Freyung-Grafenau. Unsere Welt endet nicht an den deutschen Grenzen. Wann war uns das je bewusster als derzeit? Der Landkreis Freyung-Grafenau bereitet sich darauf vor, Flüchtlinge aus dem Ukraine-Krieg aufzunehmen. Dieses Beispiel zeigt: Wir haben eine globale Verantwortung – auch als kleiner Landkreis. Diese Verantwortung gehört auch zur sog. Nachhaltigkeitsstrategie, die in Freyung-Grafenau momentan erarbeitet wird. In Teil eins unserer Hogn-Serie stellt Schulleiter Andreas Schöps die Ziele der dazugehörigen Arbeitsgruppe „Globale Verantwortung“ vor.
Wer davon hört, dass der Landkreis an einer Nachhaltigkeitsstrategie arbeitet, um FRG zukunftsfähig zu machen, der denkt in allererster Linie wohl an die Themenfelder „Umwelt“ und „Naturschutz“. An eine Zukunft, die vom Klimawandel bestimmt sein wird. Zur Nachhaltigkeit gehören aber auch viele andere Aspekte: Insgesamt sechs Sachgebiete sind es, für die viele Freiwillige aktuell Ziele und konkrete Maßnahmen entwickeln, um den Landkreis in den nächsten Jahren voranzubringen. Eines davon lautet: Globale Verantwortung.
Globale Verantwortung durch alltägliches Handeln übernehmen
Dr. Andreas Schöps, Direktor des Johannes-Gutenberg-Gymnasiums in Waldkirchen, ist eines der Mitglieder der Arbeitsgruppe „Globale Verantwortung“. Zwei Ziele stehen dort im Mittelpunkt: durch Partnerschaftsprojekte den Eine-Welt-Gedanken in Handeln umzusetzen und die Bildung in Sachen nachhaltiger Entwicklung zu verstärken, besser zu machen, vertiefen.
Der Schulleiter vertritt dabei den Ansatz, zuerst einmal die Schulen im Landkreis dabei zu unterstützen nachhaltig zu handeln. Globale Projekte wie sich für Bildungsstätten in Afrika einzusetzen oder Spendenaktionen für Dritte-Welt-Länder ins Leben zu rufen, steht bei ihm an zweiter Stelle. „Punktuelle Spenden sind nicht zwingend zielführend“, findet Schöps. Er tritt eher für regionale Maßnahmen wie die Förderung örtlicher Tafeln durch Schüleraktionen ein. „Nachhaltigkeit beginnt bei einem selbst“, sagt der Direktor. „Der regionale Bezug ist mir bei solchen Projekten daher sehr wichtig.“
Schülern das Thema Nachhaltigkeit näher bringen
„Die Sensibilisierung der Jugend für Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bildungsauftrag“, ist Andreas Schöps überzeugt. „Die Schule spielt da eine große Rolle.“ Kindern die Fähigkeiten und die Fertigkeiten mit auf den Weg zu geben, um nachhaltig zu leben und zu handeln – das will er persönlich erreichen. Und dabei geht es eben nicht nur darum, die Buben und Mädchen sensibel für Umwelt- und Naturschutzthemen zu machen, sondern ihnen auch zu lehren, dass zu einem nachhaltigen Leben viel mehr gehört. Das Johannes-Gutenberg-Gymnasium verfolge bereits ein Bildungskonzept, das sich intensiv damit auseinander setzt, wie er betont.
Und genau das ist auch einer der Gründe, warum er an der Nachhaltigkeitsstrategie für den Landkreis mitwirken will: Was an seiner Schule bereits gelebt und umgesetzt wird, will er weitergeben an andere Einrichtungen. Bewährte Konzepte anderen zeigen, sie dazu anregen, ähnliches zu machen. „Wir wollen Impulse und Ideen aufnehmen“, sagt Schöps, „und umsetzen, was möglich ist“.
