Hauzenberg. Der Personalmangel ist inzwischen ein steter, allen voran sehr unbeliebter Begleiter der (regionalen) Wirtschaft. Landauf, landab bleiben viele ausgeschriebene Stellen unbesetzt. So auch bei Getränke Kasberger in Hauzenberg. Da Firmenchef Jürgen Kasberger schlichtweg keinen Lkw-Fahrer für den Heimdienst finden kann, muss er nun diese Sparte seines Betriebs „schwersten Herzens“ schließen. Seinem Unmut darüber machte der 44-Jährige unter dem Titel „Es gehd einfach nimmer!„ jüngst bei Facebook Luft – und stößt auf breites Interesse.
„Ende! – Aus! – Es gehd einfach nimmer!
Zuerst die schlechte Nachricht und dann unser Statement dazu!
Wir haben uns schwersten Herzens dazu entschieden mit dem allseits beliebten „Heimservice“ aufzuhören.
Mit dem Heimdienst haben wir über 200 treue Kunden die Getränke bis an die Haustüre gebracht und das war ein schönes Geschäft, ein persönliches und eins über das sich die Leute wirklich gefreut haben.
Aber wir sind eigentlich sogar gezwungen den Geschäftsbereich aufzugeben weil es am wichtigsten mangelt:
Den Mitarbeitern!
„Natürlich muss man Tragl bewegen“
Als Heimdienstfahrer sitzt man bestimmt nicht den ganzen Tag im kuschelig warmen Büro auf seinem bequemen Stuhl und muss höchstens die Kaffeetasse heben.
Natürlich muss man Tragl bewegen, heben und sich ein wenig anstrengen – daneben ist man aber auch in seinem LKW gut aufgehoben!
Nachdem wir diese Stelle trotz monatelanger Suche über alle Kanäle leider nicht verlässlich neu besetzen konnten, können wir die Dienstleistung leider nicht mehr aufrecht erhalten.
Wir bitten um euer Verständnis und möchten uns bei unseren treuen Kunden entschuldigen, die wir nicht weiter bedienen können.
STATEMENT:
Unser Chef, da Kasberger (manchen nennen Ihn auch Jürgen) möchte dazu folgendes los werden über das wir alle mal nachdenken sollten:
Will sich keiner mehr anstrengen?
Wie kommen die Waren, Lebensmittel, Getränke zukünftig zu uns wenn es immer weniger Menschen gibt, die die Arbeit als LKW-Fahrer oder Ausfahrer machen wollen? Keine Leute mehr gibt, die sich im Job anstrengen wollen? Jobs bei denen man auch körperlich etwas leisten muss und die eventuell nicht die bequemsten sind?
Noch gibt es keine selbstfahrenden LKW oder Transporter oder Roboter, die Tragl auf einen LKW laden und wenn es so weiter geht wird unsere Versorgung immer schwieriger!
Jürgen ist mit der Erkenntnis und den Gedanken nicht alleine – er spricht mit vielen Betrieben denen es ähnlich geht und die große Sorgen über ihre Zukunft haben.
Bleibt nur noch zu sagen:
Ehrt’ses Handwerk, handwerkliche und körperliche Tätigkeiten und sagt’s a moi „MERCI“ zu Leid, de noch für andere anpacken!
#ende #heimdienst #ehrewemehregebührt #zukunftsangst #kasberger“
„Eigentlich hätte ich es noch aggressiver schreiben wollen“
Klare Worte, die eigentlich noch klarer hätten ausfallen sollen, wenn es nach Jürgen Kasberger geht. „Da war richtig Frust dabei“, erklärt dieser im Hog’n-Gespräch. „Eigentlich hätte ich das Ganze noch aggressiver geschrieben. Mein Marketing-Mann hat die Zeilen dann aber etwas homöopathischer gestaltet.“ Seit 1998 betreibt der 44-Jährige seine Firma in Hauzenberg. Er handelt mit Getränken, aber auch mit Hygieneartikeln, Bürobedarf und Brennstoffen. Hinzu kommt ein Party- und Eventservice. Probleme damit, geeignetes Personal zu finden, gehören praktisch zum Alltag. So schlimm wie derzeit war es allerdings noch nie.
„Erst im vergangenen Jahr habe ich die große Werbetrommel gerührt und fünf neue Mitarbeiter eingestellt“, berichtet Kasberger, der insgesamt 25 Leute beschäftigt. „Das war eine sehr schwierige Angelegenheit. Und trotzdem waren es wieder zu wenig neue Arbeitskräfte.“ Hauptsächlich fehlen ihm zwei Lkw-Fahrer mit Führerscheinklasse C. Einstiegsgehalt: 3.200 Euro/brutto im Monat. Und der Führerschein – sollte keiner vorhanden sein – wird vom Betrieb bezahlt. Trotz alledem: null Bewerbungseingänge.
Die beste Werbeaktion der Firmengeschichte
„Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als den Heimdienst deshalb einzustellen“, hadert der Hauzenberger Unternehmer, der gleichzeitig mit einem Gerücht aufräumen will. Denn sein Betrieb wird nicht, wie bereits gemunkelt wird, komplett geschlossen. Nur jene Sparte mit dem Getränke-Heimdienst soll aus genannten Gründen eingestampft werden – und zwar mit sofortiger Wirkung. „Ich habe deshalb mit einigen Kollegen gesprochen, ob sie die Routen und Stammkunden übernehmen möchten. Keiner wollte. Alle haben dasselbe Problem: kein Personal.“
Einerseits ist Jürgen Kasberger daher frustriert. Der Markt ist wie leergefegt, es finden sich schlichtweg keine Lkw-Fahrer. Umstände, die er ändern möchte, aber auf die er keinen Einfluss hat, machen ihn ohnmächtig. Andererseits ist der 44-Jährige wütend. „Keiner will sich mehr schinden. Ja, es ist anstrengend, Tragl rumzutragen – aber so extrem ist es dann auch wieder nicht.“ Als Gründe für diese Entwicklung führt der Unternehmer generelle Entwicklungen in der Arbeitswelt an. Nicht umsonst müssten scheinbar im unteren Gehaltssegment angesiedelte Jobs von ausländischen Mitbürgern übernommen werden. Doch auch die Politik hätte ihren Teil dazu beigetragen. „Stichwort: Bürgergeld. Es kann nicht sein, dass man fürs Nichtstun mehr bekommt als für einen geregelten Job. Mehr möchte ich dazu nicht sagen“, teilt Kasberger weiter mit.
Bis dato wohl beste Werbeaktion…
Alles Schlechte bringt auch etwas Gutes mit sich – auch wenn sich in diesem Falle die Waage nicht hält. Obwohl Jürgen Kasberger eigenen Bekundungen zufolge „kein Öffentlichkeitsmensch“ ist, hat er mit seinem Facebook-Beitrag für große Aufmerksamkeit gesorgt. Wenn man so will, kann man den Social-Media-Post als bis dato wohl beste Werbeaktion der Firmengeschichte einordnen. Allen voran für den ab sofort der Vergangenheit angehörenden Heimdienst. „Das stimmt“, sagt der 44-Jährige. „Damit hätte ich wohl viele Neukunden bekommen…“
Helmut Weigerstorfer