Zwiesel. Beim Schooljam 2009 wurde „Heavy Ride“ aus Zwiesel zur besten Schülerband Deutschlands gekürt. Es folgten Auftritte bei Rock am Ring und Support-Acts bei Schandmaul und Toto. Knapp vier Jahre später blieb nur noch Gitarrist Josef Blöchl von der ursprünglichen Formation übrig. Mit Florian Seemann (Gitarre, Gesang), Johannes Puschmann (Drums) und Bassist David Stich beginnt das Quartett nun wieder ganz von vorne – mit einem Album, das zwar dem Bandnamen nach schlicht den Titel „Heavy Ride“ trägt, musikalisch aber eine Spitzen-Achterbahnfahrt hinlegt. Im Interview erzählt Josef Blöchl wie es zur Zusammenarbeit mit Schandmaul-Gitarrist Martin Duckstein kam, warum Heavy-Ride-Jungs nie ihre Gitarren zerschmettern würden – und von unheimlichen Geistern, die im Studio ihr Unwesen treiben …

Alles neu bei Heavy Ride: Bis auf Josef Blöchl (2. von rechts) ist von der alten Formation nichts mehr übrig. Mit den neuen Bandmitgliedern Florian Seemann (links), Johannes Puschmann (2. von links) und David Stich (rechts) geht die Rockband nun auch musikalisch neue Wege. Fotos: Andreas Janich
Heavy Ride stand eigentlich schon kurz vor dem Aus
Hallo Heavy Ride! Stellt Euch bitte mal kurz vor.
Wir sind eine relativ junge Band, alle Mitte 20. Wir in ganz Bayern verstreut zu Hause, kommen jedoch am Wochenende immer wieder im schönen Bayerischen Wald zusammen, um zu proben. Regelmäßige Bandproben sind schließlich das A und O. Die meisten von uns sind zwar noch in der Ausbildung oder im Studium eingespannt, aber den größten Teil unserer Freizeit investieren wir in unsere Musik.
2009 seid Ihr beim Schooljam zur besten Schülberband Deutschlands gekürt worden. Obwohl Ihr auch danach recht erfolgreich unterwegs wart, hätte sich Eure Band fast aufgelöst. Wieso?

