München. Unterwegs zu sein und trotzdem ein Zuhause zu haben, ist ein schier unbeschreibliches Gefühl. Das wissen vor allem Menschen zu schätzen, die eine große Leidenschaft fürs Camping haben. Mit unserem mobilen Zuhause, einem Campervan der Marke VW sind wir Mitte September in Richtung Norden aufgebrochen, um über den Landweg ins Reich der Wikinger zu gelangen. Wir, das sind Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer und seine „Co-Pilotin“ sowie Fotografin Jennifer Schaller. Ihr Ziel: der Süden der skandinavischen Halbinsel. Ihr Traum: eine Fahrt mit dem Kanu auf einem der zahlreichen norwegischen Fjorde. Teil 1: On the Road to Norway…
Mittwoch, 10 Uhr, unweit von Freising. Nachdem wir die letzten Tage vor der Abreise vor allem mit Packen und der Überlegung beschäftigt waren, was man denn so alles auf eine gut vierzehntägige Tour mit einem Camper mitnehmen soll bzw. kann (und das ist eine ganze Menge!), kommen wir an unserem Ausgangsort unweit der bayerischen Landeshauptstadt an. Wir sind in der Zentrale der CamperBoys nahe Freising gelandet, einem noch recht jungen doch stetig wachsenden Unternehmen, das sich der Vermietung von Reisemobilen mit besonderem Augenmerk auf Nachhaltigkeit verschrieben hat. Ein Start-Up, gegründet von zwei Kumpels, die Abenteuer lieben und ihre Ideen gerne in die Realität umsetzen. Außendarstellung: cool, lässig, fancy, sympathisch und nahbar.
Alles vorhanden, was das Camperherz begehrt
Ein Eindruck, der sich sogleich bestätigt, als wir nach knapp zweistündiger Anfahrt mit unserem Privatauto den Empfangsraum betreten und von Ralf, einem jungen Studenten, der uns gleich in unser Gefährt einweisen wird, freundlich begrüßt werden. Mit einer Kaffeetasse in der Hand begleitet er uns, nachdem wir zügig und unkompliziert den Papierkram erledigt haben, zu unserem „Tiny House“, einem „Grand California 600„, der für die nächsten zwei Wochen unser kleines Zuhause sein wird.
Wobei: von „tiny“ (winzig) kann man nicht wirklich reden, denn: Mit sechs Metern Gesamtlänge steht da ein Fahrzeug ordentlichen Ausmaßes vor uns, in dem man platzmäßig zwar gewiss keine rauschenden Feste feiern kann, jedoch alles vorhanden ist, was das Herz eines jeden (Neu-)Campers begehrt. In gebückter Haltung müssen wir uns jedenfalls nicht darin fortbewegen, im Gegenteil: über den Häuptern ist genügend „Kopffreiheit“…
Und ja, wir sind sehr schnell Feuer und Flamme mit dem weißen CamperBoys-Vehikel mit den schicken Grünstreifen im Lack – und räumen sogleich unser Hab und Gut (sprich: Klamotten, Lebensmittel für unterwegs, Grill, Hygieneartikel, Lesestoff, Brettspiele und vieles mehr) in die entsprechenden Stauräume ein. Das Reisemobil verfügt über einen geräumigen Kühlschrank samt Gefrierfach, einen gasbetriebenen Herd mit zwei Kochfeldern, ein Spülbecken, ausreichend Geschirr, einen auf- und abbaubaren Tisch samt Sitzbereich, ein gemütliches Bett für zwei Personen im Heck des Wagens sowie ein Toilettenräumchen mit Lokus, Waschbecken und Duschmöglichkeit. Oberhalb der Kabine befindet sich ein ausklappbares Hochbett, das wir als weiteren Stauraum verwenden wollen.
Und auch technisch hat der California, von uns ab sofort liebevoll „Freddy“ genannt, alles, was einem das Reisen erleichtert: vom Multifunktionslenkrad und Navigationssystem übers Tempomat und die Rückfahrkamera bis hin zur Standheizung, Warmwasser-Boiler, USB-Anschlüsse und sogar 230V-Steckdosen. Wow! Wir sind begeistert. Und auch das Camping-Equipment (Stühle, Tisch, Markise etc.) ist mit an Bord.
Das Beste: Batteriestatus, Frisch- und Brauchwasserstand, Heizung sowie Innen- und Außenbeleuchtung lassen sich bequem von der zentralen Steuereinheit aus, einem kleinen Display im Fahrzeuginneren, regulieren bzw. im Auge behalten. Alles da, wir sind zufrieden. Nach drei Stunden Einräumzeit und dem ein oder anderen Schweißtropfen auf der Stirn kann es endlich losgehen. Es ist alles untergebracht, wir haben sämtliche Stauräume – unterm Bett bzw. im „Kofferraum“ befinden sich weitere Möglichkeiten, um Reiseutensilien unterzubringen – optimal ausgenutzt. Das verblüffte Fazit von Jennifer: „Ich hätte nicht gedacht, dass so viel Gepäck hier reinpasst…“
Ein gutes Motto für diesen Roadtrip
Wir parken unser Privatauto in einer Ecke auf dem Hof, füllen den 110-Liter-Frischwassertank noch an Ort und Stelle auf, verabschieden uns von Ralf und der restlichen CamperBoys-Crew mit den Worten: „Bis in zwei Wochen!“ – und winken zum Abschied allen Vorbeikommenden aus dem Fenster zu… (was die sich wohl gerade denken???). Wir justieren die Sitzposition, legen die Armlehnen nach vorne, drehen sanft den Schlüssel im Zündschloss um, der Dieselmotor beginnt zu schnurren, stellen den Hebel auf „D“ wie „Drive“ – und machen uns vom Acker. Die Automatikschaltung ist für den geübten Handschalter zunächst gewöhnungsbedürftig, klar. Aber wir werden damit schnell zurecht kommen. Wetter: passt! Stimmung: auch! Skandinavien: Wir kommen!
Im Radio läuft „Road to Nowhere“ von den Talking Heads. Klingt fast so wie „Road to Norway“ . Wir sehen uns an und denken beide, während wir auf die A9 Richtung Ingolstadt einbiegen, mit einem Grinsen im Gesicht: Ja, das passt irgendwie – ein gutes Motto für diesen Roadtrip! Denn auch wir befinden uns auf der „Straße ins Nirgendwo„, sprich: Wir wissen zwar, wo das Ziel unserer Reise hinführen soll (Süd-Norwegen), aber nicht, was uns auf dem Weg dorthin alles erwartet, welche Unwägbarkeiten auf uns zukommen, mit welchen Begegnungen, Eindrücken und Erfahrungen wir zu rechnen haben. Es soll ja auch ein Abenteuer werden, ein ungeplantes Unterfangen, ohne vorher groß auszuloten, wo wir am Ende des jeweiligen Tages stranden. Eine Art Reise ins Ungewisse – mit der alleinigen Gewissheit, dass wir stets auf uns selbst gestellt und jeden Tag aufs Neue darüber bestimmen dürfen, welche Richtung wir einschlagen. Freiheit nennt man das wohl…
Stephan Hörhammer
Im zweiten Teil lest ihr, warum uns „Albi“ auf unserer Reise begleiten wird, was die Lüneburger Heide zu einem lohnenswerten Aufenthaltsort macht – und was es heißt, mit dem Camper bei Regen über die längste Hängebrücke Europas zu fahren…
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