Kiesling. Fast 150 Jahre ist die Huber GmbH bereits alt. Die aktuellen Geschäftsführer Elisabeth Fischer (55) und Erwin Dötter (49) können auf eine bewegte, mit Höhen und Tiefen versehene Firmengeschichte zurückblicken. Vom kleinen Eisenhandel zum Anbieter von Stahl, Industrie- und Zimmereibedarf mit rund 13 Millionen Euro Jahresumsatz, vom kleinen Ladengeschäft in der Passauer Ludwigsstraße zum 60 Mitarbeiter starken Betrieb in Kiesling in der Gemeinde Tiefenbach. Die beiden Firmenchefs schwelgen im Hog’n-Interview aber nicht nur in Erinnerungen, sondern haben auch die Zukunft im Fokus – die vor allem im Handwerksbereich alles andere als rosig zu sein scheint.
Frau Fischer, Herr Dötter: Mehr als 150 Jahre gibt es die Huber GmbH bereits. Blicken Sie doch einmal auf die Ursprünge des Betriebes zurück?
Erwin Dötter: Im August 1870 ist die Firma Huber in Passau gegründet worden…
Elisabeth Fischer: …durch einen gewissen Franz-Josef Huber. Unser Gründungsvater ist aus dem Oberland gekommen. Er hat sich dazu entschlossen, im Passauer Raum zu investieren und einen Eisenhandel zu eröffnen. Unser Firmensitz hat sich zunächst in der Passauer Fußgängerzone, genauer gesagt in der Ludwigsstraße, befunden. Mein Großonkel, der einen Eisenhandel im Bratfischwinkel führte, hat das Unternehmen dann Anfang des 20. Jahrhunderts von jenem Franz-Josef Huber übernommen. Seitdem ist die Firma im Familienbesitz.
„Zu unseren Kunden zählen unter anderem Knaus-Tabbert und ZF“
Wie hat sich der Betrieb in den Folgejahren entwickelt?
Elisabeth Fischer: Der Laden in der Passauer Fußgängerzone war mit allen möglichen Haushalts- und Eisenwaren ausgestattet. Nachdem die Fußgängerzone eingerichtet wurde, ist es verständlicherweise mit dem An- und Abtransport schwieriger geworden. Deshalb hat sich mein Vater und mein Onkel dazu entschieden, unser Stahllager in Patriching umzubauen und mit Werkzeugen, Maschinen, Schrauben und Beschlägen nach Kiesling zu ziehen. Gleichbedeutend mit diesem Umzug war das Ende der Haushaltswaren-Abteilung. In der Folge haben wir uns auf Produkte konzentriert, die das Handwerk und die Industrie benötigt.
Erwin Dötter: Seit 1970 sind wir inzwischen in Kiesling. 1989 wurden die bestehenden Räumlichkeiten bereits zu klein, wir mussten anbauen – genauso wie 1997. Die Firma ist immer größer geworden, die Mitarbeiter mehr, sodass wir inzwischen rund 60 Leute beschäftigen. Zu unserem Hauptsitz ist eine Filiale in Ampfing hinzugekommen. Unser Einzugsgebiet erstreckt sich somit über den gesamten ostbayerischen Raum samt dem Mühlviertel. Sieben Lkw sind täglich unterwegs, um unsere Kunden – dazu zählen unter anderem Knaus-Tabbert und die ZF – zu versorgen.
Elisabeth Fischer: Wir handeln mit Stahl, aber auch mit Industriebedarf. Dazu zählen Schweißgeräte mit Zubehör, Betriebseinrichtung, Arbeitsschutz sowie diverse chemische Erzeugnisse. Über die Jahre hat auch der Zimmereibedarf einen gewissen Stellenwert eingenommen.
Erwin Dötter: Stahlbauer und Zimmerer – das passt auch vom Menschenlichen her bestens zusammen.
Warum ist das so?
