Aus der anfänglichen Angst vor dem Coronavirus hat sich im Laufe der inzwischen zwei Jahre andauernden Pandemie immer mehr ein gleichgültiges Gefühl dem Erreger gegenüber entwickelt. Mehr sogar. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte ich langsam aber sicher die vielen Beschränkungen satt. Warum muss es noch Maßnahmen geben, wenn Omikron doch – wie überall dargestellt – fast ausschließlich milde Verläufe zur Folge hat? Ich wollte das normale Leben, die Vor-Covid-Zeit, zurückhaben. Sofort. Und überhaupt: Wenn ich trotz vielerlei privater und beruflicher Kontakte 24 Monate „geschafft“ habe, ohne mich zu infizieren, bin ich wohl ohnehin immun gegen Corona. Doch: Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Denn dann war ich plötzlich auch infiziert. Aber der Reihe nach…

Die Vorgeschichte
Keine Maske mehr, kein 3G, kein 2G, kein Abstand, keine begrenzten Personenzahlen – den Tag, der einem „Freedom Day“ schneller als erwartet relativ nahe kam, verbrachte ich mit meiner Familie im Kurzurlaub. Plötzlich (es war der 2. April, wer sich nicht mehr erinnert) waren in den Restaurants wieder Gesichter zu sehen und keine mumifizierten, auf Distanz gehende Mitmenschen ohne Identität. Eine regelrechte Euphorie machte sich breit, von der auch ich mich anstecken ließ. Endlich wieder Freiheit.
Zwar gehörte nach Monaten der medizinische „Gesichtsschmuck“ inzwischen irgendwie dazu. Das Aufziehen und Dabeihaben geschahen mittlerweile automatisch. Nun aber wurde die Maske – wenn man so will „über Nacht“ – zum Anti-Trend. Corona galt in meiner Wahrnehmung als besiegt – zumindest in den Momenten, in denen die positiven Emotionen die Sachlichkeit zum Statisten degradierte.
Die Testerei
Nur wenige Stunden nach der Rückkehr von erwähntem Urlaub zeigte zunächst unser Kleinster Corona-typische Symptome, in der folgenden Nacht auch meine Frau. COVID-19 war trotzdem noch weit entfernt, u.a. weil unzählige Selbsttestungen negativ ausfielen. Letztlich entschloss ich mich am Mittwoch (6. April) dann doch einen PCR-Test machen zu lassen. Am Testzentrum beim Freyunger Volksfestplatz ging das ohne Probleme und ohne gesonderte Terminvereinbarung.
Erst hieß es dort, das Ergebnis komme in „24 bis 48 Stunden“. Doch dann erreichte mich bereits zehn Stunden später die entsprechende Mail. Und diese sorgte für einen Schockmoment. Obwohl ich nicht im Ansatz Symptome hatte, war ich positiv. Sofort machte ich erneut einen Selbsttest zuhause – wieder negativ. Und das sollte auch so bleiben, bis ich tatsächlich erkranke – aber dazu später mehr…
Die behördliche Begleitung
PCR-positiv. Was bedeutet das nun eigentlich für mich? Allein schon wegen meines Berufes beschäftigte ich mich viel und regelmäßig mit der Politik, insbesondere mit den von ihr verfügten Corona-Maßnahmen. Dennoch bin ich zunächst einmal komplett überfragt. Bin ich nun zwei Wochen in Quarantäne – oder nur fünf Tage? Oder habe ich nicht eben gehört, dass es gar keine verpflichtende Isolation mehr gibt? Eine entsprechende Internetrecherche ist nicht so zielführend wie gewünscht, führt mich aber zum Corona-Bürgertelefon des Landkreises Freyung-Grafenau, das nur wenige Tage später eingestellt wird.

