Tausende Pendler aus Tschechien dürfen die Grenze seit heute Nacht nicht mehr passieren. Bei Ärzten und Pflegern lenkt man nun ein.

Donnerstag, 26. März: Es ist ruhig geworden hier in Frauenberg. Das fällt mir schon morgens beim Zähneputzen auf, wenn ich aus dem Badezimmerfenster hinunter auf die Staatsstraße schaue. Letzte Woche noch herrschte hier jeden Morgen reger Verkehr. Nun fährt nur noch vereinzelt ein Auto vorbei. Das hat zwei Gründe: Die Parat, einer der größten Arbeitgeber in der Gegend, hat am Montag die Produktion eingestellt (Bericht dazu folgt demnächst auf dem Hog’n). Und: Die tschechische Grenze ist nun auch für (die meisten) Berufspendler dicht.

Seit heute Nacht ist die Grenze nach Tschechien auch für Berufspendler geschlossen. Ein weiterer harter Einschnitt in der Coronakrise.

Dass es sehr viele dieser Pendler gab, wird mir jetzt erst so richtig bewusst. Viele tschechische Pkw begegneten mir an einem normalen Morgen vor der Coronakrise, wenn ich Richtung Bischofsreut unterwegs war. Von insgesamt 55.000 betroffenen Pendlern, die aus Tschechien jeden Tag nach Bayern gekommen sind, spricht ein Beitrag der gestrigen „ZDF heute“-Nachrichten. Die Autoschlange an der Grenze in Philippsreut war in den vergangenen Tagen mehrere Kilometer lang, als noch alle Berufspendler nach Deutschland durften, aber kontrolliert wurden.

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Pendler arbeiten jedoch nicht nur in Unternehmen und Hotels, sondern auch im Gesundheitssystem. Wie viele Ärzte und Pflegekräfte jeden Tag über die Grenze kommen, lässt sich schwer recherchieren. Man erfasse die Privatadressen niedergelassener Ärzte nicht, teilt Alexander Heise von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) auf Hog’n-Nachfrage mit. Und auch das Landratsamt Freyung-Grafenau kann keine konkreten Zahlen nennen.

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Für viele Pendler eine dramatische Entscheidung

Mit einem tschechischen Pendler habe ich gesprochen. Auch er arbeitet im Gesundheitswesen, möchte aber nicht namentlich genannt werden. Er könne die Maßnahme der Grenzschließung durchaus verstehen, sagt er. Schließlich sei der Weg über die deutsch-tschechische Grenze die letzte halbwegs offene Verbindung, durch die das Virus auch das Nachbarland mehr und mehr erreichen könne. Das wolle auch er nicht.

Plötzlich ist da wieder eine geschlossene Grenze. Symbolbild: pixabay_mnswede70

Doch dann schildert er, wie dramatisch die Situation nun für ihn geworden ist. Selbst am Telefon merke ich sofort, wie aufgewühlt er ist. Er möchte hier in Deutschland niemanden im Stich lassen. Aber hier bleiben und die Familie wochenlang nicht sehen? Sie in dieser schweren Zeit nicht unterstützen können? Nicht nach Hause können und sich dort von den anstrengenden Arbeitstagen erholen? Das kommt für ihn auch nicht in Frage. Bis gestern wusste er nicht, was er machen soll…

Dann die erlösende Nachricht: Die tschechische Regierung lenkt am Mittwoch Abend ein. Angehörige des Gesundheits- und Rettungswesens sowie der sozialen Dienste dürfen die Grenze nun doch weiterhin täglich passieren. Eine wichtige Entscheidung.

Für die allermeisten bleibt die Grenze allerdings dicht. Das bereits stark miteinander verwachsene Grenzgebiet wird nun wieder durch eine geschlossene Grenze getrennt. Europa zerfällt in der Coronakrise rasend schnell in seine Einzelstaaten, die zumeist als nationale Einzelkämpfer auftreten.

Getrennt auch im eigenen Land

Doch nicht nur die Landesgrenze trennt derzeit. Ich weiß, dass heute auch für meine Cousine kein leichter Tag ist: Sie wird heute 18 Jahre alt. Sie hatte Familie und Freunde eingeladen, wollte diesen so besonderen Tag groß feiern. Nun kann ich nur telefonisch gratulieren, statt sie zu umarmen. Beim Geschenk habe ich mich für etwas entschieden, das einem momentan geschlossenen Restaurant zumindest ein kleines bisschen helfen kann: einen Essensgutschein. Wir können ihn hoffentlich bald mit dem Geburtstagskind einlösen…

Sabine Simon

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Im Rahmen des Hog’n-Corona-Tagebuches beschreiben die Hog’n-Redakteure Sabine Simon, Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer abwechselnd die Auswirkungen der sog. Corona-Krise auf ihr Privatleben, auf ihr Umfeld und die generelle Situation im Bayerischen Wald.

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