Hinterschmiding. Es geht ihr um die Sache, das betont Claudia Pöltl gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n mehrmals. Sie möchte keinen persönlichen Feldzug gegen staatliche Organisationen oder Bürgermeister Fritz Raab führen. Inzwischen hat sich die 55-Jährige aber so in die Materie hineingekniet, dass Emotionen keine Nebenrolle mehr spielen. „Das alles bedrückt mich sehr“, gibt die Hinterschmidingerin offen zu. „Denn bei mir geschieht gerade ein Skandal, der öffentlich diskutiert werden sollte.“
„Skandal in Hinterschmiding“ – mit diesem Betreff wandte sich Claudia Pöltl per Email an die Hog’n-Redaktion. Aus ihrer Sicht trifft diese durchaus überspitzt klingende Ausdrucksweise sehr wohl zu, wie sie auf Nachfrage bestätigt. Der Sachverhalt: Durch das Grundstück der Landwirtin verläuft ein Bachlauf. Nur über zwei Überfahrten gelangt sie zu den Flächen jenseits des Gewässers. Das Areal befindet sich am tiefsten Punkt des Ortes Hinterschmiding, sodass es bei Regenfällen immer wieder zu Überschwemmungen kommt. Die Brücken wirken dabei wie Staudämme, weshalb die Wiesen rundherum nach Niederschlägen regelrecht „absaufen“.
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bürgermeister
„Nach langem Ringen mit unserem Bürgermeiser Fritz Raab fand eine Begehung durch das Wasserwirtschaftsamt statt. Dieses befand, dass die bestehenden Überfahrten den Bachlauf behindern und dass diese entfernt werden müssen“, schreibt die 55-Jährige in genannter Mail. Und weiter: „Der Bürgermeister brachte zudem vor, dass es keine Genehmigung für diese Überfahrt gäbe, obgleich sie schon seit Jahrzehnten installiert ist.“ Ihr Vater hätte „vor über 70 Jahren“ die Brücken errichtet – nach Rücksprache mit dem damaligen Rathaus-Chef.
„Das Wasserwirtschaftsamt hat mir mitgeteilt, dass es sich hier um ein Gewässer dritter Ordnung handelt und somit keine Genehmigungspflicht besteht – das habe ich sogar schriftlich“, führt Claudia Pöltl weiter aus. „Der Bürgermeister besteht aber weiterhin darauf, dass die Fahrten nicht genehmigt und nur geduldet sind.“ Die Hinterschmidingerin fühlt sich im Unrecht. So sehr, dass sie deshalb bereits die Polizei eingeschaltet habe („wegen uneidlicher, falscher Aussage von Bürgermeister Raab„) genauso wie das Verwaltungsgericht Regensburg. Ohne Erfolg. „Da ich keine zivilrechtliche Handhabe habe, weil man mir einfach keine gibt, habe ich zudem eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeister Raab eingereicht.“ Diese wurde ebenfalls abgeblockt.
„Intrigen und Lügen über alle Instanzen“
Freilich, sagt Claudia Pöltl, handelt es sich bei ihrer Angelegenheit um ein „brutal kleines Problem, eine Kleinigkeit“. Dennoch ist sie bereit, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Denn einerseits „kann ich meinen Betrieb nicht weiterführen, wenn die Brücken weg sind, weil ich meine Grundstücke auf der anderen Seite des Baches nicht mehr erreiche“. Und andererseits „ärgert es mich, dass der Bürgermeister hier mittels Intrigen und Lügen über alle Instanzen durchkommt“. Ihr Ziel: Die Brücken sollen nicht nur bestehen bleiben, sondern auch von öffentlicher Hand saniert werden. Die Landwirtin ist der Überzeugung: „Die Sache sollte öffentlich diskutiert werden, damit eine vernünftige und dauerhafte Lösung zu Stande kommen kann.“
Das Onlinemagazin da Hog’n hat Rathaus-Chef Raab um eine Stellungnahme zu dieser Thematik gebeten. Die Antwort kommt von Marco Denk, dem Geschäftsleiter der Gemeinde Hinterschmiding: „Nach Rücksprache bei Herrn Bürgermeister Raab (…) lässt dieser mitteilen, dass er zu diesem Brief und Ihrer Anfrage keine Stellungnahme abgeben wird.“
Die Hog’n-Redaktion könne sich an Rechtsanwalt Wirth wenden, der die Gemeinde in dieser Sache gerichtlich vertritt. Dieser sei bestens informiert und fachlich kompetent. Man könne ebenso eine fachliche Stellungnahme seitens des Wasserwirtschaftsamts Deggendorf einholen. Auch der am Landratsamt Freyung-Grafenau für Wasserrecht verantwortliche Sachgebietsleiter stünde für Auskünfte sicherlich zur Verfügung, so Raab.
