Kinder sitzen unter dem geschmückten Tannenbaum und öffnen ihre bunt verpackten Geschenke: Es ist Weihnachtszeit. Doch früher, bevor das Christentum es durch Weihnachten ersetzt hatte, feierte man das Fest zur Wintersonnenwende. Die dunkelste Nacht des Jahres steht bevor: das keltische Julfest. Auf den Spuren von alten Ritualen haben wir im Folgenden dazu die wichtigsten Daten zusammengetragen. Jul – ein Fest, das auch heute noch viele am 21. Dezember feiern.
Vier große Sonnenfeste und vier dazwischen liegende Mondfeste: Die ursprünglich keltischen Jahreskreisfeste zeigen den Menschen die Veränderungen in der Natur auf und erinnern sie an ihre Verbundenheit zu Mutter Erde. Das Hauptthema des Julfestes ist das innere Licht, wie auch Heilpraktikerin Catherine Weitzdörfer, die eine Praxis für klassische Homöopathie und Gesprächstherapie leitet, auf Hog’n-Anfrage erklärt: Man solle sich nicht immer selbst schlecht machen, sondern das Licht in sich sehen. Man könne sich selbst fragen: „Kann ich das Licht in mir spüren? Wo leuchtet es? Für wen bin ich ein Licht?“
Brennende Radkreuze rollen Hänge hinab
Mit Lichtern und Lagerfeuern hat man schon früher das Julfest gefeiert, wie auch das Online-Magazin Viversum berichtet. Die heidnischen Germanen haben demnach früher die Geburt der Sonne gefeiert, indem sie brennende Radkreuze als Symbol der Sonne Hänge hinabrollen ließen.
Als klassisches Jul-Ritual könne man heute etwa eine Spirale in den Schnee zeichnen oder sie aus Efeu und Lichtern anordnen, wie Catherine Weitzdörfer vorschlägt: Im Uhrzeigersinn lege man die Spirale beim Öffnen – und entgegen dem Uhrzeigersinn beim Schließen. Anschließend können alle Teilnehmer des Rituals innerhalb der Spirale ihre eigene Kerze entzünden.
Häuser ausräuchern und mit Peitschen knallen
In früheren Zeiten war das Zelebrieren der Wintersonnenwende jedoch nicht an einem Tag erledigt. An das Julfest schließen sich die zwölf Rauhnächte an, an denen wenig gearbeitet und viel gefeiert wurde bzw. wird. Ihre Ursprünge liegen in den Kulten und Bräuchen der indogermanischen Stämme und reichen somit bis in die Vor- und Frühgeschichte Europas zurück, wie auch Bloggerin Elena Marie Meyer auf ihrer Website zum Thema keltische Kulturen erklärt.
Zur Zeit der Rauhnächte seien die Grenzen zur „Anderswelt“ nicht besonders starr. In den Rauhnächten haben die Menschen ihre Häuser ausgeräuchert, um böse Mächte und Geister zu vertreiben, damit sie keinen Bewohner mit Krankheit und Tod befallen. Mit viel Lärm, unter anderem mit Peitschenknallen, hat man sein Haus gereinigt.
Odin führt sein „Wildes Heer“
Der nordischen Mythologie zufolge ist Odin während der Rauhnächte mit seinem „Wilden Heer“ unterwegs. Diese Gruppe aus übernatürlichen Wesen galt es zu meiden. Um sie wohlgesonnen zu stimmen, habe man kleine Leckereien (Kuchen oder Hülsenfrüchte) vor die Haustür gestellt, wie bei Viversum nachzulesen ist. Wer zu dieser Zeit weiße Wäsche zum Trocknen aufgehängt hatte, habe damit rechnen müssen, dass Odin sich ein Wäschestück schnappte, um es als Leichentuch für den Besitzer der Wäsche zu verwenden. In anderen Kulturen gibt es auch die Version, dass Odin und Frau Holle gemeinsam das Heer anführen.