Nach meiner Einleitung, dass ich keine Ahnung hätte, was den nun als Infizierter auf mich zukommt, lacht die Dame am anderen Ende der Leitung erst einmal. Da sei ich nicht der einzige, gibt sie zu verstehen. Überaus entgegenkommend, freundlich und kompetent klärt sie mich dann (zum wievielten Mal in den vergangenen Monaten wird sie ein solches Gespräch wohl geführt haben?) auf, dass ich mich frühestens sieben Tage nach dem positiven Testergebnis freitesten könne. Nach zehn Tagen hätte sich die Quarantäne dann von selber erledigt. Alles unabhängig vom Impfstatus. Übrigens: Kurze Zeit später meint die Politik: Fünf Tage Quarantäne reichen aus – ohne das Freitesten (siehe dazu auch den Absatz „Das Körperliche“ weiter unten).
Das Gesundheitsamt meldet sich, wie erwartet und auch mehrmals kommuniziert, nicht telefonisch bei mir, um sich – wie zu Beginn der Pandemie – bei Infizierten nach deren Wohlbefinden zu erkundigen, die Kontaktpersonen zu ermitteln und über das weitere Vorgehen Auskunft zu geben. Eine tägliche Email bekomme ich allerdings von der Behörde – das sog. „Symptomtagebuch“.
Darin werden meine Symptome, mögliche Fiebervorkommen samt Temperatur abgefragt. Ein zeitlicher Aufwand von täglich zirka 60 Sekunden. Was tut man nicht alles für die Wissenschaft? Doch als ich tatsächlich krank werde, bekomme ich nach zehn Tagen Quarantäne keine Mail mehr (später dazu mehr). Muss man nicht verstehen.
Die Psyche
Nun also Quarantäne. Mindestens sieben und maximal zehn Tage. Die erste Phase als „alleinerziehender“ Vater zweier Söhne, „Pflegekraft“ meiner Frau und „nebenbei“ noch Selbstständiger im Homeoffice vergehen wie im Fluge. Von frühmorgens bis spätabends Dauerbeschallung – bei nach wie vor bester Gesundheit.
Ein für diese Jahreszeit nicht unüblicher Wintereinbruch im Bayerwald trägt mit dazu bei, dass die Isolation in den eigenen vier Wänden etwas heimelig Gemütliches an sich hat. Auch die Brettspiele, Kinderbücher und Bruder-Bulldogs reichen vorerst aus, die viele gemeinsame Zeit zu überbrücken.

Doch – so ehrlich will ich sein – mit jedem Tag wird die Verzweiflung, die Unzufriedenheit, die Sorge größer. Nicht nur das Haus wird gefühlt immer kleiner und das Spielen mit den Kindern öder. Auch die Frage, ob es nicht doch mich auch noch erwischt, ist präsenter und bohrender als zunächst gedacht. In besonders depressiven Momenten – etwa während man im Haus sitzt und einem die inzwischen stärker gewordene Frühlings-Sonne anstrahlt – sehnt man sich geradezu nach Abwechslung, Freizeit, Sport, Freunde treffen.
Ich hadere immer mehr mit meiner Situation, auch wenn das angesichts dessen, dass es mir gut geht, jammern auf sehr, sehr hohem Niveau ist. Obwohl ich mir das selber immer wieder deutlich mache, falle ich regelmäßig in diese Gedankengänge zurück.
Die seelische Talfahrt nimmt weiter zu, als ich dann derart krank bin, dass ich nur noch im Bett liegen kann. Und erst recht, als ich nacheinander alle Symptome abgrase und auch der ein oder andere Rückfall kommt. Nimmt das denn gar keine Ende? Warum ich? Was kommt noch? Muss ich vielleicht sogar ins Krankenhaus? Bilder von beatmeten Intensivpatienten begleiten mich. Böse Gedanken. Kopfkino im negativen Sinne. Und mir bleibt Zeit dafür, denn richtig viel machen kann ich nicht in diesen Tagen. Umso mehr erfreut es mich, als ich tatsächlich wieder Stück für Stück gesunde. Ach wie schön ist doch der Alltag…
Das Körperliche
Dass ich Corona habe, ist für mich – wie bereits beschrieben – zunächst nur etwas, was auf einem Blatt Papier steht. Zugegeben: In dem Moment, als ich das positive Ergebnis gelesen habe, hatte ich allerlei Gebrechen, die ich mir aber wohl eher eingeredet habe. Auch die Nase läuft in dieser Zeit etwas. Das kann aber auch am Winterwetter liegen. Nach sechs Tagen allerdings und aufgrund der gesamtfamiliären Gesundheitslage eher schlaflosen fünf Nächten, trifft mich der Hammer: Halsschmerzen, Gliederschmerzen, starker Schnupfen, schweres Krankheitsgefühl, Fieber (Maximum: Knapp 39 Grad).

