Regen. Da „Kroner Anderl“, wie er in Regen genannt wird, ist es gewohnt, auf der Bühne zu stehen – im sprichwörtlichen wie übertragenen Sinne. Als langjähriger hauptberuflicher Dirigent, Musiklehrer und Musiker weiß er, dass der Ton die Musik macht. Ähnlich ergeht es dem 33-Jährigen seit 1. Mai in seiner neuen Funktion als Bürgermeister der Stadt Regen. Ihm ist bewusst, dass ihm auf die Finger geschaut wird – und dass ein gutes Miteinander nötig ist, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Nicht nur all das erklärt der zweifache Familienvater im Hog’n-Interview. Der gelernte Einzelhandelskaufmann spricht zudem über aktuelle Themen in der Kreisstadt, die sich in die Kategorie „Pflichtaufgaben“ einordnen lassen – ebenso blickt er auf die kommunalpolitische „Kür“ Regens.
Herr Kroner, was glauben Sie: Sind Sie Everybody’s Darling?
(lacht herzlich) Weiß ich nicht. Kann ich nicht beurteilen. Ich versuche mein Bestes als Bürgermeister der Stadt Regen zu geben. Und natürlich ist es mir ein Anliegen, es allen recht zu machen. Es gibt kein Problem, für das es keine Lösung gibt.
Dass Ihr Beliebtheitsgrad durchaus hoch ist, haben sie aber wahrgenommen?
Ja (schmunzelt). Oft geht damit die Vermutung einher, dass ich nun als Bürgermeister anders sein könnte als zuvor, als ich noch Privatmensch war. Doch dieses Mal muss ich die Bevölkerung enttäuschen: Ich hoffe, es hat sich bereits rumgesprochen, dass ich mich nicht verändert habe. Ich bin, wie ich bin – und das wird auch so bleiben (lacht erneut).
Andersrum gefragt: Haben sich die Regener nach einen Bürgermeister dieser Art gesehnt? War ihre Vorgängerin anders?
Wiederum eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Puh, dieses Interview geht ja gut los… (überlegt) Auch wenn ich eine Antwort darauf hätte, würde ich sie nicht geben. Es steht mir nicht zu, über meine Vorgängerin zu urteilen.
„Zu 100 Prozent wird nie jeder zufrieden sein“
Haben Sie Angst davor, Teile der Bürgerschaft zu enttäuschen – was sicher in den nächsten Jahren der Fall sein wird? Als Bürgermeister ist es praktisch unmöglich, es allen recht zu machen.
Nächste Frage bitte (schmunzelt – dann ernst). Es wird nicht ausbleiben, dass ich jemandem auf die Füße steigen muss – das ist mir bewusst. In den bisherigen Monaten in diesem Amt habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass Gespräche das A und O sind. Redet man vernünftig mit allen und erklärt ihnen gewisse Vorgänge, sind die Probleme nicht so groß wie zunächst gedacht. Zu 1.000 Prozent wird nie jeder zufrieden sein. Aber zumindest kann – bei detaillierten Erklärungen – jeder gewisse Entscheidungen nachvollziehen. Nichtsdestotrotz werden sicherlich Situationen auf mich zukommen, in denen ich mit meinem Latein am Ende bin.
Der erste Winterdienst und die Frage „Wohin mit dem Schnee“ kommt bestimmt…
(lacht) Genau. Mit dem Rasenmähen ist es dasselbe. Ich bin also vorbereitet. Gravierende Themen (schmunzelt).
Sind Sie mit ihrem Charakter überhaupt dazu prädestiniert, Bürgermeister zu sein?
Ja, ich glaube schon, dass ich alles mitbringe, was man braucht, um ein guter Bürgermeister zu sein. Die wichtigste Eigenschaft aus meiner Sicht ist es, mit Menschen umgehen zu können. Und das kann ich.
Blicken Sie doch noch einmal auf den Wahlkampf zurück. Es war schon eine heikle, weil knappe und intensive Sache, oder?
Ich habe mich ja schon relativ früh positioniert. Dass dann noch so viele Mitbewerber kommen, hat mich sehr überrascht. Natürlich bin ich mit dem Ziel angetreten, Bürgermeister zu werden. Nichtsdestotrotz war es alles andere als ein Selbstläufer. Zu sicher gefühlt habe ich mich nie, weil so eine Wahl generell immer für Überraschungen gut ist.
