Böhmzwiesel. Es gibt Menschen, die Spaß daran haben, ihre eigenen, körperlichen Grenzen erst auszuloten und dann zu überschreiten. Triathlet Florian Schedlbauer, der jüngst dem Onlinemagazin da Hog’n Rede und Antwort stand, ist so ein Typ. Und auch Barbara Poxleitner gehört zur Gattung derjenigen Ausdauersportlerinnen, die man öffentlich gerne als verrückt erklärt, sie aber insgeheim aufgrund ihrer Kondition bewundert, ja vielleicht sogar beneidet. Die 34-Jährige ist Mutter dreier Kinder (5, 6 und 8), Erzieherin und konditionsstarke Allrounderin. Die für den WSV Otterskirchen startende Böhmzwieselerin beweist Steherqualitäten – privat, beruflich und sportlich.
Barbara, ganz ehrlich: Ist (Ausdauer-) Sport für Dich eine Art Sucht?
Ganz ehrlich? In gewisser Weise ja. Ein Leben ohne Sport ist im Moment jedenfalls nur schwer vorstellbar. Ich muss mich fast schon ein bisschen dazu zwingen, mal einen Tag komplett zu pausieren (lacht). Diese Lücke fülle ich dann mit regenerativen Einheiten, einem Spaziergang mit der Familie, Dehnen, Faszientrainin – irgendwas geht immer.
Egal, ob Trail, Halbmarathon oder 10-Kilometer-Lauf – Du bist viel in der Natur unterwegs. Bleibt während dieser Einheiten noch ein Blick für Flora und Fauna übrig? Oder bist Du komplett im Tunnel?
Ich würde mich als Läuferin bezeichnen, die es liebt, abseits der Straße zu laufen. Der Begriff „Trailrunning“ ist ja momentan sehr in. Aber es stimmt schon, sobald ich meine Laufschuhe schnüre, zieht es mich in die Natur, den Wald und auf kleine verwurzelte Singletrails hinaus. Da ich viele Einheiten von zu Hause aus laufe, ist es leider unumgänglich, einen Teil auf der Straße zu verbringen. Doch – Gott sei Dank – lebe ich sehr ländlich und habe sofort tolle Wege und knackige Anstiege vor der Haustür.
„Wenn man glaubt, ewig weiterlaufen zu können“
Dabei ist mein Blick immer offen für die Besonderheiten und Schönheiten in der Natur auf meiner Laufstrecke. Es ist aber schon so, dass ich – je nach Trainingseinheit und Intensität – mehr oder weniger darauf fokussiert bin. Bei anstrengenden Bergsprints oder Intervallen – meist noch mehrere Male den selben Anstieg hintereinander hoch – schaue ich eher auf die Uhr als auf die Umgebung um mich herum. Wenn ich aber einen langen Dauerlauf oder auch eine entspannte Einheit im Grundlagenbereich einplane, nehme ich gern mein Handy mit und bin quasi auf der Suche nach besonderen Motiven – ein kleines Hobby nebenbei ist nämlich die Fotografie.
Welche Momente faszinieren Dich besonders?
Es ist unbeschreiblich, wie wundervoll sich am sehr frühen Morgen der Wald zeigt – ab und an bin ich ja schon um halb 6 Uhr unterwegs. Um diese Uhrzeit hat die Welt eine ganz besondere Magie. Statt dem besagten „Tunnel“ stellt sich bei mir nach einigen Kilometern eher ein gewisser „Flow“ ein. Läufer kennen vielleicht den Begriff. Es läuft sich praktisch von allein – ohne Kraftanstrengung, einfach purer Laufgenuss. Das ist der schönste Moment überhaupt, wenn man glaubt, ewig weiterlaufen zu können.
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Du Dich für Ausdauersportarten begeisterst?