Erwin Dötter: Stahlbauer und Zimmerer sind eher die legeren Typen, die auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Deren Motto lautet: Viele Probleme lassen sich auf einer freundschaftlichen Basis relativ schnell aus der Welt schaffen. Es gilt das gesprochene Wort – und gibt es einmal Schwierigkeiten, werden diese offen und ehrlich angesprochen.
Elisabeth Fischer: Unsere Firma ist ja unter anderem im Bayerischen Wald vertreten. Auf die dort lebenden Menschen treffen diese Eigenschaften ebenso zu. Deshalb ist unser Betrieb im Woid auch besonders gut aufgehoben, wir können dort auf einen großen Kundenstamm zurückgreifen.
„Nur mit Boni schafft man es, potenzielle Zugänge zu ködern“
Wie teilen Sie beide sich ihre Aufgabenbereiche bei der Huber GmbH auf?
Erwin Dötter: Wir sind beide gleichberechtige Geschäftsführer. Ich kümmere mich hauptsächlich um das operative Geschäft, während Lisa für die Bürokratie im Hintergrund zuständig ist. In dieser Hinsicht ergänzen wir uns hervorragend. Jeder hat seine Stärken. Im Gegensatz zu ihr bin ich eher der Spätstarter: Nach meiner Ausbildung zum Schreiner war ich zuerst Lkw-Fahrer im Betrieb, habe mich dann nach und nach hochgearbeitet und bin seit 2014 Geschäftsführer.
Elisabeth Fischer: Ich habe zunächst Kauffrau im Großhandel gelernt und später den Fachwirt drangehängt. In die Firma bin ich mehr und mehr reingewachsen, viele Dinge habe ich mir über die Jahre selbst beigebracht.
Ein großes Thema ist sicherlich auch bei der Huber GmbH die Personalsuche. Wie schwierig ist dieses Unterfangen inzwischen?
Erwin Dötter: (atmet tief durch) Sehr schwierig. Der Markt ist praktisch leer. Lkw-Fahrer werden beispielsweise von ihren Arbeitgebern mit allen Mitteln gehalten – zu Höchstpreisen, um ein gegenseitiges Abwerben zu verhindern. Seit Kurzem bieten wir an, Interessierten den Führerschein zu bezahlen, wenn sie sich im Anschluss dazu verpflichten, mindestens fünf Jahre für uns zu arbeiten. Nur mit solchen Boni schafft man es heute, potenzielle Zugänge zu ködern.
Elisabeth Fischer: Ergänzend dazu: Die Jobs bei uns sind nicht einfach. Zwar werden schwere Lasten mit Kränen von A nach B gebracht, dennoch braucht man einiges an Kraft. Leider sind viele heutzutage nicht mehr bereit, körperlich schwere Aufgaben zu übernehmen.
„Die Erwartungshaltung der Eltern ist enorm hoch“
Haben Sie dafür eine Erklärung?
Erwin Dötter: Viele junge Menschen sehen ihre Chancen einfach woanders.
Elisabeth Fischer: Die Akademisierung der Bevölkerung nimmt immer mehr zu. Den jungen Leuten wird – sowohl in der Schule als auch zu Hause – vermittelt, dass man zunächst eine möglichst hohe Bildung braucht, um später möglichst viel Geld verdienen zu können. Die Erwartungshaltung der Eltern ist enorm hoch – jeder will, dass seine Kinder Arzt, Lehrer oder ähnliches werden. Doch das ist ein Trugschluss. Auch im Handwerk lässt sich gutes Geld verdienen. Und ohne Schreiner, Zimmerer oder auch Hebammen und Krankenschwestern steht unsere Gesellschaft still. Das sieht man alleine daran, wie lange man inzwischen auf einen Handwerker warten muss, bis dieser einen Auftrag ausführt. Auch in der Pflege ist die Personalnot groß.
Welche Rolle spielt hierbei das Bildungssystem?
Elisabeth Fischer: Unser Bildungssystem hat sich in den vergangenen 30 Jahren überhaupt nicht verändert. Es ist Zeit, dass hier einiges reformiert wird – zum Beispiel muss praxisnäher unterrichtet werden.