In der Stadt Regen gibt es einige Dauerthemen. Punkt eins: die angespannte Finanzlage. Wie dramatisch ist die Situation?
Das Gute mal vorweg: Wir konnten in den vergangenen Jahren große Schulden abbauen – auch dank der Stabilisierungshilfen, die wir erhalten haben. Aktuell haben wir einen Schuldenstand unter 20 Millionen Euro. Zum Vergleich: Als ich 2009 in den Stadtrat nachgerückt bin, waren es noch 31 Millionen Euro. Es hat sich also was getan – im positiven Sinne. Nichtsdestotrotz müssen wir weiterhin sparen und somit den eingeschlagenen Weg fortführen. Hoffen wir nur, dass wir von größeren Folgen der Coronakrise verschont bleiben. Momentan sind wir noch auf Kurs.
Wie groß ist der Handlungsspielraum zum Kreativsein?
Ich würde das etwas anders formulieren: Man muss kreativ sein, weil der Handlungsspielraum oftmals sehr klein ist. Aber es ist klar, dass wir jetzt kein Hallenbad bauen können. Statt der Kür sind wir mit den Pflichtaufgaben gefordert. Doch auch im Alltäglichen ist Kreativität wichtig.
Viele Pflichtaufgaben, viele Kosten – aber wenig Geld
Beispielsweise bei der Kindergartenerweiterung. Es gibt ja deutlich zu wenig Plätze…
Ja, das ist bei uns eigentlich immer der Fall. Die Wartelisten sind nach wie vor lang – und das, obwohl wir dieses Thema zuletzt verstärkt angepackt haben. Gleich in der ersten Sitzung des neuen Stadtrates haben wir einen Waldkindergarten in die Wege geleitet, der innerhalb kürzester Zeit eröffnet hat. Weitere Maßnahmen sind am Laufen. Das Schwierige dabei: Bis wir neue Plätze geschaffen haben, sind sie bereits wieder vergeben. Das Beispiel Waldkindergarten zeigt jedoch, dass wir schnell handeln können, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir dieses Problem nach und nach aus der Welt schaffen.
Stichwort: Erweiterung der Gewerbeflächen, verbunden mit Grundstücksankäufen – sind Sie hier ähnlich optimistisch?
Eine weitere Angelegenheit, bei der wir von unserer Finanzlage abhängig sind. Mir war bewusst, dass das eines der ersten Dinge sein muss, mit denen ich mich als Bürgermeister beschäftige. Kann ich keine Parzellen anbieten, habe ich als Stadt verloren, ehe das Spiel beginnt. Ich kann nicht über fehlende Gewerbesteuern klagen, wenn ich nicht die Grundvoraussetzung für weitere Firmenansiedelungen schaffe. Wir sind an zwei Flächen dran. Spruchreif ist jedoch noch nichts. Aber dem Stadtrat ist klar: Wir dürfen nicht erst immer handeln, wenn eine Anfrage in Sachen Grundstückskauf da ist, sondern wir müssen vorher bereit sein.
Verhält es sich bei den Wohnbauflächen genauso?
Ja, auch hier sind wir dran. Derzeit überarbeiten wir den Flächennutzungsplan der Stadt. Unser Ziel muss sein, nicht nur neue Parzellen zu schaffen, sondern auch verstärkt Lücken zu schließen. Wir wurden ja von höheren Stellen dazu aufgefordert, den Flächenverbrauch einzudämmen. Insofern sind wir praktisch dazu verpflichtet, die zur Verfügung stehenden Flächen besser zu nutzen. Da es sich hierbei aber meist um Privatbesitz handelt, kann man sich vorstellen, wie schwierig das werden wird. Meine Bitte deshalb an alle Regener Bürger, die dieses Interview lesen: Wer die nächsten Jahre nicht daran interessiert ist, seinen im Besitz befindlichen Bauplatz zu bebauen, soll ihn bitte zum Verkauf anbieten – ansonsten müssen wir ihn aus dem Flächennutzungsplan nehmen.
Nach der Veröffentlichung dieses Gespräches bzw. dieser Zeilen wird wohl Ihre Beliebtheit schwinden…
Das ist mir durchaus bewusst. Auch wenn es hart klingt, aber uns sind die Hände gebunden.
Und schon sind wir bei der Innenstadtverdichtung, die in Regen ebenfalls oft diskutiert wird. Eng verbunden damit ist die hohe Verkehrsdichte in der Innenstadt. Welche Lösung haben Sie hierzu parat?