Wahrscheinlich ist es Veranlagung. Mein Bruder Maximilian Hoffmann ist ja auch kein Unbekannter in der Szene. Auch meine Eltern haben in jüngeren Jahren Laufsport betrieben – mein Vater hat beispielsweise mehrmals an Marathonläufen teilgenommen. Mir hat es schon immer imponiert, wie sich manche Menschen schinden können – und auch noch Spaß dabei haben. Vor meinem Wechsel zum Laufsport habe ich an vielen lokalen Mountainbike-Rennen teilgenommen – wie das 24-Stunden-Rennen in Waldkirchen. Solche Wettkämpfe haben für mich immer eine ganz besondere Stimmung – und es macht mir einfach Spaß unter Gleichgesinnten zu sein. Außerdem habe ich mit der Zeit gemerkt, dass es mir auch eine gewisse Genugtuung gibt, an meine Leistungsgrenzen zu gehen und diese nach und nach immer höher zu setzen. Ich würde mich als ehrgeizigen Menschen bezeichnen, deshalb sind manche Erfolge natürlich auch das Ergebnis intensiven Trainings.
Eine immer wieder in diesem Zusammenhang gestellte Frage: Wie intensiv ist Dein Kampf mit dem „inneren Schweinehund“?
Natürlich kenne ich das besagte Tier (lacht). Meiner Meinung nach sollte man es dann auch mal gewähren lassen, wenn es sich zeigt. Der Körper sagt ganz bewusst und klar, wann er genug hat und eine Pause braucht. Ich kann mich glücklich schätzen, nicht so oft in ein Motivationsloch zu fallen. Ich habe einfach Spaß am Laufen und muss mich nicht überwinden dazu. Ich freue mich eigentlich jeden Tag aufs Neue darauf. Viele Hobbyläufer laufen jedes Mal stupide dieselbe Runde, in immer gleicher Pace. Das ist mit der Dauer natürlich fad – logisch, dass man sich da eher aufrappeln muss. Ich habe hingegen immer ein gewisses Repertoire an Strecken, Höhenmetern, Umfängen, Hotspots in meiner Umgebung. So wird es nicht langweilig – und ich kann dies auch gezielt meinem Training anpassen.
„Mama, wo gehst Du hin?“ – „Ich bin schon wieder da“
Dein sportliches Hobby ist sehr zeitintensiv. Wie viele Stunden trainierst Du wöchentlich?
Das hängt natürlich davon ab, ob ich mich gezielt auf einen Wettkampf vorbereite oder mich in der Nebensaison befinde. Mein Training besteht auch nicht nur aus reinem Laufen. So mache ich auch Krafttraining, Stabitraining usw. Außerdem bin ich beim RSC Waldkirchen aktiv und deshalb auch ab und zu aufm Radl anzutreffen. Klettern, Fitness – eigentlich alles, was mit Sport zu tun hat – zähle ich außerdem zu meinen Hobbys. Müsste ich einen Wert angeben, komme ich wöchentlich durchschnittlich sicher auf zehn Stunden Sport und ca. 40 bis 60 Lauf-Kilometer.
Was entgegnest Du denjenigen, die behaupten, Du seist wegen Deiner Passion zu egoistisch – und Mann sowie Kinder würden auf der Strecke bleiben?
Da würde ich klar sagen: Diese Behauptung ist falsch. Wer mich kennt, der weiß, dass meine Familie an oberster Stelle steht – klar vor dem Laufsport. Meine Trainingseinheiten spule ich zum Großteil sehr früh morgens oder abends ab. In diesen Zeiten kann ich ohne schlechtes Gewissen trainieren – und meine Familie merkt oft gar nicht, dass ich weg bin (lacht). Es kommt schon mal vor, dass ich nach einem zweistündigen Lauf wieder um 7 Uhr morgens daheim ankomme und meine Kinder mich fragen: „Mama, wo gehst Du hin?“ Meine Antwort: „Ich bin schon wieder da.“
Außerdem haben mein Mann und ich einen guten Kompromiss gefunden. Er kann seinen Hobbys nachgehen, ich meinen. Niemand bleibt auf der Strecke. Und es liegt mir auch fern, meine Kinder fremdbetreuen zu lassen, nur damit ich Laufen gehen kann. Es ist schließlich immer noch ein Hobby und kein Beruf. Und da hat die eigene Familie einfach Vorrang.
