Freyung-Grafenau. Wer in Bayern baut und damit Fläche versiegelt, muss das anderweitig in bestimmter Art und Weise wieder „ausgleichen“: Eine Ackerfläche renaturieren, ein Biotop schaffen oder eine Streuobstwiese anlegen – es gibt viele Möglichkeiten, wie eine so genannte Ausgleichsfläche gestaltet werden kann. Doch: Wie funktioniert das System genau? Und: Wer entscheidet eigentlich, welche Maßnahme ein Bauvorhaben angemessen ausgleicht?
Seit fünf Jahren gibt es die sogenannte Bayerische Kompensationsverordnung. Darin ist festgeschrieben, dass jeder, der durch ein Bauvorhaben Natur und Landschaft beeinträchtigt, auf anderen Flächen „landschaftspflegerische und der Natur dienliche Maßnahmen“ durchführen muss, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) auf seiner Webseite proklamiert. Bereits im Bauplan muss vermerkt sein, wie der Bauherr diese Ausgleichsflächen gestalten will. „Wir machen einen Vorschlag anhand von Regelwerken“, erklärt dazu Landschaftsarchitekt Dieter Spörl aus Passau. Die Behörde prüfe dann, ob dieser Vorschlag ausreichend sei – und verlange in manchen Fällen Nachbesserungen.
Zahlreiche Punkte machen die Sache kompliziert
So weit, so verständlich. Wer genauer nachfragt, weiß allerdings schnell, warum Architekten meist ihre Kollegen aus der Landschaftsarchitektur hinzuziehen, wenn es um Ausgleichsflächen geht. Denn es gibt zahlreiche Punkte, die das Thema kompliziert machen.
Zunächst ist da die Frage: Wer ist eigentlich verantwortlich dafür, Ausgleich für eine Baumaßnahme zu schaffen? „Bei einem Einzelvorhaben ist es der Bauherr selbst“, weiß Landschaftsarchitekt Spörl. Weist eine Gemeinde hingegen ein Bau- oder Gewerbegebiet aus, müsse sie sich bereits bei der Bauleitplanung um geeignete Ausgleichsflächen kümmern. Dann werde ein sogenannter Grünordnungsplan im Rahmen der Bauleitplanung aufgestellt. „Die Gemeinde wiederum kann die Schaffung von Ausgleichsflächen aber auf spätere Nutzer umlegen“, erklärt Spörl.
Ein Beispiel: Im Falle eines neu ausgewiesenen Gewerbegebietes in der Nähe von Waldkirchen war es die Firma „Glas Brandl„, die selbst für einen Ausgleich sorgen musste für die Halle, die sie auf einer ehemaligen Ackerfläche erbauen ließ. Firmenchef Alexander Brandl entschied sich dafür, eine Fläche in der Nähe zu erwerben und dort eine Streuobstwiese anzulegen. In welcher Art und Weise man eine Fläche ökologisch aufwertet, entscheidet derjenige, der für den Ausgleich sorgen muss. Die Behörden bewerten, ob dadurch alle rechtlichen Vorgaben abgedeckt werden.
