Nicht nur Viren machen krank, sondern auch Stress. Stress und schlechte Stimmung scheinen derzeit fast allgegenwärtig zu sein. Die Schlagzeilen prasseln nur so auf uns ein: Immer mehr Menschen „leiden unter dem Lockdown“. Allen voran die Jüngeren: von einer „verlorenen Generation“ ist bereits die Rede. Die Situation sei ein „gewaltiger Kraftakt“ für Familien. Eine „Pleitewelle droht“. Parallel dazu werden die Stimmen der Maßnahmen-Gegner immer lauter. So wirkt es jedenfalls. Die Folge: Wir fühlen uns umso einsamer, eingesperrter und gestresster. Es ist daher an der Zeit, die Corona-Situation einmal mit anderen Augen zu betrachten, findet Hog’n-Autorin Sabine Simon. Positiv denken. Stress aus, Leben an!
Dass schlechte Nachrichten einen Einfluss auf unsere Psyche haben, davon ist zum Beispiel Stressforscher Mazda Adli überzeugt. Persönliche, individuelle Sorgen könnten besonders gut gedeihen, wenn man – zum Beispiel via Facebook – ohne Unterlass mit Negativem konfrontiert wird, informiert er in einem Artikel, der bereits vor Corona erschien.
Die guten Nachrichten feiern
Wenn wir die eigene Situation näher betrachten – ohne durch das „Brennglas Facebook“ zu schauen: Wie sehr leiden wir wirklich? Und eines vorweg: Dieser Text soll nicht kleinreden, dass viele Menschen mit der Situation zu kämpfen haben. Er soll auch den politischen Kurs nicht rechtfertigen. Er soll lediglich Dinge aufzeigen, die Mut machen und uns helfen, besser mit der Situation umgehen zu können.
An dieser Stelle also gleich mal eine schöne Geschichte: Ein Freund feierte vor Kurzem seinen 40. Geburtstag. Die große Geburtstagsparty war aufgrund des Lockdowns freilich nicht möglich. Stattdessen entstand die Idee, Videos für ihn zu machen. Einen Tag später waren es ganze 60 Clips – der gesamte Freundeskreis hatte sich an der Geburtstagsaktion beteiligt und dem Jubilar eine riesige Freude gemacht. Fast eine Stunde lang waren sie alle bei ihm im Wohnzimmer anwesend – natürlich nur auf dem Bildschirm, aber dafür kreativ und lustig.
Postkarten versenden oder Päckchen mit schönen Kleinigkeiten darin, per Video-Telefonie in Kontakt treten oder kleine Videoclips verschicken: Anderen nahe zu bleiben ist auch dann möglich, wenn persönliche Treffen nicht stattfinden können. Nach wie vor praktizieren das zum Beispiel auch unsere Kindergärtnerinnen: von Bastelideen bis hin zu liebevoll gemachten Videos lassen sie sich regelmäßig etwas einfallen, damit die Kinder den Kindergarten nicht ganz so vermissen und daheim etwas zum Lesen, Basteln und Malen haben.
Lange Wochen – oder nur ein kurzer Lebensabschnitt?
Seit Mitte Dezember, also nun gut sechs Wochen lang, sind Kindergärten und Schulen bereits zum zweiten Mal geschlossen, befinden wir uns allgemein im Lockdown Nummer zwei. Lange?
Mindestens 4.000 Wochen dauern die meisten Menschenleben. In ein paar Jahren erst wird uns wohl bewusst sein, dass die „Coronazeit“ im Rückblick keine Ewigkeit währte. Selbst wenn noch Monate vergehen, bis genügend Menschen geimpft oder gute Medikamente gegen Covid-19 gefunden sind – und die Folgen des Lockdowns uns noch längere Zeit beschäftigen.
Wie lange genau dauerte der erste Lockdown ab März 2020? Im Rückblick verschwimmt der Zeitraum bereits. Zeit verrinnt oder Zeit zieht sich. Eine Minute kann unendlich lange oder unfassbar kurz sein. Das eigene Empfinden ist entscheidend. Und damit schließt sich der Kreis in punkto schlechte Nachrichten: Sie beeinflussen das Empfinden der Situation enorm, machen sie noch unangenehmer, lassen sie endlos andauern (beziehungsweise es so wirken).
