Jandelsbrunn. „Sammlung beendet“ heißt es auf der von Hans Madl-Deinhart, Vorstandsmitglied im Bund Naturschutz Freyung-Grafenau, eingerichteten Petitionsseite mit dem Titel „Klima schützen statt Dreistädte-Rallye„. 524 Unterstützer konnten über das Online-Portal in den vergangenen Monaten generiert werden, um die vom 14. bis 16. Oktober geplante Veranstaltung zu verhindern. „Einerseits versucht der Landkreis durch verschiedene Maßnahmen unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Er treibt die energetische Gebäudesanierung voran und entwickelt Konzepte für Nachhaltigkeit, baut den ÖPNV aus und fördert erneuerbare Energien. Andererseits unterstützt er mit diesem PS-Boliden-Rennen auf öffentlichen Straßen genau das Gegenteil“, lautet der Einwand seitens der Umweltschützer gegen die Rallye, die laut Pressemitteilung von Hauptsponsor Knaus Tabbert zu den „Legenden im Motorsport“ zählt.
„Nach einer Zwangspause im vergangenen Jahr kehrt die 2021er-Edition in den niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau zurück“, teilt die Presseabteilung des Jandelslbrunner Wohnwagen-Herstellers weiter mit. Der Start sei für das Unternehmen „eine besondere Ehre“. Werner Vaterl, Vorstand (COO) der Knaus Tabbert AG, wird wie folgt zitiert: „Wir freuen uns sehr, dass wir dieses erstklassige Motorsport-Event wie schon 2019 abermals unterstützen dürfen – und dass es diesmal mit einer eigenen Wertungsprüfung direkt vor unseren Werkstoren in Jandelsbrunn zu erleben ist.“
CO2-Kompensation per Klimaschutzzertifikate
Vaterl rechne mit großem Interesse, nicht nur bei der Belegschaft von Knaus Tabbert, sondern von Bewohnern der gesamten Region: Mit über 160 Teams aus ganz Europa habe das Teilnehmerfeld der mittlerweile 57. Rennauflage die maximale Obergrenze erreicht. „Insgesamt 13 Sonderprüfungen mit 173 Kilometern Länge werden auf deutscher wie auf österreichischer Seite gefahren“, ist der Pressemitteilung zu entnehmen.
Dabei setze die Rallye nicht nur motorsportlich, sondern auch beim Thema Nachhaltigkeit „klare Zeichen“, wie es weiter heißt. Bei der Auswahl der Strecken habe der Natur- und Umweltschutz eine tragende Rolle gespielt. „Zudem fällt die Bilanz der Veranstaltung zu 100 Prozent klimaneutral aus. Wie bereits 2019 werden alle nicht vermeidbaren Emissionen ausgeglichen. Dazu zählen nicht nur der Wettbewerb, sondern auch die Anfahrt und durch das Zuschaueraufkommen produziertes CO2.“ Die von einem sachverständigen Ingenieurbüro berechnete Summe wolle der Veranstalter durch den Kauf entsprechender Klimaschutzzertifikate kompensieren.
Zudem setze die Veranstaltung ein Zeichen des Wandels: „Mit dem ADAC Opel e-Rally Cup gehen erstmals Fahrzeuge mit alternativer Antriebstechnik an den Start“, informiert die PR-Aussendung. Ein Feld aus bis zu vierzehn Teams kämpfe dabei um den weltweit ersten Rallye-Markenpokal, der mit vollelektrischen Fahrzeugen ausgetragen wird. „Damit ist der Anteil alternativ betriebener Fahrzeugen bei der Veranstaltung statistisch sogar höher als auf unseren bundesdeutschen Straßen.“
Knaus Tabbert sei das Thema Emissionen „besonders wichtig“. Man forsche daher seit Jahren konsequent auf dem Gebiet alternativer Antriebstechnologien. Im August 2021 präsentierte man mit der „Studie E.Power DRIVE“ das erste vollelektrisches Reisemobil präsentiert.
