Die ursprünglich keltischen Jahreskreisfeste setzen sich aus vier großen Sonnenfesten und vier dazwischen liegenden Mondfesten zusammen. Bei den alten Jahreskreisfesten geht es immer um die Veränderungen in der Natur und die Verbundenheit der Menschen zu ihr. Diesmal schauen wir uns das Mondfest „Lughnasad“ (auch Lammas genannt) einmal genauer an. Das Fest zur Erntezeit wird regulär am 1. August gefeiert. Wir zeigen, wie man Lughnasad begehen kann und welche Geschichte hinter dem Feiertag steckt.
Auf der Wiese steht eine Frau mit einer Sichel in der Hand. Sie steht mit geschlossenen Augen da und scheint in tiefer Konzentration nachzudenken. Dann hebt sie die Sichel – und schwingt die Klinge ein Mal durch die Luft.
Die Kraft der Schnitterin
Es ist ein typisches Beispiel für ein Schnitterin-Ritual an Lughnasad (gesprochen: „Luu-na-sah“): Man denkt an das, was man im Leben nicht mehr braucht – und setzt einen symbolischen Schnitt, um es abzutrennen. Diesen kann man traditionell mit einer Sichel vollführen, aber natürlich funktioniert auch ein einfaches Messer oder die Handkante, wenn keine Klinge in der Nähe ist. Es ist also kein Wunder, dass Lughnasad auch als Schnitterfest bezeichnet wird. Schließlich nutzt man beim Abtrennen die Kraft der Schnitterin.
Auch Catherine Weitzdörfer hat das Ritual bereits durchgeführt. Sie führt eine Praxis für klassische Homöopathie, nebenbei lädt sie regelmäßig Interessierten ein, um gemeinsam die Jahreskreisfeste zu feiern. Sie erzählt, wie ihre Gruppe die Kraft der Schnitterin genutzt hat, um einen Cut mit Sichel, Messer oder Handkante zu setzen. In ihrem fortgeschrittenen Alter habe die Schnitterin die Weisheit erlangt, wo genau man den Schnitt setzen müsse.
Das Ende des Sonnengottes
Doch: Wer ist diese Schnitterin eigentlich genau? Die Mondgöttin verkörpert symbolisch die Veränderungen in der Natur im Laufe des Jahres. Sie tritt in verschiedenen Formen auf: Als kleines Mädchen, erwachsene junge Frau und alte Greisin. Man drückt die dreifache Göttin auch mit Farben aus und nennt sie die weiß-rot-schwarze Göttin. Bei Lughnasad haben wir es mit der langsam alternden Frau, also bereits mit dem schwarzen Farb-Aspekt zu tun: Die Schnitterin, die bereits mit dem Alter Weisheit erlangt hat. Als junge Frau war sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht und herrschte gemeinsam mit dem Sonnengott. Doch jetzt werden die Tage kürzer und dunkler. Schon bald wird die Mondgöttin zur Greisin – und wird während der Wintermonate alleine herrschen.
Wer über die Mondgöttin redet, sollte auch den Gegenpart erwähnen: Lughnasad beinhaltet den Tod des Korngottes (oder auch Getreidegottes). Der Sonnengott hatte bisher seinen Höhepunkt mit den heißen Tagen des Jahres, als er zusammen mit der Mondgöttin herrschte. Doch schon jetzt kommt die dunkle Jahreszeit immer näher. Die Ernte wird nun eingebracht und bald schon ist nichts mehr vom Getreide übrig. Der Sonnengott ist dabei seinen Thron zu verlassen – und wird bald sterben.
Kräuterfest und „Brot-Messe“
Aber woher kommt das Ritual überhaupt, an diesem Feiertag etwas abzutrennen? Das Ritual der Schnitterin steht in Verbindung mit dem Schneiden des Getreides. Schließlich ist jetzt die Zeit des Erntebeginns. Lughnasad wird daher auch als Erntefest bezeichnet. Korn und Kräuter spielen eine wichtige Rolle: Die Samen wurden gesäht und die Erde gepflegt, nun wird die Ernte eingeholt. Das erste Korn wird abgeschnitten, woraus der erste Laib Brot in diesem Jahr gebacken wird. Währenddessen finden sich in der Natur frisch erblühte Kräuter. Laut Catherine Weitzdörfer nennt man den Feiertag deshalb auch Brotfest oder Kräuterfest.
