Waldkirchen. Dass Michael Stieglbauer beim Radsport gelandet ist, war eher dem Zufall bzw. den Gegebenheiten in seiner Kindheit in und um Sankt Englmar geschuldet, wie im Rahmen unseres Hog’n-Interviews deutlich wird. Und es blieb auch nicht bei einer platonischen Zweierbeziehung, die er nur sporadisch pflegte – der 38-Jährige, der inzwischen in Waldkirchen lebt, entwickelte eine große Leidenschaft für den Sport auf zwei Rädern. Michael Stieglbauer ist nicht nur ein überregional erfolgreicher Mountainbiker, sondern seit 2009 auch Chef seines eigenen Rennstalls, dem Stieglbauer Racingteam. Der angestellte eines Sportartikel-Ladens weiß also genau, wovon er spricht, wenn es um Radsport geht…
Michael, schaust Du eigentlich die „Tour de France“?
Natürlich. Da bin ich voll dabei. Dadurch, dass ich bereits seit einer halben Ewigkeit in der Radsport-Szene unterwegs bin, kenne ich einige der Fahrer persönlich – vor allem die Deutschen. Auch mit Sprint-Star Peter Sagan habe ich mich schon duelliert, er kommt ja ursprünglich vom Mountainbike-Fahren.
Sind bekannte Radrennfahrer nahbarer als beispielsweise Fußballprofis? Was glaubst Du?
Deutlich nahbarer, weil der Kosmos einfach kleiner ist. Bei großen Rundfahrten sind die Teams natürlich unter sich. Logisch. Denn da ist zwischen den einzelnen Etappen Ruhe und Erholung sehr wichtig. Auch muss die Konzentration hochgehalten werden. Im normalen Trainingsbetrieb beispielsweise sind die Profis aber sehr umgänglich. Mit Marcus Burghardt beispielsweise haben wir manchmal trainiert. Insgesamt haben die Radfahrer nicht die Star-Allüren wie die Fußballer.
„Die junge Generation steht für einen sauberen Sport“
Einstige Helden wie Eric Zabel oder Lance Armstrong haben mit ihren Doping-Geschichten vor Jahren dafür gesorgt, dass der Radsport für viele Fans zum roten Tuch avancierte. Wie groß war der Schaden, den diese Dopingsünder angerichtet haben?
Der mediale Schaden war natürlich riesig. Ich habe jedoch meine eigene Meinung zu diesem Thema: Ja, die angesprochenen Namen haben große Fehler gemacht, keine Frage. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass nicht nur im Radsport zu dieser Zeit gedopt worden ist. Hinter anderen Sportarten steckt allerdings deutlich mehr Geld, deshalb wurden da entsprechende Fälle eher verschwiegen. Der Imageschaden für den Radsport war freilich immens – viele Sponsoren waren in der Folge nicht mehr bereit, als Unterstützer aufzutreten. Wir Mountainbiker hatten allerdings etwas Glück, da wir ohnehin nicht so in der Öffentlichkeit stehen.
Hat sich Deine Sportart von diesem Tiefschlag inzwischen erholt?
Ja. Die junge Generation um Emanuel Buchmann steht für einen sauberen Sport. Deshalb haben die Fans wieder mehr Vertrauen in die Szene. Fest steht aber auch: Dopingsünder wird es immer geben. Gott sei Dank werden inzwischen die Kontrollen engmaschiger – und die Teamchefs sind ebenso sensibilisiert.
Hand aufs Herz: Ist Dir im Amateurbereich schon einmal Doping begegnet?
Nein, direkt noch nie. Angesprochen darauf, ob ich was nehmen möchte, wurde ich noch nicht. Mitbekommen hat man in dieser Hinsicht während einiger internationaler Rennen aber immer wieder mal etwas. An einen Konkurrenten kann ich mich erinnern, der überführt und gesperrt worden ist. Für mich gibt es bei diesem Thema keine zwei Meinungen. Ich bin Anti-Doping – mit Haut und Haar.
Kannst Du kurz beschreiben, warum das Radfahren genau Deine Sportart ist?
Eine explizite Erklärung gibt es hier gar nicht. Wenn man in einem kleinen Dorf aufwächst, ist es normal, dass man auf dem Rad zu den Freunden in die nächste Ortschaft fährt – das ist auf alle Fälle angenehmer als ein Fußmarsch (lacht). In Sankt Englmar hat es ein Sportgeschäft gegeben, das den Fokus auf Radsport gelegt hatte. Da ich den Besitzer näher kannte, hat er mich einmal zu einem Rennen mitgenommen. Scheinbar war man mit meiner Leistung zufrieden, denn ich wurde im Anschluss recht gelobt. Natürlich habe ich damals – wie jeder andere Bub – auch Fußball gespielt. In Mitterfirmiansreut war ich im Winter Dauergast. Irgendwann habe ich mich aber dazu entschlossen, alles auf die Karte Radsport zu setzen.
Was mir besonders an dieser Sportart gefällt: Es gibt keine Ausreden. Bleiben die Ergebnisse aus, ist die Schuld dafür ausschließlich bei einem selbst zu suchen und zu finden. Es gibt keine Alibis, weil auch das Material bei normaler Pflege sehr zuverlässig ist – und deshalb im Vergleich mit anderen Sportarten keine Rolle spielt.
