Montag, 04. Mai: Deutschland ist das Land der Frühbucher-Rabatte. Wir planen gerne schon zu Jahresbeginn, wann und wo wir unseren Jahresurlaub verbringen. Im Sommer 2020 ist das nicht möglich. Bundeskanzlerin Angela Merkel will derzeit noch keine Prognosen für den Juli oder August abgeben. Nicht nur die deutsche Reisebranche hofft darauf, dass wir zur Hochsaison wieder freizügiger sein werden. Für mich steht aber bereits jetzt fest: Den Sommer 2020 werde ich so verbringen, wie ich die Sommerferien meiner Kindheit verbracht habe: zu Hause.
Ich erinnere mich noch genau an die erste „große“ Reise meines Lebens: Ich war zehn Jahre alt und wir fuhren mit dem Auto nach Mecklenburg-Vorpommern. Wir besuchten kurz nach der Wende die ostdeutsche Verwandtschaft meines Onkels, durften in einem Ferien-Bungalow in einer Kleingartensiedlung unseren Urlaub verbringen – und ich sah zum ersten Mal das Meer: Es war kalt und windig und an Baden in der Ostsee nicht zu denken…
Der eigene Garten wird zum Campingplatz
Auch wenn ich als Schulkind von Jahr zu Jahr neidischer auf Klassenkameraden wurde, die ihre Ferien in Italien, Frankreich oder Spanien verbrachten, während mir nur das heimische Freibad blieb: Im Rückblick erinnere ich mich sehr gerne an die langen Sommer daheim. Und deshalb sehe ich momentan keinesfalls mit Wehmut voraus auf den Corona-Sommer 2020, sondern erinnere mich daran, wie man das Beste daraus machen kann, wenn man den Urlaub im eigenen Garten verbringt.
Was dabei nie fehlen durfte, war das Zelt. Campen unterm Zwetschgenbaum. Und wenn mich und meinen Bruder dabei ein Gewitter überraschte, war das rettende Haus zum Glück nur wenige Schritte entfernt. Ich habe meinem Sohn bereits fest versprochen: Sobald es warm genug ist, schlafen wir draußen im Zelt. Oder im Wohnwagen.
In den vergangenen Jahren hatten wir diesen meist bereits im Mai an den Moldaustausee gezogen. Auf einem Campingplatz bei Horní Planá waren wir bereits Stammgäste. Wir ließen unser mobiles Zuhause mehrere Wochen oder sogar den ganzen Sommer über dort stehen und verbrachten so viele Wochenenden und warme Sommertage wie möglich am großen See im Nachbarland – mit Sandstrand für die Kinder und gemütlichen Abenden am Wasser.
Nun ist die Grenze dicht und weder Ausflüge mit dem Auto noch Fahrradtouren oder Zugfahrten an den Lipno sind derzeit möglich. Unser Wohnwagen bleibt zu Hause. Auch die geplante Tour nach Italien im August machen wir in diesem Jahr lieber nicht- wenn sie denn überhaupt möglich wäre. Raus aus dem Unterstand darf der Wohnwagen trotzdem bald: Wir werden den Corona-Sommer nutzen, um ihn endlich auf Vordermann zu bringen. Polster aufmöbeln, neue Vorhänge anbringen, für die Kinder eine Piraten-Schlafecke gestalten.
In Gedanken beim Campingplatz-Betreiber…
Ich gebe es ganz offen zu: Ich bin in der komfortablen Lage, dass ich schon viel von der Welt gesehen habe. Während meines Studiums und in den ersten Jahren meines Berufslebens habe ich Europa erkundet, saß beruflich viel im Flieger und kann auf meiner ganz persönlichen Reise-Weltkarte auch Traumziele wie die Malediven und Neuseeland abhaken. Wer dagegen für dieses Jahr eine lang ersehnte erste Fernreise geplant und vielleicht auch lange darauf gespart hat, tut sich definitiv schwerer, die Lage einfach als gegeben hinzunehmen und Reisen um ein Jahr zu verschieben.
Und alle, deren Arbeitsplatz oder Einkommen vom Tourismus abhängig ist, stehen schlicht und einfach vor dem schwärzesten Jahr ihres (Berufs-)Lebens. Wenn ich also in diesem Sommer im eigenen Garten vor dem Wohnwagen am Lagerfeuer sitze, werde ich definitiv an den Besitzer des Campingplatzes am Moldaustausee denken und ihm alle Daumen drücken, dass er das Jahr gut übersteht – und wir ihn im nächsten Jahr wieder besuchen können…
Sabine Simon