Vom 31. Januar bis zum 13. Februar sind die Bürger Bayerns aufgerufen, sich am Volksbegehren Artenvielfalt zu beteiligen (da Hog’n berichtete). Es muss unterschrieben werden, um den Erhalt unserer Natur, unserer Artenvielfalt und nicht zuletzt das Überleben der Bienen zu sichern – behaupten zumindest die Initiatoren. Es darf nicht unterschrieben werden, um den Erhalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu garantieren, um den Markt für Bio-Produkte nicht zu gefährden – behauptet zumindest der Bayerische Bauernverband (BBV). Muss ein Mehr an Umweltschutz immer gleich ein Weniger für die hiesige Landwirtschaft bedeuten? Da Hog’n hat sich umgehört.
Ausdrücklich weißt man auf der Homepage des „Volksbegehrens Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ darauf hin, dass sich das Begehren keinesfalls gegen Landwirte richtet. Im Gegenteil, auch Bauern würden von der Initiative profitieren: Wenn man in der Landwirtschaft zukünftig der Qualität Vorrang vor der Quantität gewähre, komme das vor allem den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben zu Gute.
„Es nutzt den Bienen nicht und vernichtet bäuerliche Familienbetriebe“
Der Bayerische Bauernverband (BBV) ist trotzdem alles andere als glücklich mit dem Begehren. „Das Volksbegehren“, so heißt es in einer Pressemitteilung, weise „den falschen Weg“. Statt das bäuerliche Engagement für den Umwelt- und Naturschutz anzuerkennen und weiter zu stärken, werde mit dem Begehren lediglich „Stimmung gemacht und nach neuer Reglementierung gerufen“. Bauernpräsident Walter Heidl spricht deshalb von einem „Irrweg“, wenn die Initiative fordert, ab 2025 mindestens 20 Prozent der Anbauflächen ökologisch bewirtschaften zu wollen. Seiner Meinung nach würde dies „in einem Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse enden“. Statt den Landwirten seien vielmehr die Konsumenten gefragt, im Supermarkt vermehrt nach Bio-Produkten zu greifen.
Wenig begeistert ist man auch beim BBV-Kreisverband Passau, allen voran deren Obmann Hans Koller: „Im Namen unserer bäuerlichen Familienbetriebe bitte ich Sie: Unterschreiben Sie das Volksbegehren nicht. Es nutzt den Bienen nicht und vernichtet bäuerliche Familienbetriebe“, heißt es in einer Rundmail, die als Reaktion auf einen Aufruf zu einer Demonstration pro Artenschutz folgte. Auch im Kreisverband Passau fürchtet man sich vor „weiter steigender Bürokratie, Reglementierung und Enteignung“ – und sieht „den Markt“ und die „wirtschaftliche Grundlage“ in Gefahr. Landwirte seien in Sachen Artenschutz ohnehin Vorreiter, das Volksbegehren diene nur dazu „Stimmung gegen die Landwirtschaft“ zu machen.
„Dieses Volksbegehren ist definitiv ein richtiger Schritt“
Ob das Volksbegehren, den „Bienen nichts nützt“? Das wollten wir unter anderem von Imker Simon Weber aus Röhrnbach wissen. Einer seiner Bienenstände wurde im Herbst 2016 selbst Opfer einer Vergiftung – der Auslöser: Insektizide. Seiner Meinung nach ist „dieses Volksbegehren definitiv ein richtiger Schritt“. Er hoffe daher, dass es am Ende Erfolg hat. Das Bienensterben, so Weber, resultiere aus dreierlei Gründen: zum einen aus dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM), denn hier seien die „Zulassungsverfahren neuer Mittel nicht ausreichend“. Andererseits trage die Varroamilbe dazu bei, die vor allem den Honigbienen zu schaffen macht, indem sich der Parasit erst in eine einzelne Biene einnistet und sich dann im gesamten Bienenstock breit macht.
Drittens sei es vor allem die steigende Zahl von „Agrarwüsten“, die letzten Endes dazu führen, dass die Bienenvölker nur noch schwer ausreichend Nahrung finden. „Das“, erklärt Weber, „ist für den Imker ein Problem, vor allem aber für die Bienen. Ohne stetigen Futterstrom legt die Königin weniger Eier, der Nachwuchs wird schlechter versorgt. Kurz gesagt: Das Volk geht in den Energiesparmodus.“ Weber selbst hat seine Mittel und Wege gefunden, um sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Er sucht etwa nach „naturnahen Standorten“ für seine Bienenstände und versucht rechtzeitig gegen die Varroamilbe vorzugehen.
„Dass der Bauernbund das nicht gerne hört, ist klar“
Auf individueller Ebene könne jedoch jeder etwas gegen das Bienensterben tun – beispielsweise, indem er im eigenen Garten „einige Quadratmeter Lebensraum für Bienen und Insekten schafft“. Auf politischer Ebene jedoch seien „drastische Maßnahmen erforderlich“. Weber ist überzeugt: „Wir brauchen ein strengeres Zulassungsverfahren bei Pflanzenschutzmitteln, mehr Blühflächen, mehr Lebensraum.“
Auch Jens Schlüter, Bezirksvorsitzender der Grünen Niederbayern, kann den Einwänden des BBV nur wenig abgewinnen. „Wer alt genug ist“, so erläutert der Zwieseler, „kann sich zum Beispiel noch erinnern, wie viele verschiedene Schmetterlinge man aufgescheucht hat, wenn man im Sommer über eine Wiese gelaufen ist“. Dass die Arten dahinschwinden, sei nur schwierig zu widerlegen. Den Grund hierfür sieht Schlüter in „unserer heutigen Form der Landbewirtschaftung“ – genauer gesagt im Einsatz von „Neonicotinoiden, Glyphosat oder dem immensen Stickstoffeintrag“. Die enormen negativen Folgen dieser Art der Bewirtschaftung seien „mehrfach wissenschaftlich bewiesen“, so Schlüter. „Dass der Bauerverband das nicht gerne hört, ist klar.“
Ohne die Landwirte werde es Schlüter zufolge jedoch nicht gehen. „Um den Artenschwund zu stoppen und wieder deutlich bessere Lebensbedingungen für unsere heimischen Arten zu schaffen“, brauche es – neben vielen anderen Initiativen – eben auch „engagierte Landwirte“. Diese befinden sich seiner Meinung nach derzeit jedoch in einer Art Zwickmühle: Natürlich würden höhere Preise für die Produkte und die Arbeit der Bauern sowohl für die Landwirtschaft selbst als auch für den Artenschutz in vielerlei Hinsicht weiterhelfen. Das „eigentliche Dilemma“, so Schlüter, jedoch sei, dass die europäische Agrarpolitik und das von der EU praktizierte Subventionsmodell in die gegenteilige Richtung ziele: immer mehr, immer billiger.
