Furth im Wald. „Wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass ich einmal Autorin, Radiomoderatorin, Schauspielerin sein und dazu noch vor ein paar hundert Leuten auftreten würde, hätte ich gesagt: Du mich auch!“ Diesen Satz hat Christl Fischer aus Ränkam, einem Stadtteil von Furth im Wald, sicher schon mehr als einmal gesagt. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – wie das Leben halt oft so spielt. Heute sagt sie: „Ich bin meinem Schicksal sehr dankbar.“
Christl Fischer ist ein außergewöhnliches, schrilles Unikat, das vermeintliche Gegensätze in sich vereint. Allein schon die spanisch-böhmisch-bayerische Herkunft passt in dieses Bild. Man könnte sie sogar treffenderweise als Gesamtkunstwerk bezeichnen. Jedoch ist sie nur schwer in Worte zu fassen – man muss Christl Fischer definitiv erleben.
Zutiefst verwurzelt in Region und Familie
Ihr Lebensweg begann vor 48 Jahren – und das gar nicht ungewöhnlich. Sie wurde als älteste Tochter geboren, zwei Schwestern folgten. Eigentlich heißt sie Christa Maria. „Meine Mama wollte immer eine Christl, aber der Pfarrer legte sein Veto ein, da dies kein katholischer Name sei – also wurde ich eine Christa Maria“, erklärt sie. Ihr sehr früh verstorbener Vater war in der Further Glashütte beschäftigt, aus der später die Firma „Flabeg“ hervorging. Auf dem Werksgelände befand sich ein Wohnhaus für die Angestellten und deren Familien, 48 Wohnungen an der Zahl. Eher bescheidene Lebensverhältnisse also.
Doch: „Ich fand dieses Aufwachsen schon als Kind ganz wunderbar. Ein Großteil meiner Familie lebte in diesem Gebäude. Es war voller Kinder und das Zusammenleben von Alt und Jung fand ich toll“, erinnert sie sich. Vor allem die Geschichten, die sie von all den unterschiedlichen Menschen erfuhr, begeisterten die Fischer Christl schon als junges Mädchen.
Im Alter von acht Jahren bezog sie mit ihrer Familie ein Eigenheim in Ränkam, in dem die Autorin noch heute mit ihrem Ehemann und den Kindern Isabella und Gabriel lebt – mitsamt ihrer Mutter und einer der Schwestern. Das Familienband ist sehr stark ausgeprägt, was immer dann deutlich wird, wenn Christl von ihrer Großfamilie berichtet. „Wir sind ständig alle zusammen – und das liebe ich.“
Nach einer Lehre zur Bäckereifachverkäuferin schulte die spätere Sagenexpertin zur Büromanagerin um, damit sie Ehemann Jürgen, den sie bereits mit 19 Jahren geheiratet hatte, im Autohaus unterstützen kann. Dort arbeitet sie halbtags – und das Geschäft ist auch deswegen ein so wichtiger Ort für sie, weil sie da ihre Geschichten verfasst. „Ich brauch den Trubel dort. Zum Schreiben ist es mir daheim zu leise.“
Der Glaube als Fels im Leben
„Auch wenn mir ein verruchter Kleidungsstil sehr gut gefällt, bin ich als Person das Gegenteil“, gibt die Powerfrau offen zu. Christl vereint sich scheinbar widersprechende Eigenschaften in ihrer Persönlichkeit – und doch ist das Bild stimmig. So ist der katholische Glaube eine lebensbegleitende und elementar wichtige Säule in ihrem Leben. Sie praktiziert ihn, wie man so schön sagt. Dazu gehören Gebete, das Feiern von katholischen Festen, der Kirchgang und das Räuchern.
