Die Kinder ziehen als Vampire, Skelette oder Hexen verkleidet von Haus zu Haus. „Trick or Treat“ – „Süßes oder Saures“ und noch viele weitere Sprüche erklingen in der Nacht, um möglichst viele Süßigkeiten abzustauben. Wer nichts Süßes gibt, findet am nächsten Morgen Toilettenpapier um seinen Briefkasten gewickelt oder Erdnussbutter an der Türklinke. Doch was heute das spaßige Halloween ist, war früher ein zentrales Fest.
Auf den Spuren von alten Ritualen haben wir für euch die wichtigsten Daten zum Mondfest Samhain (alt-irisch: Samain, gesprochen „savin“) zusammengetragen, das auch heute noch von vielen in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gefeiert wird. Mittlerweile ist das keltische Jahreskreisfest überall als „Halloween“ bekannt.
Schutz vor bösen Geistern – Kostüme oder Opfer?
Vier große Sonnenfeste und vier dazwischen liegende Mondfeste: Die ursprünglich keltischen Jahreskreisfeste zeigen den Menschen die Veränderungen in der Natur auf und erinnern sie an ihre Verbundenheit zu Mutter Erde. Schließlich waren die Menschen damals abhängig von ihr, unter anderem beim Sähen oder Ernte einholen, wenn sie auf eine gute Witterung angewiesen waren.
Die Idee der verkleideten Kelten, die mit ihren Kostümen die bösen Geister in die Unterwelt zurückschicken, kam erst viel später in der Neuzeit auf, wie auch der Kelten-Experte und Lektor an der Universität Wien, Andreas Hofeneder, gegenüber religion.ORF.at erklärt. Tatsächlich hatten die Menschen damals Angst vor den sogenannten Wiedergängern, also Verstorbenen, die wieder aus ihrem Grab empor steigen und die Leute heimsuchen. Mit den Opfern – meist Tieren, manchmal aber auch Menschen – sind die Geister besänftigt worden.
Der Schleier zur „Anderswelt“ hebt sich
Ursprünglich stammt der neuzeitliche Begriff „Halloween“ von „All Hallows Eve“ ab: der Abend vor Allerheiligen. Heute besuchen die Leute am 1. November die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen. Schon bei den Kelten stand der Kontakt zu den Ahnen an Samhain im Mittelpunkt.
Damals galt Samhain als „keltisches Silvester“, wie es unter anderem auch das Online-Magazin Viversum beschreibt. Die Grenze zur sogenannten „Anderswelt“, also die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten, ist nun sehr dünn. Nun biete sich dem Brauch nach die Gelegenheit, die eigene Ahnenreihe auszusöhnen, wie auch Heilpraktikerin Catherine Weitzdörfer, die eine Praxis für klassische Homöopathie und Gesprächstherapie leitet, über das Jahreskreisfest berichtet. Demnach gebe es immer Ausgegrenzte oder versteckt Leidende in der Ahnenreihe. Mit einem Ahnenheil-Ritual könne man vergangene Wunden kurieren.
Die Kelten glaubten nämlich nicht, dass der Mensch komplett verschwunden sei, wenn er gestorben war, sondern dass der Verstorbene eine andere, immaterielle Form annehme. Mittels Meditation könne man sich mit seinen Wurzeln, seinen Ahnen, verbinden.
Seine Ahnenreihe aussöhnen
Wie Weitzdörfer erläutert, könne man als Ritual beispielsweise sieben Blätter oder Lichter in einer Reihe von sich wegführend auslegen – symbolisch für die vergangenen sieben Generationen. Nun müsse man versuchen seine Liebe in all die Generationen zu senden, die hinter einem stehen. Man stelle sich dabei geistig vor, wie man die Ausgegrenzten wieder hereinlasse. Eine ausgesöhnte Ahnenreihe könne den Sendenden überaus stärken. Auch eine Trommelreise könne helfen, seine Ahnen zu treffen und sich mit ihnen zu versöhnen.