Bund Naturschutz: „Umdenken muss stattfinden“
„Sicher ist es naheliegend, dass ein florierendes, im Geschäftsfeld auf Straßen fixiertes Unternehmen als Sponsor dieser Motorsportveranstaltung fungiert“, teilt die BN-Gruppe im Landkreis Freyung-Grafenau zur Knaus-Tabbert-Pressemitteilung mit – und fügt an: „Zumindest in der Vergangenheit war das oft der Fall, eine sprichwörtliche Win-Win-Situation – für die Organisatoren eine Finanzierungshilfe und für den Sponsor eine günstige Werbefläche.“ Dennoch sei es eine unnötiger Belastung der Natur: Nicht nur das Kohlendioxid, sondern jede Menge Feinstaub, Lärm und Reifenabrieb würden die Umgebung belasten sowie Mensch und Tier im Umfeld gefährden.
Die Klimaneutralität, so der BN weiter, bringe der Umwelt gar nichts, wenn zuerst ein Schaden angerichtet und im Anschluss versucht werde diesen wieder gut zu machen. „Wir nennen das Greenwashing„, finden die Vorstandsmitglieder Christine Grapentin, Hans Madl-Deinhart und Dr. Peter Mayer klare Worte. In vielen Wirtschaftszweigen, Produktionsprozessen, der Energiegewinnung und im Verkehrssektor werde man künftig noch weit mehr Einsparungen und Innovationen tätigen müssen, um die Klimakatastrophe erträglicher zu halten. „Auch im Motorsport wird über kurz oder lang noch ein großes Umdenken stattfinden müssen, so unsere sichere Prognose.“
Der abschließende Blick nach vorne: „Noch ist diese Rallye erlaubt, Vorschriften werden eingehalten und es kommt hoffentlich weder Mensch noch Tier zu Schaden. Trotzdem werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass der gesetzliche Rahmen auch hier der sich weiter verschärfenden Umweltsituation gerecht wird.“
Die Grünen: „Anachronistischer Spaß auf Kosten der Region“
Die Landkreis-Grünen stellen in ihrer Stellungnahme zunächst fest, dass der Jandelsbrunner Caravan-Hersteller ein wichtiger Arbeitgeber der Region sei, weshalb man jede Initiative von Knaus Tabbert in Richtung Nachhaltigkeit und E-Mobilität sehr begrüße. Die Forschungen des Unternehmens in Elektroantriebe trage erheblich dazu bei, die emissionsfreien Antriebe für großräumige Reisemobile zu etablieren, teilt Kreisvorsitzende Antje Laux mit. „Darauf sollte die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden, keine Frage.“
Das Aber dabei lautet: „Für emissionsfreie, nachhaltige Antriebe steht die 3-Städte-Rallye leider wirklich nicht.“ Bei allem Spaß am Motorsport würden die Grünen die Planung der Rallye aus verschiedenen Blickwinkeln kritisch verfolgen. „Abgesehen von den direkten Einschränkungen und Gefahren für Anwohner, Tierhalter und Landwirte an der Strecke sowie der gefährlichen Vorbildfunktion für unsere jungen und dynamischen Fahrer, verursacht die Dreistädte-Rallye einfach eine ganze Menge Lärm, Abgase, Abrieb und Feinstaub in Gärten, Wiesen und Wäldern.“
Und weiter: „Dass dafür irgendwo Klimaschutzzertifikate erworben werden sollen, lässt den Dreck nicht wieder verschwinden. Zeitgemäßer Motorsport heißt also rein elektrisch und auf dafür gemachten Strecken. Wo Knaus Tabbert in Sachen Forschung und Entwicklung für Fortschritt steht, steht die Rallye über unsere ländlichen Straßen für einen anachronistischen Spaß auf Kosten unserer schönen Region.“
Stephan Hörhammer