Da ist beispielsweise das Fairtrade-Team am Waldkirchner Gymnasium, das in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Projekte umgesetzt hat – allen voran die Fairtrade-Schokolade, die es nach wie vor zu kaufen gibt. Zwölf Teilnehmer hat die Fairtrade-Gruppe am JGG. Sie entwickeln dabei neue Ideen zum Thema fairer Konsum: Derzeit arbeiten sie an einem nachhaltigen Schulpulli, haben zum Valentinstag fair gehandelte Rosen verkauft und bieten an einem regelmäßig stattfindenden Verkaufsstand fair gehandelte Produkte an.
„Erfahrungsaustausch ist entscheidend“
Hier ist das Thema „Eine Welt“ bereits angekommen. Die Schüler machen sich Gedanken darüber, wie man es schaffe kann, beim Konsum auch im Blick zu haben, wie die Produkte entstehen und ob dadurch Menschen irgendwo auf der Welt ausgebeutet werden. „Ziel ist immer, dass der Eine-Welt-Gedanke im täglichen Handeln ankommt, beispielsweise wenn ich fair gehandelten Kaffee kaufe“, sagt der Schulleiter.
„Durch die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie entsteht ein Netzwerk“, berichtet Andreas Schöps weiter. Seine Schule könne dadurch viele neue Kooperationspartner finden, wie etwa Bio-Bauernhöfe. „Der Erfahrungsaustausch ist entscheidend.
Ebenfalls bereits in Arbeit sei eine Streuobstwiese: „Wenn die Schüler irgendwann ihre eigenen Äpfel ernten, fördert das die Wertschätzung für Lebensmittel“, ist sich der Schulleiter sicher. Diese Bewusstseinsschaffung könne man auch dadurch fördern, dass man in den Schulmensen vermehrt regionale Produkte anbiete und auf Bioqualität achte.
„Wir bauen keine Luftschlösser“
Das Thema Nachhaltigkeitsstrategie werde vom Landkreis recht strukturiert und zielorientiert umgesetzt, findet Andreas Schöps. Die einzige Gefahr, die er sieht: „Es gibt so viele gute Ideen in den Arbeitsgruppen – da kann man sich auch leicht verzetteln.“ Allerdings traue er dem Organisationsteam rund um Klimamanagerin Verena Holzbauer zu, überaus zielführend zu steuern und den Blick stets darauf zu werfen, was in Freyung-Grafenau wirklich machbar und konkret umsetzbar sei.
Wichtig ist ihm auch die Finanzierbarkeit aller Maßnahmen, die seine Arbeitsgruppe umsetzen will: „Wir bauen keine Luftschlösser“, sagt er. Alle Projekte sollten sich selbst tragen oder nur einen verhältnismäßigen Mehraufwand für den Landkreis bedeuten. Nur so sei gewährleistet, dass die Politik die Ideen der Arbeitsgruppen am Ende auch tatsächlich in die Tat umsetzt.
Im Hinterkopf hat der Pädagoge dabei auch stets die Grenzen der Nachhaltigkeit: „Ich würde mich selbst als sehr affin bezeichnen, was das Thema Nachhaltigkeit betrifft“, sagt Andreas Schöps, „und trotzdem habe ich eine schlechte CO2-Bilanz, vor allem weil ich zur Arbeit mit dem Auto fahre. Jeder Einzelne hat da einfach seine Grenzen.“ Den Landkreis nachhaltig zu machen, sei daher ein sehr langfristiges Projekt. Die dazugehörige Strategie ist seiner Meinung nach ein wichtiger Baustein dafür.
Sabine Simon
Der Landkreis Freyung-Grafenau erarbeitet derzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie: Er will fit für die Zukunft und bereit für Herausforderungen wie Klimawandel oder andere Krisen werden. In insgesamt sechs Arbeitsgruppen zu den Themen Umwelt, Soziale Gerechtigkeit, Mobilität, Globale Verantwortung, Nachhaltig Wirtschaften und Konsum werden momentan konkrete Konzepte erarbeitet.
Sehr ähnliche Ansätze betreibt die Stadt Wangen im Allgäu, die ebenfalls eine Fairtrade Aktionsgruppe in den Schulen etabliert hat und den Weltladen der Stadt durch die Schüler betreibt. Ein Austausch kann sicher hilfreich sein.