„Ein mathematisch-exaktes, rechnerisch-basiertes Instrument“
Der Bewertungsspielraum für geeignete Ausgleichsflächen sei durch die Bayerische Kompensationsverordnung deutlich kleiner geworden, sagt Christian Luckner, Pressesprecher am Landratsamt Freyung-Grafenau. „Die Bayerische Kompensations-Verordnung ist überwiegend ein mathematisch-exaktes, rechnerisch basiertes Instrument zur Ermittlung des Ausgleichsbedarfs und der Anrechnung von Kompensationsmaßnahmen nach einem relativ komplizierten Verfahren, welches jedem Biotopnutzungstyp einen rechnerischen Wert zuordnet“, erklärt Luckner. „Zusätzlich werden nicht bezifferbare Eingriffe wie zum Beispiel die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes verbal-argumentativ erfasst und eine verbal-argumentativ hergeleitete Kompensationsmaßnahme bestimmt.“
Die Kompensationsverordnung gelte allerdings nur für Ausgleichsflächen nach dem Naturschutzrecht, schränkt Luckner ein. Und bei Ausgleichsflächen nach dem Baurecht? „Hier wird derzeit die bisherige Handhabung nach wie vor fortgeführt.“
Die Bayerische Staatsregierung hat hierfür den Leitfaden „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft“ herausgegeben. Denn einheitlich und klar geregelt scheint die Sache mit dem Ausgleich im Baurecht nicht zu sein. „Auch für Spezialisten ist es nicht einfach“, gibt Landschaftsarchitekt Dieter Spörl offen zu. „Aber am Ende ist das System nachvollziehbar.“
Jede Ausgleichsfläche wird in einem landesweiten Kataster erfasst. Jeder hat hier Einsicht. Ob eine Fläche dann auch tatsächlich so genutzt wird, wie im Bauplan vorgesehen und eingeplant, kontrolliere die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt auf eigene Initiative „immer wieder anlassbezogen beziehungsweise einzelfallbezogen“, teilt Pressesprecher Luckner weiter mit. Systematische Kontrollen seien dabei nicht vorgesehen. In der Regel müsse der Bauherr die Ausgleichsmaßnahme im auf den Baubeginn folgenden Kalenderjahr erbringen. In Einzelfällen werde eine längere Frist gewährt.
Das Geschäft mit dem Ausgleich
Zahlreiche Anbieter machen mittlerweile ein Geschäft aus der komplizierten Ausgleichsregelung: Wer sich als Bauherr nicht selbst auf die Suche nach geeigneten Flächen machen will, kann sich beispielsweise an die Sparkasse Passau wenden. Bereits seit zwölf Jahren kann man hier Ausgleichsflächen erwerben. „Als regional verwurzeltes Kreditinstitut, für das auch nachhaltige Aspekte eine wichtige Rolle spielen, ist uns diese Leistung für die Region Passau sehr wichtig“, schreibt Brigitta Rossmayer-Tittel von der Passauer Sparkasse auf Hog’n-Nachfrage.
Seit zwei Jahren bietet das Geldinstitut dabei auch das System der sogenannten Ökopunkte an. Ökopunkte sind eine Art Währung, mit der man sein Bauvorhaben ausgleichen kann, ohne dafür eine konkrete Fläche im Bauplan ausweisen zu müssen. Die Sparkasse Passau ist ein zertifizierter Ökokonto-Anbieter. Das bedeutet: Sie hält geeignete Flächen vor und lässt sich dafür die entsprechenden Ökopunkte auf ihrem Ökokonto gutschreiben. Jeder – egal ob privater oder gewerblicher Bauherr – kann Punkte von diesem Konto für sein Bauvorhaben nutzen. „Das Ökokonto ist sozusagen eine Vorratshaltung“, sagt Landschaftsarchitekt Spörl. In der Regel seien es Gemeinden, die ein Ökokonto anlegen und für Baumaßnahmen innerhalb der Gemeinde Punkte abrufen. Zunehmend gebe es aber auch private Anbieter, die Ökokonten pflegen und die Punkte an Kunden weiterverkaufen. „Hier ist ein Geschäftsfeld entstanden“, sagt Spörl. „Die Nachfrage ist da.“
„Vorab ist mit den Behörden zu klären, wie viel Ökopunkte für das jeweilige Bauvorhaben als Ausgleich benötigt werden. Nach Abschluss des Vertrages und Nachweis der Zahlung erhält dann der Kunde seine Baugenehmigung“, erklärt Rossmayer-Tittel. „Das Ganze ist also recht einfach im Vergleich, da für den Bauherrn keine Grundstückssuche verbunden mit Folgekosten für Grunderwerbsteuer, Notar und Grundbuch, kein Pflegeaufwand, kein Risiko und somit auch keine Haftung anfällt.“ Die Sparkasse wolle dadurch Bauherrn das Bauen einfacher machen.
Sabine Simon