Corona ist da – und nun sind auch die Schnelltests positiv. Zwei Tage verbringe ich in der Horizontalen. Erst danach wird es langsam besser. Die Müdigkeit und Abgeschlagenheit aber bleiben noch länger. Auch alle übrigen Symptome – darunter eine böse Magen-Darm-Geschichte – kommen nacheinander mit dazu. Nur Kurzatmigkeit und Herzrasen bleiben mir erspart.
Stichwort: behördliche Begleitung. Nach drei Tagen mit deutlichen Symptomen ist mein Schnelltest wieder negativ. Weil man sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr freitesten muss, wäre ich eigentlich „frei“. Und das, obwohl ich noch krank bin. Auch das Symptomtagebuch landet nicht mehr täglich in meinem Mail-Postfach, obwohl ich noch Symptome habe. Zu Beginn musste ich dort noch fünf Tage lang „keine Symptome“ ankreuzen.
Wie passt das alles zusammen? Fragen, die offen bleiben. Im bürokratischen Bereich genauso wie im medizinischen: Liegt es an meiner Blutgruppe, dass Corona in meinem Falle so spät ausbrach, wie im Internet zu lesen ist? Warum hatte ich welche Symptome – und warum welche nicht? Wie viele Leute hätte ich angesteckt, ehe ich ohne PCR-Test gemerkt hätte, dass ich Corona habe? Warum dauerte es solange, bis COVID bei mir ausgebrochen ist?
Die Impffrage

Ich bin ungeimpft – aus Überzeugung, ohne ein altes, bereits ausführlich diskutiertes Thema noch einmal aufkochen zu lassen. Inzwischen haben sich die Wogen in diesem Zusammenhang ja scheinbar etwas geglättet. Für mich steht nach meinem milden Verlauf fest, dass ich mit meiner Vorgehensweise richtig liege. Ansteckend sind Geimpfte genauso wie ich es war. Und erträgliche Symptome hatte ich genauso wie jemand, der sich hat piksen lassen.
Das sagt der Arzt
Auf was muss ich nach meiner Corona-Infektion nun achten? Sind prophylaktische Untersuchungen von Herz oder Lunge nötig? Ich frage bei Allgemeinarzt Dr. Rudolf Baloun nach. Dieser erklärt mir, „dass die wissenschaftlichen Daten in diesem Zusammenhang noch sehr dünn sind, man aber wie bei allen anderen Infekten der oberen Atemwege vorgehen soll“, wenn man wieder Sport machen will zum Beispiel. Heißt also: Langsam wieder loslegen und auf Signale des Köpers achten. „Vor allem bei Herzklopfen, Atembeschwerden, plötzlich stechendem Kopfschmerz oder einem einseitig geschwollenen Fuß“ soll man einen Arzt aufsuchen. Wer sicher gehen will, kann ein EKG machen oder Blut untersuchen lassen.
Fazit
Corona, vor allen die Omikron-Variante (hatte ich die wirklich? wie kann ich das in Erfahrung bringen?), hat sich in meinem Falle von den Symptomen her als eine mittlere bis schwere Grippe geäußert. Es braucht Zeit, diese auszukurieren. Von einem Krankenhaus-Aufenthalt oder einer künstlichen Beatmung war ich jedoch – Gott sei Dank – weit entfernt. Was rückblickend wirklich hängen geblieben ist: die große Abgeschlagenheit, die sich tagelang wie ein grauer Schleier über meinen Alltag gelegt hatte. Wobei ich freilich feststellen muss: Ob ich wirklich Langzeitfolgen habe, wird sich erst die nächsten Wochen und Monate zeigen. Doch ich bin zuversichtlich – auch wenn ich die nächste Zeit verstärkt auf meinen Körper hören werde…
Helmut Weigerstorfer
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Anm. d. Red.: Wie der Name schon sagt, ist dieser Erfahrungsbericht eine rein subjektive Darstellung des Autoren. Es kann also durchaus sein, dass der Verfasser dieser Zeilen seine Corona-Infektion anders durchlebt und wahrgenommen hat als der Großteil der bisherigen COVID-Positiven.