Waldkirchen. Schon vor mehr als zwanzig Jahren hat Gertraud Maier die Rohfassung ihres Romans „Flugsommer“ verfasst. Die handgeschriebenen Seiten landeten jedoch in einer Schublade. Als sie diese wiederentdeckt hatte, arbeitete die Hobby-Autorin sogleich weiter an der fiktiven Lebensgeschichte ihrer Urgroßmutter, die mit einem Gänse-Händler aus Böhmen nach Bayern kam. Nun hat ein Verlag ihr Buch veröffentlicht.
Alles beginnt mit einem Gespräch über den Stammbaum der eigenen Familie: Als Gertraud Maier sich mit ihrem Vater über dessen Großmutter, die in Böhmen geboren wurde, unterhält, weckt dies ihr Interesse an der Vergangenheit: „In meiner Kindheit hat eigentlich nie jemand meine Urgroßmutter erwähnt“, erinnert sie sich. Es sei höchstens mal von der „argen Alten“ die Rede gewesen.
„Mich hat ihre Geschichte unwahrscheinlich beschäftigt“
Gertraud Maier erfährt von ihrem Vater, dass ihre Urgroßmutter Ernestine dabei geholfen hatte, Gänse von Böhmen nach Bayern zu treiben. Ihr späterer Ehemann, Maiers Urgroßvater, war ein Händler, der Ende des 19. Jahrhunderts die böhmischen Gänse auf Märkten in Waldkirchen und Umgebung verkaufte. Ernestine sei dann bei ihm in Bayern geblieben. „Mich hat das unwahrscheinlich beschäftigt: Was waren das für Lebensumstände, wenn man mit einem wildfremden Mann einfach so in ein fremdes Land mitgeht“, erzählt die Buchautorin. Genau diese Lebensumstände – auf dem Bauernhof in Böhmen und dann später mit ihrem Mann auf dem Hof in der Nähe von Neureichenau – waren es, über die Gertraud Maier in ihrem Roman berichten wollte.
Ihr Vater habe aber nur wenig gewusst über die Urgroßmutter. Gemocht habe sie in der Familie niemand. In Gertraud wird daher mehr und mehr das Bedürfnis geweckt, die Geschichte ihrer Urgroßmutter niederzuschreiben – wenn auch nur so, wie sich die Autorin selbst diese Geschichte vorstellt, sie ihrer Fantasie entspringt. Denn mehr als fünfzig Jahre nach dem Tod der Urgroßmutter kennt keiner mehr die wahren Umstände ihres Lebens. „Man beginnt leider meist erst dann sich für die Vergangenheit zu interessieren, wenn niemand mehr da ist, der etwas darüber berichten kann“, bedauert Gertraud Maier heute.
Trotzdem habe sie das Gefühl gehabt, sie sei der erste Mensch gewesen, der ihrer Urgroßmutter Verständnis entgegenbringt, als sie die Erzählung zu Papier gebracht hatte. Zunächst schreibt sie alles handschriftlich in Schulhelften ihrer Kinder nieder. Gut zwanzig Jahre später entsteht dann die zweite Fassung: Nun ist Gertraud Maier Rentnerin und befasst sich tiefergehend mit der Vergangenheit der Bauerstochter. Sie recherchiert und schreibt ein Jahr lang – bis der Roman zweihundert Seiten umfasst.
Historische Fakten fließen in frei erfundene Geschichte ein
„Ich hab mich richtig reingekniet“, sagt die pensionierte Einzelhandelskauffrau und lacht. Sie liest nicht nur Bücher über Lebensumstände und historische Fakten, die das Leben im Böhmerwald rund um die Jahrhundertwende betreffen. Inzwischen steht ihr auch eine fundierte Ahnenforschung zur Verfügung, die ihr Cousin betrieben hat. Die Geschichte ihrer Familie lässt sich somit bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen.
Über den Geburtsort der Urgroßmutter, den Ort Pláně bei Nové Hutě, findet Maier allerdings wenig. „Das Dorf wurde 1946 dem Erdboden gleichgemacht“, berichtet sie. Dafür gibt es einige Informationen zum Handel mit den Gänsen. Die Buchautorin findet beispielsweise eine Karte der Fußsteige, auf denen die Händler damals unterwegs waren.
Gertraud Maier übernimmt alle historischen Fakten, die sie aus Archiven und Büchern zusammenträgt, in ihren Roman. Alle Namen der handelnden Personen stimmen. „Alle Gefühle und das Aussehen der Personen, sowie die Ereignisse am Hof, die ich beschreibe, sind aber frei erfunden“, sagt sie. Auch der Sterbetag ihrer Urgroßmutter, der Prolog des Buches, ist reine Fantasie.
„Das ist mir fast ein bisschen über den Kopf gewachsen“
Als Gertraud Maier nach etwa einem Jahr ihre Arbeit am Roman beendet, denkt sie zuerst gar nicht darüber nach, ihn zu veröffentlichen. „Es war eigentlich nur für die Familie gedacht“, sagt sie. Dann habe aber ihre Cousine, eine ehemalige Deutschlehrerin, die Geschichte gelesen. „Sie war total begeistert“, sagt Maier. Nun sei die Idee entstanden, den Roman einem Verlag anzubieten.
Die Hobby-Autorin wendet sich an Hans Schopf vom Ohetaler Verlag. Er zeigt sich interessiert, Maier schickt ihm das Manuskript. „Vier Tage später hat er schon angerufen“, erinnert sie sich und lacht. Und nur eine Woche später habe sie bereits den Vertrag mit dem Verlag unterschrieben. „Das ist mir fast ein bisschen über den Kopf gewachsen, dass alles so schnell ging“, sagt die Rentnerin rückblickend.
Bis zur Veröffentlichung des Romans vergeht dann auch nur ein halbes Jahr. Gertraud Maier erarbeitet zusammen mit dem Verleger das Cover, ergänzt eigene Gedichte zu den einzelnen Kapiteln und der Verleger druckt Holzschnitte eines in Böhmen geborenen Künstlers am Ende jedes Kapitels ab. Im Mai findet schließlich die Buchvorstellung in Waldkirchen statt. „Vierzig Bücher waren im Nu weg“, berichtet sie. Der Verlag ist angenehm überrascht über den gelungen Abend und das große Interesse am Buch.
Und Gertraud Maier? Hat bereits das nächste fertige Buch in der Schublade: ein Märchenbuch. Sie hat dabei nicht nur den Text verfasst, sondern es auch selbst illustriert. Geschrieben hat sie es für ihre Enkel. „Das kennt mein Verleger noch gar nicht“, sagt sie und schmunzelt…
Sabine Simon
In Zusammenarbeit mit Gertraud Maier verlost da Hog’n 3 x 1 Buch „Flugsommer“ unter allen Teilnehmern. Wie ihr an der Verlosung teilnehmen könnt? Schickt uns einfach eine Mail mit dem Betreff „Flugsommer“ und euren Kontaktdaten (komplette Anschrift) an info@hogn.de. Teilnahmeschluss ist der 02. August 2019. Viel Glück!
Gewonnen haben: Richard Seibold aus Hinterschmiding, Rosmarie Kellermann aus Waldkirchen und Kerstin Eckerl aus Neuburg am Inn