Tatsächlich kann man auf der „anderen Seite“ manchmal sogar mehr Anschluss finden als in der eigenen Familie, wie Weitzdörfer über die spirituellen Ahnen erzählt: „Wenn man sich mit seiner eigenen Familie nicht besonders verbunden fühlt, kann es sein, dass es auf der anderen Seite jemanden gibt, mit dem man bereits seelisch verbunden ist.“
„Wofür will man seine Zeit wirklich nutzen?“
Samhain ist eine Übergangszeit: Es ist eine Zeit der Ruhe und Stille, in der – mythologisch gesehen – die Totengöttin regiert, während der Sonnengott stirbt, bevor er beim nächsten Jahreskreisfest wiedergeboren wird. Es ist nun die richtige Zeit, um Altes loszulassen und Neues zu begrüßen.
Samhain ist eine gute Möglichkeit zur Selbstreflexion: „In dieser Zeit geht es auch darum, sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen: Wenn ich heute sterben werde, wäre ich zufrieden? Was würde mir fehlen? Was würde ich noch tun, regeln oder erleben wollen?“, erläutert Maria Käser-Aunkofer, die selbst auch immer mit Gleichgesinnten die Jahreskreisfeste feiert. Man solle sich dem Wert des Lebens bewusst werden und vor allem herausfinden, wie und wofür man seine Zeit wirklich nutzen wolle.
Bei einem möglichen Ritual, so Käser-Aunkofer, werde verinnerlicht, was man loslassen wolle. Dinge, die man hinter sich lassen möchte, werden einzeln auf einen eigenen Zettel geschrieben. Die beschriebenen Zettel können dann – einer nach dem anderen – verbrannt werden. Anschließend werde nochmals meditiert, doch diesmal über diejenigen Dinge, mit denen man sich ab jetzt beschäftigen und die man im kommenden Jahr erreichen will. Für jede Sache zündet man jeweils eine Kerze an.
Halloween kommt nach Europa
Das Schnitzen von Fratzen in die Kürbisse hat mittlerweile Tradition an Halloween. Es handle sich hierbei allerdings um einen neuzeitlichen Brauch, so Historiker Hofeneder. Tatsächlich hat sich der Kürbis in den Feiertag durch den irischen Schmied Jack O´ Lantern eingeschlichen. Der Legende nach habe Jack Oldfield den Teufel hinterlistet, so dass dieser seine Seele in Ruhe lassen musste, wie es unter anderem das Online-Portal Art Masters darstellt. Da er nach seinem Tod aber sowohl vom Himmel, als auch von der Hölle abgewiesen wurde, war Jack O´Lantern dazu verdammt, für immer umherzuirren. Der Teufel erbarmte sich und gab Jack eine glühende Kohle sowie eine ausgehöhlte Zuckerrübe, die Jack als Laterne nutzen konnte. Aus der Zuckerrübe machten die Amerikaner schnell einen landesüblichen Kürbis.
Hofeneder zufolge ist der ursprüngliche Zweck des Festes Samhain auch praktischer Natur gewesen: Die Stämme seien zusammen gekommen, um Steuern und Abgaben zu leisten. Viele Jahre nachdem das keltische Fest längst gefeiert wurde, hat sich die christliche Kirche den Feiertag einverleibt: Samhain sollte im vierten Jahrhundert christianisiert werden. Die Kirche veränderte das Jahreskreisfest, sie garnierte Samhain mit christlichen Elementen. Später, im 19. Jahrhundert, brachten irische Migranten den (inzwischen mehrmals veränderten) Brauch nach Amerika. Vor einigen Jahrzehnten kam der Festtag Halloween dann auch nach Europa, wie Hofeneder es beschreibt – mit vielen Elementen der Konsumkultur versehen.
Einfach nur ein weiterer Grund zum Feiern
Es gibt zwar noch einige, die das alte Jahreskreisfest feiern, doch für viele Leute ist das Wissen um dessen Bedeutung verloren gegangen – oder wird schlichtweg ignoriert. Für die meisten Menschen ist das alte Samhain zum modernen Halloween geworden: einfach nur ein weiterer Grund zum Feiern…