Freyung/ Doolin. „Jetzt ist es schon zwanzig Jahre her, dass ich nach Irland gezogen bin“, erzählt Gerald Weinberger und lächelt. Als Koch arbeitet der 56-Jährige in einem Hotel, war zuvor lange in einem Irish Pub beschäftigt und hat sich nebenbei eine eigene Gärtnerei aufgebaut. Und doch bleibt der Bayerische Wald sein Ankerpunkt.
„Sein Leben in Irland zu verbringen, ist etwas anderes, als dort Urlaub zu machen“, stellt Gerald Weinberger ganz klar fest. Das Wetter auf der Insel ähnelt dem diesjährigen Frühling in Deutschland: meist bewölkt, regnerisch und kühl. „Und immer pfeift der Wind. Mehr als 25 Grad haben wir eigentlich nie“, berichtet der Auswanderer. Dafür gibt es grüne Hügel, Schafe und idyllische kleine Dörfer. „Irland ist aber auch wahnsinnig zersiedelt“, sagt er. „Überall stehen Häuser irgendwo mitten in der Landschaft – und überallhin führen kleine Straßen.“
Die Familie hält ihn in Irland
Man merkt dem gebürtigen Zwieseler an, dass er nicht ganz abgeneigt wäre, zurück in den Bayerwald zu ziehen. „Meine beiden Damen wollen aber nicht“, bedauert er. 2002 lernte Gerald seine Lebensgefährtin in Irland kennen. Sie ist gebürtige Schweizerin und wanderte bereits in den 90er-Jahren auf die grüne Insel aus. Die beiden haben eine 15-jährige Tochter.
„Wenn sie mal auf eigenen Beinen steht, möchte ich zumindest wieder viel öfter in den Woid kommen als momentan“, sagt Gerald. Und das, obwohl er sich in Irland einiges aufgebaut hat: Seit zwanzig Jahren lebt er in der Grafschaft (County) Clare an der Westküste Irlands.
Im Fischerdorf Doolin – direkt am Meer gelegen – hat Gerald Weinberger sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Haus gebaut und auf seinem weitläufigen Grundstück vor zwölf Jahren eine eigene kleine Gärtnerei eröffnet. „Irgendwann hab ich Abwechslung gebraucht zu meiner Arbeit in der Küche“, erinnert er sich. „Ich verkaufe Bäume, Sträucher und Stauden.“ Das Wissen, wie man diese Pflanzen aufzieht, hat er sich als Hobbygärtner angeeignet. „Vor allem Kirschlorbeer verkauft sich in Irland super“, berichtet er und lacht.
Als Koch hatte er zunächst in einem Café gearbeitet, war dann für eine Hotelkette in ganz Irland im Einsatz und wechselte anschließend zurück an die Westküste: in ein Irish Pub, wo er mehrere Jahre als Küchenchef beschäftigt war. „Das Irish Pub ist das kulturelle Highlight in Irland“, weiß der 56-Jährige. Täglich gibt es dort Irish-Folk-Musik – und zwar live. „Von April bis Oktober ist das Pub jeden Abend voll“, erzählt der Koch. Dort, wo er gearbeitet hatte, gab es 120 Sitzplätze im Innenbereich und zusätzlich 100 draußen.
Harter Lockdown und Brexit: Das letzte Jahr war schwierig
Im vergangenen halben Jahr ging es allerdings auch in Irland alles andere als normal zu: „Wir hatten einen sehr harten Lockdown“, berichtet Gerald Weinberger. „Bis auf Supermärkte und Grundversorger war absolut alles geschlossen – auch die Schulen. Und wir durften uns nicht weiter als fünf Kilometer von unserem Haus entfernen.“
Aktuell sei die Situation im Lande auch aufgrund des Brexits nicht einfach. „In den Supermärkten sind die Regale oft leer“, erzählt der Auswanderer. „Der Brexit erschwert den Handel mit Großbritannien enorm – dadurch ist vieles durcheinander gekommen.“
Seit einigen Wochen übt der gebürtige Waidler nach der Corona-Zwangspause nun wieder seinen Beruf aus. Aktuell ist er in einem großen Hotel angestellt. Eine weitere Station in seinem abwechslungsreichen Arbeitsleben.
