Zwiesel. Es waren wilde Zeiten damals, Mitte der 60er Jahre, als die Jugend der Welt gegen ihre Vorgänger-Generationen, gegen ihre Eltern und Großeltern aufbegehrte. Als die Studenten auf die Straßen gingen, um für mehr Bürgerrechte und Freiheit zu demonstrieren. Dabei spielte die Musik, inbesondere der Rock and Roll, eine gewichtige Rolle. Er war Ausdruck eines neuen Jugendgefühls, das schließlich auch den Bayerischen Wald erreichte. Einer, der zu jener Zeit seine Liebe zur Musik entdeckte, war der Zwieseler Helmut Geiss (alias „Geiss Haejm“), bayerischer Liedermacher, Schriftsteller, Komponist und Maler. Erinnerungen an seine musikalischen Anfänge.
Wir, die „Soundboys“, waren nicht die ersten Rockmusiker in der Gegend. Die ersten waren die „Thunderbirds“ um den Grimm Ruul, dessen Vater einer ganzen Generation von Zwieselern das Gitarre spielen gelernt hatte. Mein Freund Sepp Molz und ich hörten 1964, quasi im Vorbeigehen, völlig neue Töne aus dem Pfeffersaal – es war Rock and Roll, wie wir später erfuhren. Diese elektrische Gitarrenmusik und der wilde Rhythmus hauten uns um – und unser vorläufiges Lebensziel war klar: Diese Musik wollen wir auch machen!
Der Untergang des Abendlandes
Kein Jahr später traten auch wir auf. Wir gaben uns den bescheidenen Namen „The Admirals“. Ich war damals vierzehn Jahre alt – Sepp Molz, unser Sologitarrist und Sänger, sechzehn. Die Rhythmus-Gitarre spielte Norbert Teurich. Als Schlagzeuger fungierte der Treml Xav – und ich versuchte mich am Bass.
Unsere ersten Auftritte hatten wir bei Schülerbällen auf der „Zwiesler Alm“ – ewig schad‘, dass es dieses Wirtshaus nicht mehr gibt. Ab 1965 standen wir auf Teenagerpartys in der Waldbahn und im Pfeffersaal auf der Bühne. Es war die Vor-Discothekenzeit und die Hörer sind glücklicherweise nicht sonderlich verwöhnt gewesen – doch wir gaben stets, was wir konnten…
Der Xav schied irgendwann aus beruflichen Gründen aus, mittlerweile waren auch die Thunderbirds Geschichte. Und so konnten wir deren Drummer, den Matschiner-Luwal, für unsere Band gewinnen. Zur selben Zeit stieß auch ein Student der Glasfachschule Zwiesel zu uns, der uns managte und einen guten Sänger und Entertainer abgab: Peter Kaspar. Mit ihm entwickelten wir uns für die nächsten zwei Jahre zu einer festen musikalischen Institution in der Gegend.
Peter kaufte eine Verstärkeranlage – und mit seinem alten VW-Bus waren wir plötzlich mobil, weshalb wir auch außerhalb von Zwiesel (etwa 1967 bei einem Bandwettbewerb in Plattling) auftreten konnten. Sogar als Vorband der berühmten „Lords“, die in Regen gastierten, durften wir uns präsentieren. Der damalige Regener Zeitungsredakteur prophezeite danach den Untergang des Abendlandes…
Völlig neue Töne – und ein anderer „Groove“
Übrigens waren wir wohl die ersten, die – verfasst von Peter Kaspar – auch Eigenkompositionen zum Besten gaben. Zu seinen vielen Talenten gehörte die Interaktion mit dem Publikum, worüber wir „ernsthaften Rocker“ eher die Stirn runzelten. Doch Peters Art hatte Erfolg.
Besonders nach dem Tanzverbot in der Fastenzeit rannten uns die Fans die Türen ein. Der Pfeffersaal konnte manchmal die Besucher kaum fassen. Aus den Teenagerpartys waren mittlerweile „Beat-Partys“ geworden, die meist sonntags um drei begannen und so gegen halb neun Uhr abends endeten. Eintrittspreis: 1 Mark 50.
Bereits bei den letzten Auftritten von Peter, dessen Fachschulzeit endete und der schließlich in die elterliche Glashütte am Neckar zurückkehrte, schneite uns ein neuer Sänger ins Haus: Werner Ryschawy aus Gelsenkirchen, der beim Morsak-Verlag in Grafenau eine Lehre machte und später zum freischaffenden Künstler und zum Kulturmanager der Stadt Essen avancierte. Er brachte völlig neue Töne und einen anderen „Groove“ mit, denn er liebte Soul und Rhythm & Blues. Seine Stimme war ein Mittelding aus Otis Redding, Janis Joplin und Joe Cocker. Mit ihm bekamen Luwal und ich wieder ein wenig Oberwasser, da wir schon länger mehr improvisieren wollten – und auch sonst ziemlich schräg drauf waren.
Eine Weile bediente auch Franz Treml die Rhytmus-Gitarre. Wir nannten uns nun „Sound of Satisfaction“, blieben für die Zwieseler aber die „Soundboys“. Unser neuer Stil stieß durchaus auf Begeisterung – halbstündige Improvisationen waren jedoch nicht Jedermanns Sache…
Zur „Lehre“ in Berliner Kleinstkunst-Kneipen
Im Fasching ’69 traten wir mehrmals in der Woche im Tanzlokal „Seidelmann“ auf sowie einige Male in der Waldbahn. Nicht nur musikalisch siedelten wir allmählich in den „Underground“ über, sondern auch örtlich: in den „Schützenkeller“ im Gasthaus „Zur Linde“, ein leider ebenfalls nicht mehr existierendes, wunderbares Granitgewölbe, in dem etwa hundert Besucher Platz fanden.
Unseren letzten Auftritt hatten wir – verstärkt durch Hans Dankesreiter, der die Blues-Gitarre in den Woid brachte – beim Jugendmusikfestval im Sommer ’69 im Janka-Saal. Dabei trat ich auch erstmals als Barde mit eigenen deutschen Liedern vor größerem Publikum auf.
Luwal trommelte danach noch einige Jahrzehnte bei der Kultband „Live your Life“, bei der „Marihuana Brassband“ und bei den „Cheyenne Brothers“ – er ist das wahre Rock-Urgestein der Region. Sepp, der Gitarren-Virtuose, spielte bei der Band „Papillion“ weiter – und ich machte meine „Lehre“ in Berliner Kleinstkunst-Kneipen und zog später als Liedermacher durch Süddeutschland…
Helmut Geiss alias „Geiss Haejm“
–> Mehr vom Geiss Haejm gibt’s hier zu sehen und zu hören.