„Ich wurde so erzogen und der Glaube ist so fest und tief in mir verankert, dass ich mir ein Leben ohne Gott gar nicht vorstellen könnte. Der Glaube gibt mir Kraft und ich kann manches Schwere damit leichter aushalten“, erklärt sie, wobei sie keine Freundin der Kirchenpolitik ist. Auch an ihrem Zuhause merkt der Besucher sogleich, dass Religiosität einen zentralen Platz einnimmt – so gibt es viele Engelfiguren, eine große Marienstatue, Kreuze und Räucherduft. Gleichzeitig läuft von morgens bis spätabends Rockmusik, begleitet von bunten Diskolichtern, die die Wohnung durchfluten.
Der Glaube war es auch, der Christl durch eine sehr schwere Zeit getragen hat, als sie von einer ihr bekannten Person übelste Drohbriefe erhielt und auf allen möglichen Kanälen dem Rufmord ausgesetzt war. Der polizeibekannte Täter wurde angezeigt. Die gesamte Familie Fischer wurde über ein halbes Jahr lang an ihre Grenzen gebracht – am Ende jedoch ohne Handhabe gegen den Übeltäter. Im Nachhinein sagt sie: „Diese Sache hat mich unglaublich stark gemacht. Ich gehe meinen Weg selbstbewusster denn je – und wer ein Problem damit hat, ist das nicht mein Problem. Was kümmert es eine deutsche Eiche, wenn sich ein Wildschwein an ihr reibt“, lautet das Lebensmotto der 48-Jährigen.
Autorin wider Willen
Christl Fischer ist von Kindesbeinen an von Geschichten früherer Generationen fasziniert, besonders Spuk- und Geistergeschichten haben es ihr angetan – und von denen hatten gerade ältere Herrschaften aus Verwandtschaft und Bekanntenkreis so einige auf Lager. Wie kam es aber nun zu ihrem Buch? „Ich war 2014 Zweite Vorsitzende in der Christlichen Freien Wählerbewegung und ein Halloweenabend war angedacht. Ich war von der Idee nicht besonders begeistert, da Halloween mit unserem Brauchtum nichts zu tun hat und wir selbst genügend Bräuche in dieser dunklen Jahreszeit haben“, erinnert sie sich. So schlug sie einen alternativen Themenabend zu den Rauhnächten vor – mit Klassikern wie der „Bluadige Luzier“, der „Hobangoas“ und blutigen Weizgeschichten, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte. Kurzum: Der Abend war ein überragender Erfolg, weil Christl selbst, als Bluadige Luzier gewandet, die Geschichten präsentierte.
Schnell wurde die Lokalpresse auf die gruselige Erzählerin aufmerksam und fragte an, ob sie in der staaden Zeit nicht Rauhnachtsgeschichten für die Chamer Zeitung schreiben wolle. Und damit stieg der Bekanntheitsgrad: Christl bekam Anfragen von Vereinen und ihre Gruselabende wurden schnell zum Renner in ausverkauften Sälen.
Als sie eines Abends in Regen auftrat, kam Hans Schopf, Inhaber des Morsak und Ohetaler-Verlages, auf die Schauspielerin zu und trug ihr die Idee eines Buches an. Christl lehnte jedoch dankend ab: „Ich soll ein Buch schreiben? Niemals. Das kann ich nicht“, war ihre damalige Reaktion. Erst als er sie zum dritten Mal im familiengeführten Autohaus aufsuchte, erklärte sie sich schließlich doch bereit – es war die Geburtsstunde von „Sagenhaftes Bayern“. Im November 2017 erschien Band eins, zwei Jahre später folgte Band zwei. Die Bücher verkauf(t)en sich von Anfang an sehr erfolgreich, sowohl bei Christls sagenhaften Auftritten, über das Internet und im Buchhandel.