In Spanien störten ihn Hitze und Arbeitszeiten
„Als Koch treibt es einen raus in die Welt“, ist Weinberger überzeugt. „Und man findet überall eine Anstellung.“ Er wurde in Zwiesel geboren, ist aber in Mittelfranken aufgewachsen und zog mit seinen Eltern als Zwölfjähriger nach Freyung. Dort machte er nach der Schulzeit seine Lehre zum Koch. Danach war er in der Region tätig und führte in Grafenau selbständig ein Gasthaus.
Im Anschluss wollte er jedoch andere Länder sehen und Leute kennenlernen. Zunächst verschlug es ihn nach Spanien: Vier Jahre lang war er dort in der Küche tätig, bereitete Mahlzeiten vor allem für Touristen zu.
„In Spanien war ich aber nicht zufrieden“, erinnert er sich. Die Hitze gefiel ihm genauso wenig wie die Arbeitszeiten: „Die Spanier gehen meist erst gegen 22 Uhr essen“, erzählt er. Entsprechend lang dauerte der Arbeitstag für den Koch. In den Touristengegenden habe er anfangs für deutsche Auswanderer gearbeitet, darunter seien aber „viele Banditen“ gewesen: „Die sind ins Ausland gegangen, weil sie hier etwas auf dem Kerbholz hatten“, ist er sich sicher. Für spanische Landsleute zu schaffen sei bei Weitem angenehmer gewesen. Schließlich allerdings bewarb er sich auf eine Stelle in Irland – und zog aus dem heißen Süden in den kühlen Nordwesten Europas.
Die anstrengende Reise in den Woid nimmt er häufig auf sich
Nach wie vor besucht er aber regelmäßig den Bayerischen Wald . „Ich komme meistens im Herbst für zwei Wochen nach Freyung“, erzählt Gerald Weinberger.
Von der Westküste Irlands in den Woid – das ist eine weite Reise. Dann sitzt er zuerst vier Stunden im Bus nach Dublin, wartet dort am Flughafen auf seinen Abflug nach München, sitzt zweieinhalb Stunden im Flieger und reist anschließend mit dem Zug von München nach Passau, wo ihn ein Freund mit dem Auto abholt. „Ich starte daheim in Irland morgens um 4 Uhr und bin dann abends in Freyung“, berichtet er.
Übernachten kann er bei einem Kumpel. Die alten Spezln sind es auch, wegen denen er die lange Reise immer wieder auf sich nimmt. „Die Menschen in Irland sind aufgeschlossen, herzlich und hilfsbereit“, bekräftigt der 56-Jährige. „Aber zu den Leuten daheim, die man seit der Jugend kennt, hat man einfach eine ganz andere Verbindung als zu Bekannten in Irland.“ Er kenne viele Leute in seiner Wahlheimat, seine besten Freunde sind jedoch im Bayerischen Wald zuhause. „Ich lebe in Irland, doch dort bin ich nicht daheim“, sagt er. Er vermisse seine Eltern und seine Schwestern, die alle in Niederbayern wohnen.
„In Irland gibt’s koan Leberkas…“
„Und in Irland gibt’s halt auch keine Weißwürste, kein Weißbier und keinen Leberkas“, sagt er mit einem Schmunzeln. Die irische Küche unterscheide sich insgesamt aber nicht sonderlich von der deutschen. „Landestypisch ist zum Beispiel Irish Stew – und das ist unserem Rindergulasch ganz ähnlich.“
Überhaupt sei die Esskultur in einem Hotel wie demjenigen, in dem Gerald beschäftigt ist, sehr international aufgestellt. „Das Frühstück ist bei uns allerdings typisch irisch: Alles ist warm – eher wie ein Mittagessen, wie wir es kennen.“ Das sei der größte kulinarische Unterschied zwischen Deutschland und Irland. „Und die Iren essen so gut wie kein Kalbfleisch“, stellt er mit Nachdruck fest.
Ein großer Alltagskontrast im Vergleich zur Heimat: „In Irland ist keiner pünktlich – das nervt mich oft.“ Mit der Sprache kam er dagegen von Anfang an gut klar: „An den irischen Dialekt muss man sich einfach gewöhnen“, sagt er. „Ich habe ihn sehr schnell gut verstanden.“ Schließlich ist er in seinem Leben bereits mit vielen Sprachen und Dialekten in Kontakt gekommen – allen voran mit dem bairischen, dem waidlerischen, den er bis heute nicht verlernt hat…
Sabine Simon