Der Begriff „Brotfest“ würde auch zum Lammas-Fest passen, das sich in seinen Wurzeln deutlich von Lughnasad unterscheidet. Heute ist Lammas nur ein alternativer Name für Lughnasad, doch im Gegensatz dazu wurde der Begriff Lammas durch den christlichen Einfluss geprägt. Ursprünglich stammt das Wort „Lammas“ aus dem Alt-Angelsächsischen: „loaf-mass“, was so viel wie „Brot-Messe“ bedeutet. Man nennt es auch das „Fest der ersten Früchte“, was an die Bedeutung von Lughnasad als Erntedankfest anknüpft.
Ernten und opfern
Lughnasad ist ein Fest zur Ernte, aber auch ein Opferfest: Dass die Ernte ertragreich ausfällt, war früher lebensnotwendig, um den Winter zu überstehen. Also wurden den Göttern Gaben für eine gute Ernte dargebracht.
Die Kelten haben allerdings nicht nur Früchte und andere Speisen gegeben, sondern auch Tiere geopfert – und manchmal, wenn auch nur selten, Menschen. Mit dem Opfer bat man um eine gute Ernte und zeigte seine Dankbarkeit. Ein Ritual, das natürlich längst nicht mehr praktiziert wird. Aber auch heute noch geht es darum, sich für die Ernte zu bedanken – allerdings nicht nur was die Nahrung betrifft: Wir denken darüber nach, was unser Leben erfüllt, was man im Leben hat – und wofür man dankbar ist.
Es heißt, dass Lughnasad den Namen des alten keltischen Gottes „Lugh“ beinhaltet, was so viel wie Feuer oder Licht bedeutet. Laut einer Legende hat Lugh den Feiertag Lughnasad am 1. August zu Ehren seiner verstorbenen Mutter eingeführt. Diese hat immer für fruchtbare Felder gesorgt. Und damit die Felder auch wirklich gute Ernten tragen, haben die Leute zu dieser Zeit viele Feste gefeiert. Irgendwann hat sich Lughnasad dann als offizieller Feiertag etabliert. Aber tatsächlich ist Lughnasad schon viel älter als diese Erzählung uns glauben lässt.
Rein in die Natur, weg von der Hektik
Was für andere Rituale gibt es noch, um Lughnasad zu feiern? Eine Trommelreise ist ein Ritual, das nicht nur Spaß machen, sondern auch sehr nützlich sein kann: Beim Klang von Trommeln verweilt man in einem meditativen Zustand. Diese Erfahrung kann ganz unterschiedlich sein, je nachdem zu welchem Zweck die Trommelreise angetreten wird. In diesem Fall kann es einem dabei helfen sich richtig bewusst zu machen, was man mit dem Sichelschnitt eigentlich genau abtrennen möchte: Wer bin ich? Was habe ich in meinem Leben? Was brauche ich nicht mehr?
Lughnasad lässt sich auch mit einer Ritualwanderung be-gehen: Eine Wanderung zu einem See oder zu einer Waldlichtung. Man könnte am Zielort auch noch ein kleines Ritual abhalten. Die Wanderung lädt dazu ein die Umwelt – die Natur um sich herum – zu spüren, weit weg vom hektischen Alltag.
99 Kräuter binden gegen Gefahr
Natürlich können auch blühende Kräuter für ein Ritual genutzt werden. So etwa beim Binden von Kräuterbüschen: Die Kräuter, die man auf seinem Weg durch Wald und Wiese findet, werden dabei zusammengetragen. Wer will, kann auch nur eine bestimmte Anzahl an Kräutern sammeln, zum Beispiel sieben, neun oder 99. Zahlen, denen nachgesagt wird, dass sie besonders kraftvoll sind. Dann bindet man Goldrute, Beifuß, Eisenkraut und was man sonst noch gefunden hat, mit Schafgarbe zusammen.
Dieser Kräuterbusch ist aber nicht nur für diesen einen Tag, sondern für das ganze kommende Jahr bestimmt. „Immer, wenn Tod oder Gefahr drohen, oder zum Beispiel jemand wieder gesund werden soll, dann verbrennt man ein bisschen was von dem Kräuterbusch“, erklärt Catherine Weitzdörfer. Was in einem Jahr, am nächsten Fest, noch übrig ist, kann verbrannt werden und ein neuer Kräuterbusch wird gebunden.
Natürlich gibt es noch viele weitere Arten, um Lughnasad zu feiern – es bleibt schließlich jedem selbst überlassen, wie er die Verbundenheit zur Natur feiern möchte. Eine Möglichkeit wäre ein Ritualfeuer oder auch eine Zusammenkunft mit Gesang, Tanz und zur Jahreszeit passenden Speisen zu organisieren.
Lexa Wessel