Frau Holle näht Leichentücher
Die meisten Kinder kennen das Märchen von Frau Holle, die ihre Kissen schüttelt und es somit schneien lässt. Von Goldmarie, die für ihre harte Arbeit bei Frau Holle mit herabfallendem Gold belohnt wird, und Pechmarie, die für ihre Faulheit mit Pech übergossen wird. Wenn es jedoch um die „Wilde Jagd“ geht, hat Frau Holle auch noch eine ganz andere Rolle zu spielen: In der Alpenregion nennt man sie Frau Perchta (auch genannt: „die Percht“), wie etwa der Allgäu-Blog schildert.
Dort symbolisieren die mythischen Wesen der sogenannten Perchten-Umzüge die „Wilde Jagd“. Und wenn die Göttin Percht an die Haustür klopft, dann war man besser über das Jahr hinweg kein fauler oder lügnerischer Mensch, machte keine Unordnung und hielt sich an gewisse Regeln. Andernfalls konnte es sein, dass sich die Percht ein Stück weiße Wäsche holte, um daraus ein Leichentuch für dessen Besitzer zu nähen. Aus den Perchten-Umzügen entwickelten sich später die den Nikolaus begleitenden Schreckgestalten des Knecht Ruprecht bzw. Krampus.
Melancholie in der Dunkelheit
Der Winter kommt – und bringt mit den kürzeren Tagen die Dunkelheit mit sich. Heutzutage sind die Auswirkungen nicht mehr dieselben, wie es noch vor einigen Jahrhunderten der Fall war, wie auch unter anderem auf der Seite jahreskreis.info erklärt wird: Früher seien die Kelten noch viel mehr mit der Natur verbunden und von den Jahreszeiten abhängig gewesen. Doch auch heute noch würden viele Menschen während des Winters an Melancholie und Depressionen leiden, sie würden instinktiv die Auswirkungen der dunklen Jahreszeit spüren. Erst mit dem Frühjahr, wenn die Tage wieder länger und heller werden, hebt sich die Stimmung erneut.
Doch die Dunkelheit ist auch notwendig: Denn aus der Dunkelheit wird neues Licht geboren. Der keltische Jahreskreis endet mit dem Fest Samhain, das am 31. Oktober gefeiert wird. Mit dem Julfest beginnt das neue Jahr – und mit ihm wird ein neuer Sonnengott geboren. Die dreifache Mondgöttin hat seit dem Tod des Sonnengottes die alleinige Herrschaft übernommen, doch nun wächst ein neuer Sonnenkönig heran und sorgt dafür, dass die Tage wieder länger werden.
Die Rauhnächte verraten die Zukunft
Am 24. Dezember feierte man früher, während der Rauhnächte, das Mittwinterfest. Die christliche Kirche formte daraus später ihr Weihnachtsfest, wobei im christlichen Weihnachten immer noch viele heidnische Bräuche stecken. Die Christianisierung lehnte das Weihnachtsfest mit der Geburt Jesu an die Vorstellung des neu geborenen Sonnengottes, des „Kindes des Lichts“, an. Auch der Zeitraum der Rauhnächte hat sich durch die Kirche offiziell verschoben: Leitete früher die Thomas-Nacht auf den 22. Dezember die Rauhnächte ein, so feiern viele seit der Christianisierung die Rauhnächte erst ab dem 24. Dezember bis zum 6. Januar.
Die Leute haben früher die Rauhnächte für das kommende Jahr gedeutet, wie unter anderem bei jahreskreis.info zu lesen ist. Demnach haben die Menschen die Rauhnächte genau beobachtet: Was war gut und was schlecht? Wie war der Geschmack des Essens? Lief alles friedlich ab an diesem Tag? Oder gab es irgendwelche Probleme? Jeder Tag stehe dabei für einen anderen Monat, sprich: der Tag der ersten Rauhnacht für den Januar, der zweite für den Februar – und der letzte und zwölfte für den Dezember. Somit könne man bereits im Vorhinein deuten, ob der entsprechende Monat Gutes oder Schlechtes bringen werde. Man könnte also sagen: Das Glück des gesamten kommenden Jahres hänge davon ab, wie die zwölf Rauhnächte über die Bühne gehen…
Lexa Wessel