Aus welcher Quelle stammen nun all diese Geschichten? „Zum einen besitze ich selbst einen großen Fundus, doch der ist natürlich irgendwann einmal erschöpft. Nach meinen Auftritten kamen häufig Zuschauer zu mir und erzählten mir ihre eigenen Erlebnisse mit dem Übersinnlichen. Die hab ich mir alle kurz notiert und später dann zu Geschichten ausgeschmückt, den Kern aber beibehalten.“
Es geht noch weiter…
Den Büchern folgte ein Youtube-Kanal und im Oktober 2019 erhielt die Autorin die Bundestagsmedaille um die Verdienste des bayerischen Brauchtums vom lokalen Bundestagsabgeordneten Karl Holmeier. 2019 klopfte zudem der Münchner „Apollon Tempel Verlag“ an und nahm die Waidlerin in eine Märchen-Anthologie der 20 besten Autorinnen (aus 100 ausgewählt) auf. Die Ränkamerin hat ihr Werk „Die fliegenden Kamele“ darin verewigt. „All diese wunderbaren Möglichkeiten sind zu mir gekommen, ich habe niemals danach gesucht. Ich bin unendlich dankbar“, resümiert sie heute zufrieden.
Und obwohl es in Christl Fischers Leben ohnehin schon viel Rock gab, nahm dieser im August 2020 einen noch größeren Stellenwert ein: Aus der Autorin wurde nun auch noch eine Radiomoderatorin. Frank Bradl, Chef des Online-Radiosenders „feelgoodradio.net“ wurde via Facebook auf sie aufmerksam und fragte an, ob sie ihre eigene Radioshow moderieren möchte. Sie stimmte zu – unter einer Bedingung: „Ich spiel nur Classic Rock, sonst mach ich’s nicht“, berichtet sie und lacht.
Der Sender ging den Deal ein – und so wurde ein eigenes Studio in der Fischer’schen Wohnung im ehemaligen Apartment von Tochter Isabella eingerichtet. Der Senderchef kam dreimal vorbei, um sie in Sachen Technik und Moderation zu coachen – und dann konnte es pünktlich um 18 Uhr losgehen. Eigentlich. Denn: „Kurz vor Sendestart befiel mich größte Panik und ich warf das Handtuch. Ich sagte zu Frank: I kon des ned! Ungünstigerweise war es aber bereits 17.55 Uhr. So blieb nicht mehr viel Zeit für lange Diskussionen. Er redete beschwichtigend und aufbauend auf mich ein, doch er konnte mich nicht mehr umstimmen“, blickt sie mit einem Schmunzeln zurück.
„Sagenhaftes Bayern Rockt“
So musste Bradl selbst zum Mikro greifen. Er stellte die neue Moderatorin vor, interviewte sie mit wenigen Fragen – und dann war das Eis glücklicherweise gebrochen. Während der drei ersten Sendungen war der Senderchef noch stiller Beisitzer – ab dann hatte die Moderatorin alle Knöpfe selbst in der Hand. Bei der ersten Sendung hörten genau 10.734 Hörer zu, mittlerweile sind es über 100.000, die „Sagenhaftes Bayern Rockt“ aus dem Studio 4 in Ränkam verfolgen.
Was Christls Sendung so besonders macht, ist zum einen ihre authentische Einzigartigkeit. Außerdem erzählt sie zu jedem Interpreten oder Band Interessantes aus deren Biografie oder gibt Infos zu den jeweiligen Songs weiter. Das wird vorab recherchiert – und so ist im Laufe der Zeit ein umfangreiches Archiv an Musikbiografien zustande gekommen.
„Das Schöne ist, dass mir der Sender total freie Hand bei der Liedauswahl und meinen Interviewgästen lässt. Somit kann ich auch Newcomer bringen, die in den großen Radiostationen keine Chance hätten“, freut sie sich. Mittlerweile sind viele der Interviewgäste zu Freunden geworden. So etwa Uwe Köhler, der Bassist von Bonfire, Harry Reischmann, unter anderem Drummer bei Sarah Brightman, Andreas Keller von der Spider Murphy Gang oder Stephan Kreissl von Relax. Das ist nur eine kleine Auswahl der Studiogäste, die sich auch an der Wand von Studio 4 verewigt haben.
