Passau. „Wir benötigen unsere Energie nicht für ein Gegeneinander, sondern zur Lösung einer existentiellen Krise“, heißt es in einem Offenen Brief, den insgesamt 130 Beschäftigte der Uni Passau unterzeichnet haben – darunter 26 Professorinnen und Professoren. Einer der Initiatoren ist Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff. Er sagt: „Wir möchten erreichen, dass es zu einer Sachdebatte über Maßnahmen zum Klimaschutz kommt.“ Stattdessen eskaliere jedoch die Auseinandersetzung über Aktionen der „Letzten Generation“ bisher viel zu sehr.
In ihrem Brief plädieren die Gelehrten für einen besonnenen Umgang mit der „Letzten Generation“:
„Die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der ‚Letzten Generation‘ sind manchen Menschen ein Ärgernis. Wir danken denjenigen, die dennoch mit Sanftmut und Besonnenheit reagieren. Die Protestierenden machen sich große Sorgen und geben diesen einen politischen Ausdruck in sichtbaren Aktionen. Sie fordern uns damit zum Nachdenken und zum Handeln auf. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen es: Wir benötigen unsere Energie nicht für ein Gegeneinander, sondern zur Lösung einer existentiellen Krise.“
„Auch in der Öffentlichkeit vor die Studierenden stellen“
Lambsdorff war bei einer Aktion der „Letzten Generation“ Anfang Februar in Passau selbst Zeuge davon, wie schnell die Situation eskalierte: „Ein Lastwagenfahrer war sehr aufgebracht“, erzählt der Professor für Volkswirtschaftslehre. Er habe den Lkw-Fahrer gebeten, sich zu beruhigen und habe sich letztlich selbst vor den Lastwagen gestellt, um die Demonstrierenden zu schützen.
Im Nachgang dieses Vorfalls habe ihn dann eine Kollegin an der Universität angesprochen. „Sie fand es wichtig, dass sich die Uni auch in der Öffentlichkeit vor ihre Studierenden stellt.“ Da die Universität sich allerdings nicht als Institution zu den Aktionen der „Letzten Generation“ äußern und auch nicht für alle Mitarbeitenden sprechen kann, habe man sich für den Offenen Brief entschieden. Mit 130 Unterzeichnern war die Unterstützung für dieses öffentliche Statement groß.
Die Verfasser des Briefes und all diejenigen, die ihn unterschrieben haben, sind sich einig: Auch wenn sie einige Aktionen der „Letzten Generation“ nicht befürworteten, veranlasse die Hitze der derzeit in den sozialen und konventionellen Medien geführten Debatte zu einer Klarstellung:
„Viele von uns kennen die engagierten Studierenden. Sie als Extremisten oder Radikale zu bezeichnen, stimmt nicht mit unseren persönlichen Eindrücken überein. Die Protestierenden sind junge Studierende, die weitgehend als besonnen und friedliebend zu bezeichnen sind. Neben ihrem Curriculum verfolgen sie mit großem zivilgesellschaftlichen Engagement gemeinnützige Ziele, die wir alle teilen: im Angesicht der nahenden Klimakatastrophe die CO2-Emissionen in Deutschland drastisch zu verringern und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu beenden.“
„Nicht die eigentlichen Ziele aus den Augen verlieren“
Die Forderung der „Letzten Generation“ nach einem raschen, zielgerichteten und konkreten politischen Handeln stehe im Einklang mit einem langen, demokratischen und rechtsstaatlichen Prozess, in dessen Folge sich die Bundesrepublik zu einer massiven Reduktion der Emission von Treibhausgasen verpflichtet hat. „Laut Expertenrat der Bundesregierung verfehlt Deutschland diese Ziele deutlich. Diese Verfehlung ist unter anderem durch anhaltende staatliche Subventionen für klimabelastenden Konsum und Produktion begründet“, heißt es im Offenen Brief weiter.
Für Professor Lambsdorff ist daher klar: „Wir müssen zu einer Sachdebatte kommen.“ Seine Motivation hinter dem Brief sei nicht, Partei für die Aktionen der „Letzten Generation“ zu ergreifen, sondern die Konfrontation zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Aktionen abzumildern. „Wir dürfen hinter der Konfrontation mit der ‚Letzten Generation‘ nicht die eigentlichen Ziele aus den Augen verlieren“, verdeutlicht er. „Wir müssen unsere Energie nutzen, um die Anliegen dieser jungen Menschen in die Tat umzusetzen.“
da Hog’n