Freyung. Vor wenigen Tagen sorgte die hauseigene Apotheke der Kliniken am Goldenen Steig für Schlagzeilen: Mit Hilfe von hochprozentigem Neutralalkohol aus dem Hause Penninger stellt das Team von Apothekenleiter Dr. Otto Wiederer seit rund zwei Wochen selbst Händedesinfektionsmittel her. Lieferengpässe in Zeiten der Coronakrise werden auf diese Weise schnell und unkompliziert gelöst. Das Onlinemagazin da Hog’n hat nachgehakt, wie es zu der Idee kam – und auf welche weiteren Schwierigkeiten sich die Klinikapotheke derzeit einstellen muss.
„Letzte Woche stand das Telefon hier nicht mehr still“, sagt Stefan Penninger, Geschäftsführer der gleichnamigen Brennerei, die seit 1. April nun offiziell in Waldkirchen ihren Firmensitz hat. Alle wollten sie einen in diesen Tagen äußerst begehrten Rohstoff bei ihm erwerben: Alkohol. Die erste Anfrage kam vor etwa zwei Wochen vom Klinikum Regensburg. Doch bevor Penninger sein wertvolles Gut Abnehmern von außerhalb anbot, tat er dies zuallererst im eigenen Landkreis: „Ich habe Landrat Sebastian Gruber eine Nachricht geschrieben, ob die Landkreis-Kliniken Bedarf haben“, erzählt der Brennerei-Inhaber. Kurz darauf habe die Klinikapotheke tausend Liter von ihm geliefert bekommen – und wenig später gleich nochmal so viel. Eine Aktion, über die auch die renommierte „New York Times“ berichtete.
Auch Flaschen für Desinfektionsmittel sind Mangelware
„Bis Ende Mai darf jede Apotheke selbst Desinfektionsmittel herstellen“, erklärt Dr. Otto Wiederer, der Leiter der Klinikapotheke am Freyunger Krankenhaus. Der Bedarf war da: „Wir hatten nicht mehr genug für den Normalbetrieb“, sagt der Apotheker. Das Problem entstand, weil vor der Coronakrise keine größeren Vorratsbestände angelegt wurden. Dies sei bisher nicht nötig gewesen: „Wenn wir Nachschub bestellt haben, kam die Lieferung innerhalb von ein bis zwei Tagen.“
Nun jedoch hieß es bei den Kliniken am Goldenen Steig: Mehrbedarf durch Corona sowie einer weltweit gestiegenen Nachfrage nach Desinfektionsmittel. Gut, dass es für diesen Engpass eine schnelle und unkomplizierte Lösung gab. „Wir haben bereits genug produziert für die nächsten vierzehn Tage“, sagt Wiederer. „Und wir können die Produktion auch jederzeit wieder hochfahren, wenn noch mehr Bedarf besteht.“
Derzeit steht ihm eine Praktikantin zur Seite, die sich vorrangig um das Händedesinfektionsmittel kümmert: Carola Pledl, die schon bald ihr drittes Staatsexamen als Pharmazeutin absolvieren wird. Sie und die anderen Apotheken-Mitarbeiter haben nun reichlich Übung im Herstellen von Desinfektionsmittel nach einer Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sammeln können. Etwa vierzig Liter produzieren sie momentan täglich.
Ein weiteres Problem habe man in Zusammenarbeit mit dem gesamten Klinikpersonal jüngst lösen können: „Uns fehlten Flaschen für das selbst hergestellte Desinfektionsmittel“, berichtet der Apothekenleiter. Man habe daher ein eigenes System entwickelt, um gebrauchte Flaschen wiederverwenden zu können: Diese werden zunächst sterilisiert und im Anschluss wieder befüllt.
„Wir können uns zurzeit nicht ausruhen“
Große Nachfrage herrscht in der Coronakrise aber nicht nur in Sachen Desinfektionsmittel: „Auch bei den Antibiotika haben wir aufgerüstet“, informiert Dr. Wiederer weiter. Man habe hier die Bestände hochgefahren, da Lieferschwierigkeiten zu erwarten seien: „Bis jetzt erhalten wir die Medikamente noch. Doch wir waren auch in den vergangenen Jahren bereits gebeutelt“, beklagt der Apotheken-Chef. „Lieferschwierigkeiten aus China oder Indien gab es schon häufiger.“ Daher sei auch aktuell damit zu rechnen.
Und noch etwas stellt sein Team derzeit in größeren Mengen her als im Normalbetrieb: Medikamente für Beatmungspatienten. „Für bestimmte Bereiche gibt es hier bereits Vorwarnungen“, sagt Dr. Wiederer. Er verfolge jegliche Nachrichten aus dem Klinikbereich und sei daher jederzeit gerüstet Löcher zu stopfen, wo sie gerade entstehen.
In den Kliniken am Goldenen Steig werde jeden Tag der Bestand geprüft und eine Übersicht dazu angefertigt, was vorhanden ist und was gebraucht wird. Positiv sei, dass im Bereich der Schutzkleidung Wiederer zufolge bereits eine Entspannung der Lage in Sicht ist: „Wir erhalten mittlerweile etwa dreißig Prozent von dem, was wir bestellt haben.“ Immerhin für die nächsten zwei Wochen reiche die Schutzausrüstung nun aus.
„Wir können uns zurzeit nicht ausruhen“, sagt Dr. Wiederer. „Der Krisenmodus hat bereits eingesetzt.“ Seinen Schreibtisch verlasse er derzeit meist erst gegen 19 Uhr – also dann, wenn wirklich alles erledigt sei. „Sonst wache ich nachts auf und mir fällt ein, was noch zu tun gewesen wäre.“ Allabendliches Abschalten gelinge ihm jedoch meist ganz gut. „Ich lese gerade Doktor Schiwago„, erzählt er und schmunzelt. „Das waren auch schwere Zeiten damals.“
Dr. Otto Wiederer hofft, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus bald greifen und sich die Lage in den Krankenhäusern nicht zuspitzt. Der Normalbetrieb müsse schließlich auch weiterlaufen – und der bietet für die Klinikapotheke durchaus Herausforderungen: Ganz neu ist das Zytostatika-Labor, das Dr. Wiederer und seine Mitarbeiter gerade eingerichtet haben und für das es zahlreiche Vorschriften und Anforderungen gibt. Hier wollen sie schon bald Medikamente für Krebspatienten herstellen. „Individuell für jeden Einzelnen bereiten wir dort dann Infusionen zu.“
Wie lange wird der Alkohol reichen?
Das Desinfektionsmittel stellt derzeit also kein Problem mehr dar. Allerdings drückt Brennerei-Chef Stefan Penninger sogleich auf die Euphorie-Bremse, denn: Auch sein Betrieb könne nun vorerst keinen weiteren Neutralalkohol mehr zur Verfügung stellen. „Aktuell kann ich keinen nachbestellen“, gibt er unumwunden zu. Zieht der Engpass beim Desinfektionsmittel nun also einen Engpass in Sachen Alkohol nach sich? Zwei bis drei Wochen reichen der Brennerei die eigenen Alkoholbestände noch, um weiterhin Blutwurz und Gin zu produzieren, teilt Stefan Penninger mit. Bis dahin heißt es: Hoffen auf Nachschub…
Sabine Simon