Familie, Beruf und Hobby sind also definitiv vereinbar?
Ja, für meine Familie und mich schon. Ich versuche ja auch ein Vorbild für meine drei Kinder zu sein. Und sie haben definitiv, genau wie ich, viel Spaß an Sport und Bewegung. Es gab Zeiten, da war ich mit Luise und Jakob im Babyjogger unterwegs – und Paul aufm Laufrad im Schlepptau. Jetzt sind sie alle drei fit mit dem Radl unterwegs und ich hechle laufend hinterher. Lange Einheiten kombiniere ich darüber hinaus gern mit einem Besuch bei der Oma – das heißt: Mann und Kinder fahren mit dem Auto hin, ich lauf. Und für meinen Beruf als Erzieherin ist es auch von Vorteil, wenn ich fit und ausgeglichen bin. Bei uns im Kindergarten bin ich auch vorwiegend für Sportangebote zuständig. Sogar eine Laufgruppe hatten wir im letzten Kiga-Jahr.
Besteht Deiner Meinung nach die Gefahr, dass Du den gesunden Mittelweg verlierst – und Du zu extrem wirst?
Nein, da erdet mich mein Mann zu sehr (lacht). Es kommt eher vor, dass mich Christian zum Laufen schickt, sobald er merkt, dass ich irgendwie gestresst oder unausgeglichen bin. Eine Steigerung ist aber natürlich schon noch drin. Wenn meine Kinder selbstständiger sind und ich mehr Zeit habe, hätte ich schon noch ein paar Ziele und Wettkämpfe, mit denen ich liebäugle. So wäre ich diese Saison beispielsweise beim UTLW, Lindkogel Trail, bei der Walser Trail Challenge und dem Innsbruck Alpine Trailrun Festival gestartet. Leider hat mir Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Barbara Poxleitner ist eher die „Bergziege“
Ausdauersportarten gelten gerne als „langweilig“ und etwas „eintönig“. Welche Tipps hast Du für Hobbysportler – vor allem für die Anfänger -, die mit der Attraktivität des Laufsports zu kämpfen haben?
Setz‘ Dir ein Ziel nach dem anderen. Für manche ist es einfach, mal nur drei Kilometer am Stück zu laufen. Andere möchten zehn Kilometer unter einer Stunde schaffen. Die Steigerung kommt von allein. Versuche heraus zu finden, was deinen Stärken sind. Eher schnell und flach, oder steil und technisch. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich nach und nach herauskristallisiert, was einem mehr liegt – und wobei man mehr Freude hat. Auch eine Laufgruppe kann helfen sich zu motivieren. Übrigens: Ich würde mich eher als „Bergziege“ bezeichnen.
Eine prima Motivation ist auch der „FRG Virtual run“, eine tolle Idee der DJK-SG Schönbrunn am Lusen. Leider können ja wegen der Pandemie keine Sportveranstaltungen stattfinden. Auf diese Weise kann man sich trotzdem messen und bekommt einen gewissen Anreiz sein Training nicht schleifen zu lassen.
Hat Laufen generell ein Imageproblem – oder ist ein Aufschwung erkennbar?
Meiner Meinung nach ist Laufen – vor allem Trailrunning – momentan stark im Kommen. Die Ausgansbeschränkungen der Coronakrise tragen da natürlich auch dazu bei. Laufen ist einfach: Schuhe an und raus – wenn’s sein muss auch allein. Oder eben auf virtueller Ebene vernetzt. Daher ist insgesamt klar ein Aufschwung erkennbar. Ich finde, es ist auch ein gewisser Wandel in der Einstellung der Bevölkerung erkennbar: Man möchte etwas für seine Gesundheit tun, fit bleiben, sportlich sein – oder einfach nur abnehmen. Hauptsache, es macht Spaß (lacht).
Spaß gemacht hat auch das Gespräch mit Dir. Alles Gute für die Zukunft und xsund bleim.
Interview: Helmut Weigerstorfer