Zwieselerwaldhaus/Neuburger Wald. Seinen Titel als „Forst-Rebell“ hat Peter Langhammer weg. Ein genauerer Blick auf die Gedanken des selbstständigen Försters macht aber deutlich, dass seine Ansichten, was die Wälder betrifft, gar nicht so rebellisch sind. Der 57-jährige Naturbursche, der in Zwieselerwaldhaus (Gemeinde Lindberg) lebt, ist davon überzeugt, dass Naturschutz und wirtschaftlicher Waldbetrieb miteinander vereinbar sind. Mit dem von ihm geleiteten Forstbetrieb Eichelberg im Neuburger Wald hat er dafür sogar ein ausgezeichnetes Beispiel parat…
Peter, erklär uns Doch zum Einstieg zunächst einmal den Waldbetrieb Eichelberg etwas näher.
Der private Waldbetrieb Eichelberg liegt am Westrand des Neuburger Waldes. Das Revier ist 225 Hektar groß. Es liegt auf einer fruchtbaren Anhöhe südlich der Donau und wird seit 1998 von mir als Betriebsleiter betreut. Bis dahin hatte es dort immer einen Betriebsleiter und einen Revierförster gegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Eichelberg wie viele Wälder in Deutschland stark übernutzt – der ursprüngliche Reviername „Schusterdickicht“ bringt das schön zum Ausdruck.
Deshalb hatte sich der damalige Chef J. Mühlbauer schon Mitte des letzten Jahrhunderts zu einer sehr naturnahen Waldbewirtschaftung entschieden, um das geplünderte Revier wieder zu stabilen und ertragreichen Wäldern heranwachsen zu lassen. Seine Nachfolger aber hatten dann – wie es leider dem Zeitgeist entsprach – eher auf Fichtenmonokulturen gesetzt. Die Reste der naturnahen Bewirtschaftung vor 70-80 Jahren sind heute unser Kapital, von den Fichten ist nur sehr wenig übrig geblieben. Eine Besonderheit von Eichelberg ist sein Weißtannenreichtum in allen Altersschichten: Etwa ein Drittel der Altbäume sind heute Weißtannen und auch mehr als die Hälfte der großflächigen Waldverjüngung.
Ökosystemleistung als Schlagwort
Welche Aufgaben übernimmst Du dort als Betriebsleiter?
Alle. Also alle außer den praktischen Waldarbeiten. Letztere machen in Eichelberg erfahrene Einschlags- und Rückeunternehmer, die zum Teil seit über 20 Jahren regelmäßig für den Betrieb arbeiten. Ursprünglich hatte ich ausschließlich als Betriebsleiter dort begonnen, als aber der damalige Revierförster aus Altersgründen aufgehört hatte, habe ich auch diese Aufgabe übernommen. Ich mache also das Auszeichnen (Markieren) der zu fällenden Bäume, unsere Unternehmer beauftragen und betreuen, mich um den Waldnachwuchs und einen guten Waldzustand kümmern, Holz verkaufen, Förderanträge stellen, die Buchhaltung für den Steuerberater erledigen, den Geldverkehr, die langfristige Zielvorgabe und Planung, die Öffentlichkeitsarbeit, auch Zusammenarbeit mit Hochschulen, die Abstimmung mit den Waldbesitzern und vieles mehr.
Ich sorge dafür, dass der Wald kontinuierlich einen Beitrag zum Lebensunterhalt seiner Besitzerfamilien leisten kann. Gleichzeitig aber auch seine gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, als Lebensraum, als Arbeitsplatz, als Rohstoffquelle, als Wasserspeicher, Kohlenstoffspeicher oder Sauerstoffspender, als Klimaregulator uvm. – man spricht hier heute von sog. Ökosystemleistungen‘ – bestmöglich erfüllen kann. Auch das ist meinen Waldbesitzern sehr wichtig.
Der zum Betrieb gehörende Teil des Neuburger Waldes wurde jüngst mit dem Preis „Naturschutzpartner Waldbesitzer“ ausgezeichnet. Welchen Wert hat diese Ehrung – allgemein und für Dich persönlich?
Unser Land hat in seiner Geschichte fast zwei Drittel seiner ursprünglichen Waldfläche verloren. Große Teile der übrig gebliebenen Wälder sind heute alles andere als naturnah. Deshalb möchte ich eine persönliche Überzeugung vorausschicken, welche die gesamte Waldnutzung in Eichelberg bzw. meine ganze Arbeit als Förster, auch für andere Waldbesitzer, z.B. die Diözese Passau bestimmt:
„Holzäcker“ gehören der Vergangenheit an
Erstens, dass natürliche Ökosysteme, wie es naturnahe Wälder sein können, langfristig auch ökonomisch umso erfolgreicher und nachhaltiger genutzt werden können, desto näher an der Natur sie behandelt werden. Das bestätigt sich immer wieder. Und zweitens, dass es natürlich Aufgabe aller öffentlichen und privaten Waldbesitzer ist, naturnahe Wälder und ihre Lebensgemeinschaften für nachfolgende Generationen zu erhalten. Denn wer sollte das sonst tun, wenn nicht die Waldbesitzenden? Sie alleine haben die Möglichkeit dazu.