Hier hat sich bereits nachweislich eine Erleichterung eingestellt. Der provisorische Kreisverkehr am Moitzerlitzplatz hat zwar gut funktioniert, ist aber inzwischen wieder weg. Wir sind wieder zurück zur Ampel gegangen, weil es die beste und billigste Variante ist. Und dennoch hat sich die Verkehrssituation im unmittelbaren Stadtkern nicht verschlechtert. Nichtsdestotrotz bin ich nicht abgeneigt, generell in die Kreisverkehrsthematik einzusteigen – der Bauausschuss wird sich demnächst damit beschäftigen. Dieser Bereich gehört aber eher zu den Luxusthemen, nicht zu den Pflichtaufgaben.
Rodenstock-Gelände: „Darüber könnte man ein Buch schreiben“
Zu diesen gehört gewiss die Kanalsanierung. Ein großer Batzen kommt in diesem Zusammenhang auf die Stadt zu. Wie ist das zu stemmen?
Nicht auf einmal, sondern nur über viele, viele Jahre hinweg. Ich weiß nicht, warum, aber als es in den 90ern entsprechende Förderungen gegeben hatte, ist in Sachen Kanal bei uns nichts geschehen. Diese Versäumnisse müssen wir nun ausbaden. Es feid himmeweit – wir haben 70 bis 75 Rohrbrüche pro Jahr. Wir müssen eine Baustelle nach der anderen abarbeiten – und jährlich 500.000 Euro ins Kanalnetz stecken. Mehr ist nicht drin, weil wir die Kosten in Grenzen halten und sie nicht durch die Kanalgebühren auf die Bürger umwälzen möchten.
Bisher haben wir nur über Herausforderungen gesprochen, die die Stadt Regen nicht exklusiv vor der Brust hat. Es gibt aber auch einige Bereiche, wo Kreativität gefragt ist. Beispielsweise beim Rodenstock-Gebäude. Warum wurde hier ein Bürgerbegehren initiiert?
Puh, darüber könnte man ein Buch schreiben… Aber ich versuche das Ganze kurz zusammen zu fassen: Der EDEKA, der sich jetzt im Einkaufspark befindet, möchte über die Straße aufs Rodenstock-Areal wandern, um das sich ein Investor angenommen hat. Um diese Umsiedlung ist ein Streit entbrannt, der letztlich in einem Bürgerbegehren endete. Die Mehrheit hat sich nun dafür ausgesprochen, dass das Rodenstock-Gelände bebaut werden soll. Ich erwarte nun eine Stellungnahme der Regierung, was hier genau möglich ist. Dann müssen wir uns mit dem Investor kurzschließen, ob dies seinen Vorstellungen entspricht. Und dann schauen wir weiter…
Noch vor einiger Zeit wurde dieses Thema hier in Regen sehr hitzig diskutiert, inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet. Auch deshalb, weil die Stadt klar ihre Meinung dazu geäußert hat. Wir unterstützen jegliche Entwicklung auf diesem Gebiet, versuchen aber alle Interessierte mit ins Boot zu holen. Da ist der Investor auf der einen Seite – und das Kaufhaus Bauer sowie der Einkaufspark sprichwörtlich auf der anderen Seite. Uns war es sehr wichtig, dass letztgenanntes Regener Traditionshaus auch die Möglichkeit bekommt, das Rodenstock-Gelände zu nutzen – wie von ihnen gewünscht. Details würden dieses Interview sprengen. Aber ich denke, das war ein kurzer Überblick.
„Hatte den Eindruck, dass dieses Thema stirbt“
Letztes Kapitel: Das angestrebte „Grüne Zentrum“. Bitte erklären Sie dieses Projekt und den weiteren Verlauf.
Gleich zu Amtsbeginn habe ich bei der zuständigen Stelle angerufen und darauf hingewiesen, dass in dieser Angelegenheit seit einer halben Ewigkeit nichts mehr passiert ist. Ich hatte offen gesagt den Eindruck, dass dieses Thema stirbt. Mir wurde jedoch bestätigt, dass die geplante Maßnahme des Stadtkerns weiter auf der Agenda steht. Es wird wohl aber noch etwas dauern, bis der Stein endlich ins Rollen kommt. Keine einfache Baustelle.
Wir wünschen Ihnen bei all ihren „Baustellen“ viel Erfolg. Danke für das Gespräch.
Interview: Helmut Weigerstorfer