Es macht unsere Lage also nicht besser, wenn wir uns ständig von Ministerpräsidentenkonferenz zu Ministerpräsidentenkonferenz hangeln. Wenn wir auf Lockerungen hoffen und dann enttäuscht werden. Wenn wir den Tag herbeisehnen, an dem alles wieder „normal“ ist. Helfen kann dagegen, Diskussionen, Wut-Kommentare und all die schlechten Nachrichten nicht ständig an sich heranzulassen.
Viel mehr Zeit für die Familie
„Ich jammere nicht“, sagt da zum Beispiel eine Hotelbesitzerin. „Es gibt auch eine gute Seite an dem Ganzen.“ Sie habe noch nie so viel Zeit mit ihrer Familie verbracht wie in diesem Winter und nie so viel Zeit gehabt für ausgedehnte Spaziergänge und entspannte Abende auf der Couch.
Manchmal scheint es, als hätte jemand den Pausenknopf gedrückt. Vor allem bei Menschen, die sonst kein Wochenende kannten, keine Weihnachtsferien, kaum Urlaub. Die Hotelbetreiberin nutzt die freie Zeit nun, um all das zu genießen, was normalerweise ihre Gäste in vollen Zügen auskosten: die wunderschöne Natur rund um uns herum. Ja, wir sitzen zu Hause fest. Aber wir haben im Vergleich zu Menschen in der Großstadt einen riesengroßen Vorteil dabei: Wir sitzen mitten im Bayerischen Wald fest.
Früher belächelt, jetzt beneidet: Wir hier auf dem Land
Auch wenn sie inzwischen wieder Geschichte ist: Vor allem die 15-Kilometer-Regelung bot massig Diskussionsstoff. Für viele war sie der Anlass, über die neuen Maßnahmen zu wettern, sich noch stärker in der eigenen Freiheit eingeschränkt zu fühlen. Man kann sich aber auch die Frage stellen: Muss es denn immer eines der beliebtesten Ausflugsziele sein? Oder sind nicht auch der eigene Garten, die Nachbarschaft, die Wiese oder der Wald ums Eck recht schön?
Während andere in der Stadt in ihrer Wohnung verharren oder in überfüllten Parks spazieren gehen und nach einem Hang mit ein bisschen Schnee zum Schlittenfahren suchen, haben wir unmittelbar vor der eigenen Haustür Berge, Rodelhänge, Loipen, Wanderwege. Und das sogar in einem Radius von wenigen Kilometern rund um den eigenen Wohnort.
Sehnsucht danach, einen größeren Ausflug zu unternehmen – in den Zoo, in die Therme oder zu Freunden, die weit weg wohnen – hat jeder einmal. Aber so lange wir nach dem Motto „Vorfreude ist die schönste Freude“ leben, kann es da nicht auch mal ganz entspannend sein, an Sonntagen auszuschlafen, lange zu frühstücken und dann den Rucksack zu packen einfach loszumarschieren? Einfach dorthin, wohin einen die Füße tragen?
Positive Effekte für die Natur
Das Auto darf dabei in der Garage stehen bleiben. Einen positiven Nebeneffekt für unsere Natur hat es definitiv, wenn wir uns einschränken. Mittlerweile gibt es auch eine Zahl dazu: 2020 waren es ganze sieben Prozent weniger CO2-Ausstoß als im vergangenen Jahr. Weniger Reisen und Flüge, weniger Konsum. Das Wirtschaftssystem mag darunter ächzen. Aber an vielen Stellen ist die Pandemie sicherlich auch Anlass dazu, umzudenken und Lösungen zu finden. Für mehr Homeoffice, weniger Dienstreisen, bewussteren und regionaleren Konsum. Grenzenlose Freiheit ist schön. Doch im Hintergrund kann man sich auch immer die Frage stellen: Wie oft schlägt sie in Egoismus des Menschen gegenüber der Natur und gegenüber anderen um?
Kommentar: Sabine Simon
Anmerkung der Autorin:
Diesen Text zu verfassen, war nicht einfach. Er soll Mut machen. Beim Schreiben ist da aber immer dieses „Hintergrundrauschen“ im Kopf: Wie fassen die Leser das alles auf? Wie werden die Kommentare dazu ausfallen? Fühlen sich Leute angegriffen?
Wie hart die Coronakrise einen trifft, ist individuell ganz unterschiedlich. Ganz verschieden fallen auch die Meinungen dazu aus, ob die Entscheider richtig auf die Krise reagieren. Unabhängig davon ist eines aber sicher: Wenn wir uns in Wut und Hass hineinsteigern, wenn wir mit Begriffen wie „Diktatur“ um uns werfen, wird eines immer schlimmer: das Klima in der Gesellschaft…