Die Auszeichnungen der letzten Jahre, darunter auch die Bayerische Staatsmedaille für herausragende Verdienste um die Umwelt, aber auch der Kinodokumentarfilm „Der wilde Wald“, der uns dafür fast zehn Minuten widmet, geben dieser Orientierung an Naturwäldern ein besonderes Gewicht. Sie machen eine größere Öffentlichkeit, als es uns alleine möglich wäre, auf diese Themen aufmerksam. Insofern freuen mich diese Auszeichnungen wirklich sehr! Aber sie nutzen weniger mir persönlich oder dem Waldbetrieb, viel mehr den Waldlebensgemeinschaften selbst und auch allen Menschen – die intakte, überlebensfähige und überlebenssichernde Wälder zukünftig viel dringender nötig haben werden als zusammenbrechende ‚Holzäcker‘.
Wer steckt hinter dieser Auszeichnung?
Das ist das Überraschende gerade an dieser Auszeichnung „Naturschutzpartner Waldbesitzer“ – wie schon der Name sagt: es ist eine Kooperation aus Besitzer- und Nutzerverbänden sowie dem bayerischen Umweltministerium. Also Organisationen, die üblicherweise auf gegensätzlichen Seiten stehen, wenn es um Naturschutz und Naturnutzung geht. Konkret sind auf der Nutzerseite der Bayerische Bauernverband, der Bayerische Waldbesitzerverband und der Verband Familienbetriebe Land und Forst Bayern gemeinsam beteiligt. Technisch unterstützt wurde der Wettbewerb von der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL).
„Naturschutzpartner Waldbesitzer“ und die Hintergrunde
Wer kann daran teilnehmen und was gibt’s zu gewinnen?
Teilnehmen konnten alle privaten Waldbesitzer. Privatwald macht in Bayern über die Hälfte der Waldfläche aus. Deshalb ist es sehr wichtig, dass auch Privatwälder für naturnahe Waldstrukturen offen sind, wenn auf großer Fläche etwas für die kommenden Generationen erreicht werden soll. Das können öffentliche Wälder alleine nicht leisten. Dieses Mal war ein Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro für alle ausgezeichneten Wälder gemeinsam ausgeschrieben. Dazu Fortbildungsgutscheine und kleine Sachpreise. Die Preise stehen dabei sicher nicht im Vordergrund, wichtiger scheint mir dabei zu sein, gemeinsam die Vielfalt dessen zu zeigen, was auch in Wirtschaftswäldern an Naturnähe und Waldnaturschutz möglich ist.
Naturschutz und Waldbetrieb, also wirtschaftliches Denken – schließt sich das nicht gegenseitig aus?
Die Frage ist berechtigt. Natürlich kann ich Bäume oder Holz, die zum Nutzen der Waldlebensgemeinschaft dauerhaft im Wald bleiben dürfen, nicht mehr verkaufen. Umgekehrt können genutzte Bäume nicht mehr der Waldlebensgemeinschaft dienen und die allermeisten Ökosystemleistungen nicht mehr erbringen. Dabei wird aber auch sofort klar, wie einseitig und eng unser Fokus auf unsere Wälder ist. Bäume in Wäldern scheinen oft nur dann einen Wert zu haben, solange man sie verkaufen und Bretter daraus sägen oder sie verheizen kann.
Aber um die Frage konkret zu beantworten: Nein, es schließt sich nicht aus, jedenfalls langfristig betrachtet. Im Gegenteil. Wie schon erwähnt, empfinde ich größtmögliche Naturnähe, das heißt eine große natürliche Artenvielfalt, natürliche Waldstrukturen wie alte Bäume und Totholz und natürliche Prozesse wie eine natürliche Wiederbewaldung, aber auch das Zulassen natürlicher Störungen auf Teilflächen in bestimmten Situationen, als eine wichtige Voraussetzung für langfristig auch ökonomischen Erfolg bei der Waldnutzung.
„Gibt es kein Totholz, sterben viele Arten aus“
Das Risiko von Massenvermehrungen einzelner Arten ist umso geringer, je vielfältiger die Arten und Strukturen in den Wäldern sind. Eine kostenlose Naturverjüngung natürlich vorkommender Baumarten schafft hohe Qualität zum einen. Zum anderen gute Wurzelentwicklung, hohe genetische Vielfalt, im Idealfall auch Strukturreichtum und spart Kulturkosten. Eine natürliche Ausdifferenzierung der jungen Bäume unter dem schützenden und ‚pflegenden‘ Schirm von Altbäumen spart zeitintensive und teure Pflegemaßnahmen. Alternde, dicke Bäume bieten unzähligen Arten Lebensraum und speichern riesige Mengen an Kohlenstoff.
Interessant.
Gibt es kein Totholz, sterben diese Arten aus. Umgekehrt wurden in Eichelberg inzwischen zahlreiche Arten nachgewiesen, die sonst in Wirtschaftswäldern fehlen – darunter mehrere Rote-Liste-Arten und sogar vier sogenannte Urwaldreliktarten, die nur noch in Wäldern mit urwaldähnlichen Strukturen leben. Aber Totholz speichert auch sehr viel Wasser, spendet und speichert Nährstoffe, bildet wertvollen Humus, schützt den Boden vor Wind und Sonne, trägt bei zu einem ausgeglichenen Waldinnenklima, schützt die jungen Waldbäume, ist Keimbett und und und …
Vielen Dank für Deine Antworten, alles Gute für die Zukunft – und ganz wichtig: Gesund bleiben.
Interview: Helmut Weigerstorfer