Sänger und Gitarrist Florian Seemann überzeugt mit einer variablen Stimme: von rauchigen Shouts bis hin zu warmen, hymnischen Tönen ist alles dabei.
Ja, das stimmt. Der Weg der Berufsfindung stellte die Band zunächst vor das vermeintliche Aus. Drei der vier Bandmitglieder sind daraufhin leider ausgestiegen, aber wir fanden schnell eine neue Besetzung: Florian Seemann, Johannes Puschmann – und als letzter Neuzugang: David Stich. Wir sind ziemlich flott ins Songwriting für das neue Album übergegangen – und wollten möglichst schnell eine CD rausbringen, die den Sound aller vier Bandmitglieder vereint.
Josef, Du bist der einzige, der von der alten Besetzung übrig geblieben ist. Wieso habt Ihr Euch trotzdem entschieden, den Namen „Heavy Ride“ beizubehalten?
Es war ja so, dass zunächst nur zwei Bandmitglieder ausgestiegen sind und schon deshalb für uns nie die Frage aufgekommen ist, ob wir unseren Bandnamen ändern sollten. Außerdem hatten wir kurz zuvor noch einen neuen Banner drucken lassen. Den hätten wir dann auch nicht mehr nutzen können. Als Band darf man die Ausgaben natürlich nicht außer Acht lassen …
Musikalische Vorbilder: Foo Fighters und Audioslave
Wo haben die anderen drei Bandmitglieder vor Heavy Ride ihre Erfahrungen gesammelt?
Florian und Johannes haben davor schon in diversen Bands gespielt. Florian bei den Zitronen Püppies und Pussy Palace, Johannes bei Driving the Salt. David spielt schon seit Jahren Gitarre und Bass – und kennt so ziemlich jede Band, die man sich vorstellen kann. Er ist also in jeder Hinsicht extrem musikbegeistert.
Welche Einflüsse und Vorbilder habt Ihr?
Die Foo Fighters, ganz klar. Sie sind sozusagen der größte gemeinsame Nenner für uns. Aber auch Audioslave und viele andere Bands stehen bei uns ganz hoch im Kurs. Eigentlich hat bei uns jeder einen anderen Einfluss: Johannes ist mehr im Hardcore beheimatet, wohingegen Florian und ich eher die guten, alten ACDC-Riffs geil finden. Das macht es immer sehr interessant, wenn wir neue Songs schreiben, weil jeder seine Vorlieben miteinbringt. Und David begeistert sich sowieso für die unterschiedlichsten Musikrichtungen. Es vergeht eigentlich keine Woche, in der er keine neue Platte aus dem Hut zaubert.
Euer Markenzeichen war früher die obligatorische Uniform, mit der Ihr auch bei der Schooljam-Jury punkten konntet. Gibt’s die Uniform denn noch?
Nein, die hängt ab jetzt im Schrank … aber man weiß ja nie was noch alles kommt …
Was unterscheidet denn die „alten“ Heavy Rides von den neuen?
Früher konnte man die Musik noch eher im 60er- oder 70er-Jahre-Rock einordnen, was wir immer als modernen Rock ’n’ Roll bezeichnet haben. Nachdem wir die Umbesetzungen hinter uns hatten, änderte sich das jedoch ein bisschen: Jeder wollte seinen persönlichen Geschmack einbringen und Musik machen, mit der sich jeder zu 100 Prozent identifizieren kann. Ich denke, der Sound ist schon etwas härter geworden. Wir selbst sagen, dass es Rockmusik ist – andere wiederum behaupten, unsere Musik hat viel mit Grunge zu tun.
Ein Solo auf der neuen Scheibe kommt vom Schandmaul-Gitarristen
Auf Eurer CD hat Schandmaul-Gitarrist Martin Duckstein ein Solo beigesteuert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Genau! Ducky hat auf der neuen CD das Solo zu „Along the line“ eingespielt, was uns sehr stolz macht. Wir kennen uns mittlerweile etwas länger und durften häufiger schon mit Schandmaul auftreten. Eine Riesenerfahrung für uns! Unser Support von Schandmaul 2011 im Zenith in München war ein echtes Highlight. An einem gemütlichen Abend kamen wir dann auf die Idee, Ducky zu fragen, ob er ein Solo auf der neuen Platte einspielen möchte – und so kam es dann zur Zusammenarbeit. Auf der Release-Party in Frauenau hat er sogar live mit uns den Song gespielt!
Euer Debütalbum überzeugt mit einer guten Produktion: toller Sound, stylishes Booklet. Wie wichtig ist es für junge Bands heutzutage, von Beginn an eine ansprechende Platte zu präsentieren?

Der befreundete Schandmaul-Gitarrist Martin Duckstein (rechts) hat eigens für Heavy Ride ein Solo eingespielt.
Ich denke, mittlerweile kann ja jeder irgendwie eine CD aufnehmen – ob die nun von guter oder schlechter Qualität ist, sei dahingestellt. Deshalb muss man schon eine Scheibe abliefern, die vom Sound und auch vom Aussehen her was hermacht. Die Live-Atmosphäre soll bestenfalls mit der CD nach Hause rübergebracht werden. Die Leute, die regelmäßig Musik hören, haben auch einen gewissen Qualitätsanspruch. Und eine Platte, die nicht so druckvoll ist wie bei den bekannten Bands, wird einen nie richtig überzeugen. Es ist wichtig annähernd an die Klangqualität der Großen heranzukommen.
Wie entstehen Eure Songs? Wer schreibt die Texte, wer die Musik?
Irgendjemand kommt mit einer Riff-Idee oder einer Gesangs-Melodie in die Probe – oder nimmt zu Hause eine Rohfassung auf und lädt sie in unser Forum hoch. Dann wird immer wieder an den Songs herumgeschraubt und nach und nach in den Proben fertiggestellt. An manchen Stücken haben wir fast ein dreiviertel Jahr lang herumgebastelt, bis sie sich so angehört haben, dass wir damit alle zufrieden waren. Die Texte schreibt dann Flo. Auch hier dauert es relativ lange, bis er so zufrieden ist, dass sie auch in dieser Form im Booklet abgedruckt werden können.
Eure Shows sind sehr energiegeladen. Was heißt das konkret? Zerschmettert Ihr Gitarren oder gibt’s sogar Pyro-Effekte?
Ich glaube, wir könnten keine Gitarren zerschmettern. Dafür sind wir zu sehr verliebt in unsere Instrumente. Das kann man den Gitarren doch nicht antun (lacht).
Pyro-Effekte gibt’s leider auch noch nicht. Wir meinen mit ‚energiegeladen‘, dass wir versuchen den Spaß und vor allem die Power, die in den Songs steckt, rüberzubringen. Das ist schwierig zu erklären. Am besten wär’s, wenn sich einfach jeder selbst ein Bild davon macht …
Ein Geist im Studio störte die Aufnahmen …
Wie waren die Aufnahmen im Studio? Erzählt mal …