Der Konsument, die Landwirtin oder Brüssel: Wer ist Schuld?
Volksbegehren hin oder her: Der längste und wirkmächtigste Hebel befindet sich in Brüssel. Dort wird über den agrarpolitischen Kurs der EU entschieden – mit sehr weitreichenden Folgen. Rund 40 Prozent der Gesamtfläche der EU werden derzeit landwirtschaftlich genutzt, das sind 174 Millionen Hektar. Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass Agrarpolitik in Sachen Umwelt- und Konsumentenschutz ein mächtiges Instrument ist. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Union verteilt ihre Gelder vor allem an jene Betriebe, die bereits über eine beträchtliche Anzahl an Hektar verfügen. Rund 80 Prozent der Subventionen fließen an nur 20 Prozent der insgesamt zehn Millionen landwirtschaftlichen Betriebe. Es profitieren also nicht die kleinen Landwirte, sondern große Agrarbetriebe.
Wo liegt nun also der Grund des Übels? Wie so oft deutet der Konsument mit dem Finger auf die Landwirte – und die wiederum deuten nach Brüssel. Am Ende stellt sich die Frage: Wer ist Schuld? Der Konsument? Der kauft schließlich bevorzugt günstig ein. Der Landwirt? Der will sich schließlich am Markt gegen seine Konkurrenz durchsetzen und produziert daher möglichst kostengünstig. Oder die GAP? Die sitzt letztlich am längeren Hebel und entscheidet mit ihrer Subventionspolitik über Preise, Pestizideinsatz und Umweltverträglichkeit.
„Menschen wollen Verlust nicht mehr länger hinnehmen“
Unbestritten erhalten Umweltschutz und Klimawandel immer mehr Einzug ins Bewusstsein der Gesamtbevölkerung. Das mag an medienwirksamen Aktionen wie die Besetzung des Hambacher Forstes liegen oder dem Schulstreik „Fridays For Future“. Das mag daran liegen, dass hierzulande zuletzt jeder in den Genuss eines „Hitzesommers“ gekommen ist. Oder daran, dass mit dem bloßen Auge erkennbar ist, dass mittlerweile weit weniger Insekten, Käfer, Schmetterlinge und Bienen unterwegs sind als noch vor einigen Jahren.
Ob das Artenschutzbegehren am Ende die nötige Anzahl von einer Million Unterschriften erreicht, wird sich zeigen. Jens Schlüter jedenfalls gibt sich optimistisch: Trotz äußerer Witterungsbedingungen mit Kälte und Schnee, die potenziell eher für die Couch als fürs Rathaus sprechen, wollen dem Zwieseler zufolge „viele Menschen diesen Verlust an Artenvielfalt und Lebensraumqualität nicht mehr länger hinnehmen – und unterschreiben in den zwei Wochen der Eintragungsfrist hoffentlich fleißig“.
Johannes Gress
Auch mein Mann und ich haben für „Rettet die Bienen“ unterschrieben. Wir zeigen auch nicht auf einen Schuldigen, denn alles hängt mit allem zusammen.
Die Verbrauchern geben lieber mehr Geld für ein Auto oder teure Elektronik aus als z. B. 10 % mehr für fair bezahlte Lebensmittel.
Es wird viel zu viel an Lebensmitteln weggeworfen. Warum muss z. B. bis zur letzten Minute jede Brotsorte im Regal sein? Und wenn dann jemand die noch brauchbaren Sachen aus der Mülltonne zieht, steht er/sie vor dem Richter. Das ist doch Schilda pur!
Die Interessenvertretung der Bauern fördert in erster Linie die immer industrieller betriebene Landwirtschaft, statt das zu erhalten, was in Bayern gottlob noch weitgehend erhalten ist, die kleinteiligere Wirtschaftsweise. Wachsen oder weichen kann nicht das Ziel sein, unbegrenztes Wachstum nennt man in der Medizin Krebs.
Es muss nicht immer gleich Bio sein, regional einkaufen wäre ein erster Schritt seitens der Verbraucher.
Müssen unbedingt Massen an Schweinen für den Weltmarkt zu Dumpingpreisen bei uns produziert werden, von denen der Bauer nur durch die Menge den nötigen Ertrag, aber die gesamte Gülle hat?
Man könnte die Liste noch lange fortsetzen.
Ein kluger Deutscher hat uns schon vor langer Zeit geraten, den eigenen Verstand zu benutzen. Das sollten wir alle schleunigst tun, wollen wir nicht unseren Nachkommen eine Ödnis hinterlassen. Das sollten wir aber ALLE tun und nicht nach dem Floriansprinzip auf andere zeigen.
Christa Gottinger