Lack und Leder
Christl Fischers Kleidungsstil ist – neutral formuliert – sehr individuell. „Ich war schon mit 13 Jahren ausgewachsen – bei einer Körpergröße von 1,83 Meter und einer Schuhgröße von 44. Ich musste als Kind viel gebrauchte Kleidung tragen – und weil Schuhe in dieser Größenordnung zu dieser Zeit übermäßig teuer waren, musste ich Herrenslipper anziehen. Das habe ich gehasst. Auf allen Fotos bin ich mit diesen Slippern abgelichtet“, sagt sie.
Als sie dann finanziell unabhängig war, kleidete sie sich nach eigenem Gusto und investierte einiges Geld in Kleidung. „Für Leder hab ich schon immer ein Faible, zudem liebe ich Leopardenmuster in allen Kleidungsstücken und Schuhen. Ausgefallen, schrill, bunt und verrucht – so gefällt’s mir am besten.“ Sie hat auch eine Vorliebe für Krawatten. „Warum sind sie eigentlich nur Männern vorbehalten?“, fragt sie sich. Seit ihrer Tätigkeit als Radiomoderatorin ist sie in puncto Kleidung noch etwas mutiger geworden. Der Grund liegt auf der Hand: „Ich treffe so viele Rockmusiker, die oft sehr individuell gekleidet sind – und das inspiriert mich ungemein. Und: Wem mein Kleidungsstil nicht gefällt, der soll einfach wegschauen.“
Unverwechselbares Kennzeichen ist der Steampunk-Hut, den die Rock-Liebhaberin immer bei Radioevents und Rockfestivals trägt. „Den kombiniere ich zum Beispiel mit Dirndl, Netzstrümpfen und Lackstiefeln, gerne zweifarbig“. Die jeweils aktuelle Mode-Uniform ist so gar nicht ihr Ding. Da macht sie schon lieber ihr eigenes…
Das neueste Projekt
Christl Fischers jüngstes Baby ist ein eigenes Märchenbuch, das am im Oktober im Radl-Café und im Museum in Arnschwang präsentiert wird. „2017 rief mich unsere Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder an und fragte, ob ich beim sommerlichen Zeltlager am Voithenberg Märchen vortragen könne. Leider hatte ich keine Märchen, sondern nur Sagen parat – aber wenn schon so eine bekannte Persönlichkeit auf mich zukommt, sag ich natürlich selbstbewusst Ja“, erinnert sich Christl lachend.
Drei Wochen später sollte sie vor einer Jury aus Pädagogen und Erziehern ihre Stücke präsentieren – und zeigen, ob sie auch kind- und jugendgerecht sind. „Jetzt kam leichte Panik in mir hoch, denn ich hatte einfach keine zündenden Ideen, weshalb ich in meiner Not zum Herrgott betete und ihn um Hilfe bat. Und tatsächlich hatte ich nach ein paar Tagen einige Märchen im Kopf, die ich sofort zu Papier brachte.“
Die fliegenden Kamele aus der Märchen-Anthologie sind mir im Schlaf eingefallen. „Ich weiß, es hört sich abgefahren an, aber es war wirklich so. Ich sage immer: Bitte um Hilfe und dir wird geholfen – aber vergesse nie, dem Herrgott auch dafür zu danken“, lautet ihr Resümee. All diese Märchen, die in Zusammenarbeit mit einer hochkarätigen Illustratorin entstanden sind, finden sich nun in einem gänzlich eigenen Märchenbuch wieder.
„Mehr Rock ’n‘ Roll im Leben“
In Zukunft gibt es sicher noch viel über Christl Fischers Projekte zu hören, denn sie ist noch lange nicht angekommen, wie sie selbst sagt. Da geht noch was. Den abschließenden Ratschlag, den sie selbst schon an ihre Teenie-Tochter Isabella weitergegeben hat, und sie jedem nur wärmstens ans Herz legen kann, der seine Träume weiter verfolgen will: „Du musst mehr Rock ’n‘ Roll in dein Leben lassen!“
Melanie Zitzelsberger