FRG/Bischofsreut. Mit dem Bus von Bischofsreut nach Freyung fahren, das haben Mariele Fenzl und Gerlinde Blöchl regelmäßig gemacht. Seit der Landkreis Freyung-Grafenau den ÖPNV grundlegend neu strukturiert hat, klappt das aber nicht mehr. Denn: Die vor einem Jahr eingeführten, neuen Fahrpläne enthalten keine Direktverbindungen zwischen dem Grenzdorf und der Kreisstadt. Schwierigkeiten beim Lesen komplizierter Buspläne und mit dem neu eingeführten Rufbussystem kommen hinzu.
„Bis September wird das ganz anders – hat man mir versprochen“, sagt Mariele Fenzl. „Und jetzt hatten wir schon das zweite Jahr September.“ Seit September 2018 fahren die Busse im Landkreis Freyung Grafenau nach den Plänen des neuen Nahverkehrskonzeptes. Durch diese Neuorganisation des ÖPNV gebe es „deutlich mehr öffentliche Bus-Linien, die besser aufeinander abgestimmt sind“, schreibt das Landratsamt auf seiner Internetseite.
War früher alles besser mit dem Bus in Bischofsreut?
Noch vor Kurzem hatte Landrat Sebastian Gruber im Nachklapp der BR-Sendung „Jetzt red i“ in Waldkirchen betont, wie wichtig es sei, den ÖPNV im ländlichen Raum wieder attraktiver zu machen. Die Umstellung der Linien hatte das klare Ziel vieles zu verbessern. Doch wer Landkreisbürger wie die Bischofsreuterinnen Fenzl und Blöchl über den neuen ÖPNV im Landkreis reden hört, der vernimmt vor allem viel Kritik. Nach wie vor.
Weder die eine noch die andere besitzt einen Führerschein. Früher sei das aber kein großes Problem gewesen: „Ich habe regelmäßig meinen Enkel in Freyung besucht“, erzählt Mariele Fenzl. „Mit dem Bus.“ Vormittags gegen zehn Uhr habe es eine Direktverbindung nach Freyung gegeben, am späten Nachmittag sei sie problemlos nach Bischofsreut zurückgekommen. Dann kam die Umstellung. Und seitdem sei sie darauf angewiesen, dass ihr Mann sie vormittags mit dem Auto nach Freyung fahre. „Abends nimmt mich dann mein Sohn mit zurück.“
Geeignete Busverbindungen gebe es für sie nicht mehr, sagt die 67-Jährige. „Ich habe beim Landratsamt angerufen. Dort hat man mir gesagt, ich könne ab Philippsreut fahren.“ Wie sie jedoch ohne Führerschein und Auto nach Philippsreut kommen soll, das habe man ihr nicht mitteilen können. „Über Haidmühle und Waldkirchen nach Freyung zu fahren war die andere Option, die man mir vorgeschlagen hat“, sagt Mariele Fenzl. Eine halbe Weltreise.
Gemeinsam sitzen die beiden Seniorinnen vor groß ausgedruckten Fahrplänen in DIN A5, gelb markiert sind darin alle Rufbusverbindungen von und nach Bischofsreut eingetragen. Gerlinde Blöchl hatte sie bei der Mobilitätszentrale des Landratsamtes angefordert. „Meine Tochter hat sich durch die Pläne schon durchgekämpft“, berichtet sie. Recht viel schlauer seien die beiden dadurch aber nicht geworden.
Das Problem: Bischofsreut liegt im Liniennetz des Landkreises relativ abseits verortet. Das Dorf gehört zur Gemeinde Haidmühle – und damit zur sog. ILE Abteiland. Das Landratsamt hat für das Abteiland die „5er-Linien“ eingeführt. Vor allem die Verbindung Haidmühle – Waldkirchen habe von der Umstellung der Fahrpläne profitiert, hieß es vor einem Jahr in einem Artikel der Lokalzeitung. Das Problem der Bischofsreuter dabei: Sie orientieren sich schon immer Richtung Freyung, nicht Richtung Waldkirchen, haben ihre Ärzte in der Kreisstadt und erledigen dort alles, was sie im eigenen Dorf nicht bewerkstelligen können.