„Für mich ist Radfahren auf keinen Fall langweilig“
Warst Du als junger Radrennfahrer in den frühen 90er-Jahren ein Außenseiter?
Freilich hat es den ein oder anderen schiefen Blick gegeben, wenn ich erklärt habe, nicht Fußball zu spielen. Ich war aber kein Außenseiter. Das liegt wohl auch daran, dass es auf dem Land ohnehin nur wenig Gleichaltrige gibt – und die einfach zusammenhalten. Mit steigendem Interesse am Radsport und nach den ersten Rennen habe ich dann viele neue Freunde aus diesem Bereich kennengelernt.
Was entgegnest Du denjenigen, die behaupten, es sei einfach nur langweilig mit dem Rad unzählige Kilometer abzuspulen?
Es ist doch ein absolutes Privileg, unsere Natur auf diese Art und Weise genießen und erleben zu können. Der typische Fitnessstudio-Besucher und Couch-Potatoe wird wohl nie Spaß an Bewegung – egal welcher Art – entwickeln können. Muss er auch nicht. Denn – Gott sei Dank – kann jeder selber entscheiden, was er macht. Für mich ist Radfahren auf keinen Fall langweilig, sondern ein großer Spaß. Und ein bisschen Quälen gehört doch zum Sport dazu – auch wenn das die meisten Fußballer nicht wissen.
Warum? Erzähl…
Wenn die Fußballer dreimal die Woche eineinhalb Stunden ein bisschen Ball spielen, glauben sie gleich, die besten Sportler überhaupt zu sein. Würden wir Radfahrer nur viereinhalb Stunden pro Woche trainieren, landen wir bei den Rennen definitiv auf dem letzten Platz…
Wie schaut dann bei Euch der Trainingsplan aus?
Ohne Wettkampf kommen pro Woche im Schnitt zehn bis zwölf Stunden im Sattel zusammen. Finden keine Rennen statt – und man kann am Wochenende auch noch vernünftig trainieren -, werden es locker 15 Stunden.
Der Trend der Jugend geht eher weg von sportlicher Aktivität, hin zu Spielekonsolen aller Art. Kannst Du das bestätigen?
Ja, das stimmt. Die junge Generation will sich nicht mehr schinden. Meiner Meinung nach sind nicht die Kinder selbst Schuld an dieser Entwicklung – sondern die Eltern. Diese sind beispielsweise nicht mehr dazu bereit, ihren Sonntag zu opfern, um den Nachwuchs zu den Rennen zu begleiten. Dem Nachwuchs wird auch nicht mehr vorgelebt, dass es draußen schön ist, dass frische Luft etwas Einmaliges ist.
Themawechsel: Du bist nicht nur Einzelsportler, sondern auch Teammanger, Chef des Stieglbauer Racing Teams. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wir haben viele Lizenz-Fahrer in unseren Reihen. Das heißt, wir sind ein beim Verband gemeldetes Radteam und dürfen bei internationalen Rennen in unseren Teamtrikots an den Start gehen. Dadurch, dass wir diese Erlaubnis haben, willigen wir einer Reihe von Vorschriften ein – u.a. versichern wir, nicht zu dopen. Wir müssen auch mit regelmäßigen Doping-Kontrollen rechnen – zwar nicht daheim, aber vor Ort bei Wettbewerben.
2009 gründete Stieglbauer mit seinem Vater das Racingteam
Gegründet habe ich das Team gemeinsam mit meinem Vater im Jahr 2009. Ich bin damals am Scheideweg gestanden, ob ich Profi werde oder nicht. Ich hatte auch zwei Angebote vorliegen, habe mich jedoch dagegen entschieden, weil mir die Perspektive gefehlt hat. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, Amateur zu bleiben und gleichzeitig ein eigenes Team zu gründen. Eigentlich war angedacht, mich etwas zurück zu ziehen und mich auf das Management zu konzentrieren. Inzwischen fahre ich wahrscheinlich mehr Kilometer als zuvor – und habe nebenbei noch das Team (schmunzelt).
Ihr seid also die Konkurrenten von Radsportvereinen?
Nein, überhaupt nicht. Und das möchte ich auch betonen. Ein Verein setzt auf Breitensport. Das normale Vereinsleben und den Wettkampf-Sport unter einen Hut zu bringen ist sehr schwierig – allein was die Finanzen betrifft. Oder wie soll man es einem normalen, zahlenden Mitglied vermitteln, dass das Geld fast ausschließlich in die Elitefahrer fließt? Wir hingegen konzentrieren uns nur auf Lizenz-Rennen. Und setzen eher auf den Einzelsportler als auf das große Ganze.
Aber in der Gruppe ist es doch einfacher, sich zu quälen, oder?
Natürlich. Man kann sich dann besser motivieren und hat auch mehr Spaß. Doch das wissen unsere Fahrer. Sie können klar zwischen Training und Wettkampf unterscheiden – und haben somit eine andere Herangehensweise als Mitglieder eines Radsportvereins.
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft
Interview: Helmut Weigerstorfer