrachtet das Vorgehen R.s als „besonders verwerflich, insbesondere das Nachtatverhalten. Das war äußerst berechnend und kaltblütig“.
Er zählte unter anderem auf: das Verpacken und Verstecken der Leiche, das Bestreuen mit Katzensand wegen Geruchs und zu erwartendem Flüssigkeitsaustritt, das sorgsame Wegputzen des Blutes, das Entsorgen der blutigen Putzabfälle, das Weiterführen von Chats in Lisa H.s Namen, das Abräumen ihres Kontos sowie weiteres Geldbeschaffen, während er mit dem Sohn noch zehn Tage am Tatort geblieben wäre. Dann die Flucht ohne Fahrerlaubnis mit Lisa H.s Auto, das Posten von Fotos aus dem angeblichen Familienurlaub und so fort. Es gibt auf dem Laptop gefundene Fotos, auf denen lässt R. den kleinen Buben in Geldscheinen baden. Besonders schwerer Totschlag wird bestraft wie Mord: mit lebenslänglicher Haft.
Verteidiger Raith: „Das Kind muss das mitbekommen haben“
Die Anwälte von Lisa H.s Mutter und Lisa H.s Vater, Petra Hödl und Armin Dersch, legen sich auf Mord fest. Der Anwalt des Kindes, Dr. Ronny Raith, hält es wie der Staatsanwalt: jedenfalls lebenslänglich, ob für Mord oder eben schlimmen Totschlag. Aus Raiths Sicht spielte sich Folgendes ab: „Der Streit in der Küche war abgeschlossen, Lisa zog sich ins Schlafzimmer zurück, R. kam nach. Und dann kommt der kleine Bub ins Spiel. Er war im Schlafzimmer, er hat immer schlecht und leicht geschlafen. Und es kommt da zu der Bluttat. Das Kind muss das mitbekommen haben. Ich will mir nicht ausmalen, was genau. Auch vom Reinigen und Beseitigen in seiner Gegenwart. Es musste faktisch zwangsläufig erlebt haben, wie die ausgeblutete Leiche seiner Mutter professionell verpackt und versteckt wurde.“
Für Raith habe R. auf der Flucht „das Kind missbraucht, um den Schein aufrecht zu erhalten. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Tat und Täterpersönlichkeit. Eine Traumatisierung des Buben ist nicht ausschließbar.“ Er spielte zudem auf das „Fick den Richter, nur Gott kann mich richten“-Waden-Tattoo an, das R. auch im Prozess zeigte, wenn er in Bermudas zur Verhandlung kam. Ans Gericht gewandt: „Wir haben unabhängige Richter, kein Volkstribunal. Wir sind deshalb sicher, dass Sie eine am Recht orientierte und damit gerechte Strafe finden.“
R’s. Verteidiger Prof. Dr. Holm Putzke und Dr. Thomas Krimmel halten mit Totschlag dagegen, fordern zwölf Jahre Haft für ihren Mandanten. Putzke: „Dominik R. hat einen Menschen getötet. Dieses Geschehen kann man weder rechtfertigen noch entschuldigen. Wer tötet, verdient es, bestraft zu werden.“ Man müsse sich jedoch, fordert er in Richtung seiner Vorredner, entscheiden, ob man das Geständnis glaube: „Ganz oder gar nicht – Rosinenpickerei funktioniert nicht.“ Und das war nicht die einzige deutliche Kritik, die der Jura-Professor später noch übte.
„Keine Strafe dieser Welt macht Lisa H. wieder lebendig“
Für die Bewertung des Geschehenen als Totschlag – gegen die Mordmerkmale hatten beide Verteidiger R.s argumentiert ‑ zählte Putzke die „besonderen Umstände in jener Nacht“ auf:
Lisa H. hätte „Dominik R. zum zweiten Mal auf die Straße gesetzt. Die Schlüssel für seine neue Wohnung bekam er mangels Kaution nicht. Also war klar: R. ist ab 1. November ohne Wohnsitz. Er hatte die Trennung akzeptiert, hatte eine Alternative. Er wollte wieder zurück zu seiner früheren Freundin, von der er dachte, sie wäre schwanger von ihm, und dort wohnen. Doch dafür drohte Lisa H wieder mit Kindesentzug. Also war die Situation für R. subjektiv ausweglos, eine Lose-Lose-Situation. Da brannten die Sicherungen durch, es kam zum Dammbruch. Viel stärker als Eifersucht wäre dabei sein Ärger über Lisa gewesen. Sie durfte einen neuen Partner haben, aber R. soll nicht zur Ex zurückdürfen.“ Lisa H. hätte zudem R.s Mutter beleidigt – „so brachen bei R alle Dämme und es kam zu den tödlichen Messerstichen. Bei dieser gravierenden Gewalt ist da etwas explodiert, aus dem Ruder gelaufen“.
Zwölf Jahre Haft – „eine lange Zeit“ – finden die Verteidiger angemessen. Putzke abschließend: „Keine Strafe dieser Welt kann den Schmerz annähernd wieder gutmachen. Keine Strafe dieser Welt macht Lisa H. wieder lebendig.“
Das Urteil ist für den 20. November angekündigt.
da Hog’n
- Freyunger Tötungsdelikt: Dominik R. schweigt zum Prozessauftakt
- Fall Dominik R: „… nur Gott kann mich richten“
- Kripo-Zeuge: „Die Beziehung war von Anfang an von Streits geprägt“
- Vierter Prozesstag gegen Dominik R.: Eine Schere als Mordwaffe?
- „Dominik sagter, er hat Blut gewischt – zwei Tage lang“
- 18 Stiche und Schnitte: Lisa H. starb durch „massive Gewalt“ im Schlafzimmer
- „Die Kammer geht nicht davon aus, dass Lisa H. im Schlafzimmer überrascht wurde“
- Angeklagter bricht sein Schweigen: Dominik R. will sich äußern
- „Ich, Dominik R., habe Lisa H. nach heftigem Streit getötet“
Spendenkonto „Familie Haselberger“:
-
Die Sparkasse Freyung hat ein Spendenkonto für die Familie von Lisa H., insbesondere für den kleinen Sohn (2) eingerichtet. Bisher sind dort etwa 2.000 Euro an Spendengeldern eingegangen. Die Kontodaten lauten:
Zahlungsempfänger: Freyung hilft e.V. „Familie Haselberger“
IBAN: DE53 7405 1230 0060 2430 60
BIC: BYLADEM1FRG
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist nicht an uns ein Urteil zu fällen.
Wir sind nicht die Gerichtsbarkeit.
Aber wir sind Mütter, Väter, Schwestern, Freunde, Freundinnen und Nachbarn. Was würdet ihr tun, wenn es Euren Kreis treffen würde?
Töten ist so leicht. Ein Leben ist ein Leben.
Die Antwort: Ein Leben für ein Leben.
Oder?
Mein Mitgefühl für die Familie des Opfers, meine Tränen für alle die leiden.
Liebe Grüße
Irmgard Hiergeist