Freyung. Christian Blöchl hat sein großes Ziel erreicht. Er hat den Berlin-Marathon in zwei Stunden und 35 Minuten gemeistert. Seine Halbmarathon-Bestzeit: eine Stunde und 15 Minuten. Der gebürtige Philippsreuter gehört somit national zu den herausragenden Läufern seiner Altersklasse. „Dass es mal soweit kommt, hätte ich nicht für möglich gehalten“, gibt der Bundespolizist offen zu. „Laufen strengt mich nicht sonderlich an. Das war schon immer so. Dennoch waren diese Zeiten nicht mein Ziel. Das hat sich vielmehr nach und nach ergeben.“ Eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit fupa.net.
Zweieinhalb Jahre zuvor: Diesen Tag muss sich Christian Blöchl erst gar nicht im Kalender dick anstreichen. Dieses Datum hat sich so sehr eingebrannt in seine Hirnwindungen, dass er es wohl nie vergessen wird. Am 3. Mai 2020, abends gegen 21.30 Uhr, hat der 46-Jährige seine letzte Zigarette geraucht. Eine ganz bewusste Entscheidung. „Nach meinem Karriereende als Fußballer habe ich 20 Kilogramm zugenommen. Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt – und musste deshalb etwas ändern.“ Also weg mit dem Glimmstängel und rein in die Laufschuhe. Denn für „Muff“, wie er genannt wird, war klar: „Nur mit Sport kann ich wirklich abnehmen.“
Junioren-Bayernliga mit dem TSV Waldkirchen
Wieder in die Zeitmaschine – und noch weiter zurück. Christian Blöchl ist mit einem für unsere Breitengrade herausragenden Fußball-Talent gesegnet. Über seinem Heimatverein, dem SV Philippsreut, landet er beim TSV Waldkirchen. Dort spielt er Junioren-Bayernliga. Bekannte Namen wie Herbert Riedl, Stefan Hartl und Jürgen Fuchs zählen zu seinen Mitspielern. Muff ist dabei nicht nur irgendein Spieler, sondern einer der Leistungsträger.
Sein damaliger Trainer Ludwig „Wigg“ Eckerl, eine Bayerwald-Koryphäe auf seinem Gebiet, erinnert sich: „Ein großes Talent. Er war immer einer der Laufstärksten, hat aber auch das fußballerische Werkzeug mitgebracht, das nötig ist, um höherklassig zu bestehen. Vor allem sein linker Fuß ist mir in Erinnerung geblieben.“ Gerne hätte man in Waldkirchen Blöchl auch im Herrenbereich behalten. Doch er hatte andere Pläne.
Es ging zurück zum SV Philippsreut, ehe ein kurzer Abstecher zum TSV Mauth folgte. Beim SC Herzogsreut wurde er dann zur Leitfigur. Nach der Jahrtausend-Wende gehörte der Stürmer zu den besten Spielern auf Kreisebene. Er schoss den SC 2003/04 in die Kreisklasse – und verschwendete keinen Gedanken an höherklassige Fußballweihen. „Ich hätte wohl mindestens Bezirksoberliga drauf gehabt“, macht Blöchl, dessen Söhne Jonas und Nathan für den SV Grainet in der Bezirksliga spielen, deutlich. „Aber das war mir nicht wichtig. Kameradschaft und Spaß am Fußball waren mir wichtiger.“ Als müsste er sich rechtfertigen, ergänzt er: „Bereut habe ich nichts. Es ist alles gut so, wie es war.“
„Ich hatte den Muskelkater meines Lebens“
4. Mai 2020: Ein Tag nach der letzten Zigarette. Die erste Einheit von Christian Blöchl nach seiner Entscheidung, sein Leben umzustellen, erinnert eher an Bewegungstherapie als an einen Lauf. „Fünf Kilometer bei einer Pace von 6:30 Minuten – und ich war fix und fertig. Tags darauf hatte ich den Muskelkater meines Lebens.“ Doch Muff hatte sich ein Ziel gesetzt. Und wenn dieser sich etwas vornimmt, gibt er alles dafür, es auch zu erreichen. Das war schon immer so – und ist auch dieses Mal der Fall.
Langsam aber sicher kommt er wieder ins Rollen. Die Lauf-Zeiten werden besser – und das schneller als bei vielen anderen. „Ja, ich habe wohl eine Ausdauer-Begabung“, weiß Blöchl. Jeden zweiten Tag ist er in Laufschuhen unterwegs. Hündin „Ary“, lange Zeit sein treuer Begleiter, ist eine zusätzliche Motivation. Nach sechs Wochen probiert er sich an seinem ersten Halbmarathon – von seinem Haus in Freyung-Speltenbach aus nach Finsterau. 300 Höhenmeter. Seine Zeit: 1 Stunde 52 Minuten.
Und dann streikte die Schilddrüse
„Der is ned ganz dicht“, bekam der Beamte damals ob seines Trainingspensums zu hören. Er selber war von nun an richtig motiviert, hatte Blut geleckt. „Nach dem Finsterau-Lauf hatte ich ein konkretes Ziel vor Augen. Ich wollte das Maximum rausholen – und habe streng nach Trainingsplänen, die ich mir selber erstellt habe, trainiert.“ Sein Körper machte ihm aber vorerst einen Strich durch die Rechnung: Eine Schilddrüsen-Überfunktion sorgte für eine halbjährige Zwangspause. „Schon beim Spazierengehen hatte ich einen 140er Puls. Ich war fix und fertig.“ Im April 2021 ging es also wieder bei Null los.
Doch wieder tat Christian Blöchl alles dafür, das zu schaffen, was er sich vorgenommen hatte. Nach einer Aufbauphase war er ab Herbst 2021 wieder auf dem körperlichen Niveau angelangt, das er von sich selbst erwartet. Alles in Eigenregie. Alles auf Basis eigens erarbeiteter Trainingspläne. Der TV Hauzenberg wurde, als Muff erneut herausragende Zeiten ablieferte, auf ihn aufmerksam. Seitdem läuft er offizielle Rennen für den Laufverein aus der Granitstadt. Einige Titel wie Bayerischer Meister im Halbmarathon kamen praktisch zwangsläufig. Alles Dagewesene überstrahlte jedoch der Berlin-Marathon.
Nächstes Ziel: Europa- oder Weltmeisterschaft
Inzwischen ist der 46-Jährige regelmäßig in Laufschuhen unterwegs. Der Sport macht ihm unendlich viel Spaß, wie er sagt. Und seine Motivation ist weiter ungebrochen. Nach dem Marathon in der Bundeshauptstadt sind Tempoläufe angesagt, um wieder bereit zu sein für kleinere Distanzen. Sein nächstes Ziel: „Mit 50 Jahren möchte ich an Europa- oder Weltmeisterschaften teilnehmen.“ Wenn man seine bisherige Entwicklung in Betracht zieht, kein Ding der Unmöglichkeit – zumindest für den Christian Blöchl, den es seit 3. Mai 2020 gibt…
Helmut Weigerstorfer