Erwin Dötter: Es werden zu viele Inhalte gelehrt, die im alltäglichen Leben überhaupt keine Rolle spielen. Gott sei Dank hat man erkannt, dass das nicht die Ideallösung ist.
Haben wir den Höhepunkt des Personalmangels schon erreicht?
Erwin Dötter: Nein, auf keinen Fall. Wenn unsere Generation in Ruhestand geht, bekommen wir etwa im Handwerk große, große Probleme. Erst dann werden wir spüren, dass die jüngere Generation den Fokus auf die Akademisierung gelegt hat. Glücklicherweise wissen sich aber viele Handwerksbetriebe selber zu helfen…
„Nicht alles kann durch Maschinen ersetzt werden“
Wie machen sie das?
Erwin Dötter: Die Automatisierung in vielen Bereichen nimmt zu. Viele Betriebe schaffen sich Maschinen an, die zwar 200.000 Euro kosten – aber über einen längeren Zeitraum 2 bis 3 Mitarbeiter ersetzen. Leider ist jedoch das nicht bei allen Aufgaben möglich.
Elisabeth Fischer: Ein Elektriker zum Beispiel kann nicht durch eine Maschine kompensiert werden. Bei individuellen Aufgaben, die nie gleich ablaufen, ist nach wie vor eine menschliche Arbeitskraft unabdingbar. Und genau dann sind wir wieder beim ursprünglichen Problem.
Erwin Dötter: Ich denke, dass man als Handwerker in absehbarer Zeit so gutes Geld verdienen kann, dass diese Jobs wieder interessanter werden.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Thema Digitalisierung?
Elisabeth Fischer: Einerseits eine Gefahr, andererseits eine Chance. Einerseits fällt sicherlich der ein oder andere Job weg, andererseits kann der akute Personalmangel etwas abgefedert werden. Um auf den Markt bestehen zu können, ist es inzwischen erforderlich, den Digitalisierungswandel mitzugehen.
Erwin Dötter: Nach wie vor darf man jedoch den direkten Kontakt nicht außer Acht lassen. Unsere Online-Bestell-Funktion beispielsweise wird bis dato nur selten genutzt. Viele Kunden ordern telefonisch, ihnen ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Deshalb darf man nicht alles auf eine Karte setzen, sondern mehrere Kanäle nutzen – vor Ort-Verkauf, Internet, Telefon.
„Man darf den Staat nicht komplett verteufeln“
Elisabeth Fischer: Gerade diese persönliche Beratung sorgt auch für eine starke Kundenbindung. Viele unserer Abnehmer bestellen bereits seit Generationen bei uns. Dieser Stamm sorgt auch für eine gewisse Planungssicherheit, die betriebswirtschaftlich sehr wichtig ist.
Ist jener Fokus auf den direkten Kontakt auch typisch für unsere Region?
Erwin Dötter: Ja, absolut. Wir beliefern insgesamt fünf Innungsgebiete – den Bayerischen Wald, das Rottal, den Landshuter Bereich, die Region um Altötting und den Bereich rund um Rosenheim. Und nirgendwo ist das Miteinander so stark ausgeprägt wie im Woid. Der Service steht bei uns an erster Stellen und das wissen unserer Kunden. Man kennt und schätzt sich.
Auf der anderen Seite nimmt die Bürokratisierung immer mehr zu.
Erwin Dötter: Allerdings: Die Vorgaben, Richtlinien etc. werden immer anspruchsvoller und sind mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden.
Elisabeth Fischer: Das stimmt. Andererseits hat jedoch die Sicherheit deutlich zugenommen. Eventuelle Unfälle werden durch entsprechende Vorkehrungen bereits im Vorfeld verhindert.
Erwin Dötter: Man darf den Staat in dieser Hinsicht nicht nur verteufeln. Es wurden auch einige Neuerungen eingeführt, die nützlich und gut sind – doch leider sind diese Maßnahmen nicht allzu bekannt. Zum Beispiel verschiedene Fördermöglichkeiten wie der Digitalbonus Bayern und die De-Minimis-Förderung.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer & Stephan Hörhammer