„Vorstellbar, die Brücken umzugestalten“
Während sich Rechtsanwalt Klaus Wirth – trotz Erinnerung – bis dato nicht rückgemeldet hat, teilt die Kreisbehörde in Person von Sprecher Christian Luckner lediglich mit: „Wir sehen uns nicht als der richtige Ansprechpartner für diese Anfrage.“ Das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Deggendorf hingegen bezieht seitens Dr. Albin Schramm wie folgt ausführlich Stellung:
Wir haben im April 2023 zusammen mit Hr. Bürgermeister Raab aus Hinterschmiding eine Ortseinsicht am Schürrbach vorgenommen. Bei der Begehung haben wir auch zwei Überfahrten über das Gewässer festgestellt, welche nicht nach wasserwirtschaftlichen Erfordernissen errichtet wurden. Die Überfahrten unterbinden die freie Durchwanderbarkeit für Gewässerorganismen und behindern den Hochwasserabfluss. Es sind Ausspülungen an den Ufern erkennbar, die durch die Überfahrten bedingt sind. Wir haben dies der Gemeinde auch schriftlich bestätigt. Die Gemeinde ist für das Gewässer unterhaltungsverpflichtet.
Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist es vorstellbar die Brücken entsprechend umzugestalten, damit die oben aufgeführten Probleme beseitigt sind. Denkbar wäre auch das Anlegen von Furten. Die Ausführung und Kosten der Maßnahme müsste Fr. Pöltl mit der Gemeinde absprechen.
„Gibt keine Stelle, die bestimmt, wo Brücken gebaut werden“
Auf erneute Hog’n-Nachfrage, ob Brücken wie auf dem Grundstück von Claudia Pöltl genehmigungspflichtig sind und wer denn letztlich bestimmt, wo derartige Überfahrten gebaut werden, ergänzt Dr. Schramm:
Brücken über Gewässer 1. und 2. Ordnung sind genehmigungspflichtig. Bei Gewässern 3. Ordnung, wie hier, ist dies nur der Fall, wenn dies per Rechtsverordnung durch die Regierung festgelegt ist. Der Schürrbach ist in der Verordnung nicht enthalten. Also besteht auch keine Genehmigungspflicht. Dies besagt aber nicht, dass Brücken willkürlich gebaut werden dürfen. Der Unterhaltungsverpflichtete und der Grundstückseigentümer muss zustimmen. Außerdem müssen wasserwirtschaftliche Grundsätze (siehe erste Antwort) eingehalten werden.
Es gibt keine Stelle, die bestimmt, wo Brücken gebaut werden. Das geht vom Grundstückseigentümer oder Unterhaltungsverpflichteten aus. Unter Beachtung der o.g. Grundsätze.“
Die Sachlage scheint klar. Dennoch sind die Fronten offensichtlich – allen voran bei den Protagonisten aus der Gemeinde Hinterschmiding – verhärtet. So verhärtet, dass keine Brücke aufgrund der Brücken geschlagen werden kann?
Helmut Weigerstorfer