Tittling. Wenn Svenja Schober-Weidinger mit ihrem einjährigen Sohn unterwegs ist, erntet sie schon mal ungläubige oder auch kritische Blicke: Denn ihr Kind trägt meist keine Windel. Svenja praktiziert das Konzept „Windelfrei„. Was dahinter steckt und wie es funktioniert, möchte sie auch anderen Müttern zeigen. Denn ihr Sonderweg hat drei große Vorteile: Eltern sparen Geld und vermeiden jede Menge Windel-Müll. Außerdem müssen sie ihrem Kind die Windel später nicht mehr abgewöhnen.
„Windelfrei hat nichts mit sauber werden zu tun“, betont Svenja. Von Geburt an sauber bleiben statt später mühsam wieder sauber werden: Das steckt hinter dem Konzept, bei dem die Eltern ihrem Baby möglichst selten eine Windel anziehen, um ihr Kind nicht daran zu gewöhnen. Trägt ein Baby immer eine Windel, verliert es dadurch sein natürliches Gefühl dafür, seine Ausscheidungen zu kontrollieren, sagt Svenja.
Viele reagieren irritiert, wenn ein Einjähriger die Toilette benutzt
Die 31-Jährige hat sich nach der Geburt ihres Sohnes eingehend mit dem Thema „Windelfrei“ beschäftigt, alles dazu gelesen, was sie in Büchern und im Internet dazu finden konnte. Nun möchte sie andere Mütter und Väter beraten, die sich für diese Methode interessieren. „Bisher kenne ich nur eine einzige Mama aus Passau, die es so macht wie ich“, sagt Svenja. Weil kaum jemand das Konzept dahinter kennt, reagieren viele irritiert, wenn sie mitbekommen, dass Svenjas einjähriger Sohn die Toilette benutzt – und auch unterwegs meist nur eine dünne Stoffwindel trägt.
„Ich habe eigentlich immer und überall sein Töpfchen dabei“, lacht die selbständige Pilates-Trainerin. Bevor sie beispielsweise mit ihrem Sohn zum Kinderarzt geht, lässt sie ihn im Auto sein Geschäft erledigen. Das klappt in der Regel reibungslos. „Aber das heißt nicht, dass er nie eine Windel getragen hat“, betont sie. Das Motto lautet viel mehr: Jede eingesparte Windel ist gut, spart Geld und Müll.
Wichtig sei das Baby möglichst häufig „abzuhalten“, also ihm zu ermöglichen, sein Geschäft ohne Windel zu erledigen – auf dem Töpfchen, auf der Toilette oder am Wickeltisch. Damit das klappt, müssen die Eltern lernen, diejenigen Signale zu erkennen, mit denen das Baby ankündigt, dass es mal muss. „Mein Sohn ist dann immer sehr unruhig“, sagt Svenja. Das sei ganz zu Beginn auch der Grund gewesen, ihn windelfrei aufwachsen zu lassen: Sie habe bemerkt, dass er es gar nicht mochte, die Windel schmutzig zu machen. Zudem hatte er bereits kurz nach der Geburt in der so genannten Windelzone mit Hautproblemen zu kämpfen.
„Lächeln, wischen, weitermachen“
Natürlich klappt es nicht immer, die Signale rechtzeitig und zuverlässig zu erkennen. „Es geht auch mal was auf den Teppich“, räumt die Tittlingerin ein. „Dann heißt es: Lächeln, wischen, weitermachen.“
Das Wichtigste bei einer windelfreien Erziehung sei, dass sie immer ohne Druck abläuft, sagt Svenja. Bisher waren es immer kleinere Pfützen, die sie wegwischen musste. Größere „Unfälle“ gab es bei ihrem Kind bisher nie. „Kompliziert und stressig finde ich die windelfreie Methode keinesfalls“, berichtet sie. Weitaus unangenehmer sowie unhygienischer empfinde sie es, ein dreijähriges Kind zu wickeln, als einem Baby ein Töpfchen unterzuhalten.
Unterwegs könne auch ein Windelfrei-Bub oder -Mädchen jederzeit eine Wegwerf- oder Stoffwindel tragen. Sie selbst zieht ihrem Sohn Windelfrei-Hosen an, die im Schritt offen, aber überlappend genäht sind. Auch spezielle Stoffwindeln gibt es, die sich vorne aufklappen lassen und vor dem Toilettengang nicht komplett ausgezogen werden müssen.
Ein Nässegefühl spüre das Kind bei solchen Windeln trotzdem. So gewöhnt es sich wiederum nicht daran, ständig in die Windel zu machen. Das konventionelle „Töpfchen-Training“ muss es daher später nicht absolvieren: Denn das Kind weiß, wann es zur Toilette muss und signalisiert seiner Mama immer, wenn es soweit ist. Windelkinder tun das irgendwann nicht mehr – was es schwieriger macht, ihnen die Windel abzugewöhnen.
„Muss der Kleine denn schon trocken sein?“
Svenja hofft, dass das Windelfrei-Konzept auch in der Region bald bekannter wird. Und dass sie dann seltener den Satz zu hören kriegt: „Muss der Kleine denn schon trocken sein?“
Sabine Simon