Richtung Freyung seien die Busverbindungen jedoch seit der Umstellung deutlich schlechter geworden, bedauern die beiden Bischofsreuterinnen Blöchl und Fenzl. „Bischofsreut gibt’s nicht mehr“, formuliert es Gerlinde Blöchl drastisch. „Als würden sie uns schon zu Tschechien zählen.“ Auch Ihre größte Unannehmlichkeit: Es sei komplizierter geworden, von Bischofsreut nach Freyung zu kommen, weil es keine Direktverbindungen mehr gebe. Das Umsteigen in Philippsreut sei unumgänglich. Kompliziert werde es vor allem dadurch, dass es keine einfache Fahrplanauskunft zu geben scheint.
Sich über Busverbindungen zu informieren ist kompliziert
An der Bushaltestelle am Gemeindehaus hängt lediglich ein – sehr überschaubarer – Busplan mit den Verbindungen nach Philippsreut: Sechsmal pro Tag – drei davon sind allerdings Rufbusse. Wie es in Philippsreut dann weiter geht, erfährt ein potenzieller Fahrgast entweder über das Internet oder durch einen Anruf in der Mobilitätszentrale des Landratsamtes.
„Vor zwei Jahren hingen an der Haltestelle ellenlange Zettel mit allen Verbindungen“, erinnert sich Gerlinde Blöchl. „Aber die hingen lose da – bis der Wind sie davongewachelt hat.“ Nun habe sie sich alle für sie relevanten Fahrpläne vom Landratsamt schicken lassen. Es falle ihr allerdings schwer, sich darin zurecht zu finden.
Aber ist es wirklich so schwierig? Gibt es tatsächlich keine Möglichkeit von Bischofsreut mit dem Bus nach Freyung zu fahren? Doch, es gibt sie. Morgens um 8.15 Uhr verkehrt ein Rufbus nach Philippsreut. Nach zehn Minuten Aufenthalt dort hat man Anschluss an den Bus nach Freyung.
Diese Auskunft hat Mariele Fenzl jedoch eigenen Angaben zufolge nicht erhalten, als sie in der Mobilitätszentrale nach einer Verbindung um halb zehn Uhr vormittags gefragt hatte. Und dass es sich bei der im Fahrplan angegebenen Verbindung um einen Rufbus handele, war den beiden Bischofsreuterinnen ebenso wenig bewusst. Es besteht also definitiv ein Kommunikationsproblem.
Endlich: Ab November soll’s eine Suchmaske im Internet geben
Noch immer ist es nicht möglich, per Suchmaske im Internet nach Verbindungen von A nach B im Landkreis Freyung-Grafenau zu suchen. Was sich aber bald ändern soll: „Die digitale Fahrplanauskunft soll es ab November 2019 geben. Derzeit gibt es bereits Testläufe“, teilt Christian Luckner, stellvertretender Pressesprecher des Landratsamtes, auf Hog’n-Nachfrage mit.
Ein Haken bleibt für die beiden Bischofsreuterinnen jedoch weiterhin bestehen: Rufbusse lassen sich auch zukünftig nur telefonisch anfordern. Eine Rufbus-Bestellung per App sei aber in Planung und soll möglichst noch im Jahr 2020 realisiert werden, schreibt Pressesprecher Luckner dazu. Bis dahin heißt es: mindestens eine Stunde vor Abfahrt in der Mobilitätszentrale anrufen. Und da diese nur von 8 bis 15 Uhr besetzt sei, müssen sich die Bischofsreuter bereits am frühen Nachmittag des Vortages entscheiden, wenn sie am nächsten Morgen den Rufbus nach Freyung nutzen wollen.
Mariele Fenzl und Gerlinde Blöchl sind übrigens keinesfalls zu alt, um einen Rufbus per App zu bestellen, wie sie sagen: „Die meisten haben doch mittlerweile Internet und auch ein Handy. Eine einfach gestaltete App am Handy zu nutzen, wäre für uns sicher kein Problem.“ Denn schließlich hätten fast alle Senioren im Ort auch WhatsApp, um sich Fotos ihrer Kinder und Enkel schicken zu lassen und in Familiengruppen Nachrichten zu schreiben.
Eine Direktverbindung per Bus von Bischofsreut nach Freyung wird wohl ein frommer Wunsch der beiden Seniorinnen bleiben. Doch eine einfachere Möglichkeit, sich über gewisse Fahrten zu informieren, scheint in Sicht. „Schau’n mer mal“, sagt Gerlinde Blöchl.
Sabine Simon