Bassist David Stich begeistert sich für die unterschiedlichsten Musikrichtungen – und bringt dadurch viele musikalische Ideen mit ein.
Die Studiozeit war ziemlich anstrengend. Letztes Jahr, Anfang August, haben wir mit dem Recording begonnen. Eigentlich wollten wir innerhalb von zwei Wochen fertig sein. Am Schluss waren es dann doch vier Wochen, was damit zu tun hatte, dass wir im Studio viel ausprobiert und noch weiter an den Songs gefeilt haben.
Eigentlich wäre alles ganz entspannt gewesen, weil jeder in den zwei Wochen frei hatte. Als sich das Ganze aber ein bisschen verzögerte, musste Flo schon wieder in die Schule. Das führte dazu, dass er teilweise bis vier Uhr morgens seinen Part einsingen musste – und um sechs Uhr wieder zur Schule gefahren. Das war schon hart – aber im Rückblick irgendwie auch wieder schön.
Kuriose Ereignisse gab es auch: Da war ein Studio-Geist, den wir heraufbeschworen hatten. Komische Geräusche in den Boxen – die definitiv nicht von unseren Instrumenten stammten (lacht). Schrauben, die ohne ersichtlichen Grund aus der Wand fielen. Und Computer, die plötzlich nicht mehr gingen … Dass dann auch noch ein Amp (ein Verstärker – Anm. d. Redaktion) abfackelte, war nur die logische Schlussfolgerung …
Alles in allem war es eine richtig coole Zeit. Und jetzt freuen wir uns darauf auf Tour zu gehen und die CD zu präsentieren.
Gibt’s schon Gigs in den nächsten Monaten?
Klar, zum Beispiel im Gasthaus „Zum Haber“ am 22.2. in Osterhofen, am 9.3. in „Jacks Rockbar“ in Plattling oder am 22.3. in der Discothek Freyheit in Freyung. Wir sind aber auch in München und Nürnberg unterwegs. Die Tourdaten gibt’s heavy-ride.net nachzulesen.
Josef, danke für das Interview und viel Erfolg mit der neuen Platte!
Interview: Jason Ditshej
„Heavy Ride“: eine musikalische Spitzenachterbahnfahrt!

Das Cover des neuen Albums verspricht eine musikalische Achterbahnfahrt – von poppig-fröhlich bis rockig-aggressiv!
Die einstigen Schooljam-Sieger Heavy Ride sind zurück: In neuer Besetzung präsentieren die vier Zwieseler ihr Debütalbum, das den Namen der Band trägt. Als Symbol für den Neustart. Denn übrig geblieben ist von der alten Formation nur Josef Blöchl an der Leadgitarre. Mit Florian Seemann (Gesang, Gitarre), Johannes Puschmann (Schlagzeug) und David Stich (Bass) geht die Band ab sofort neue Wege.
Und man merkt sogleich: Heavy Ride ist reifer geworden – und härter. Waren sie früher im Rock ’n‘ Roll der 70er Jahre zu Hause, so ist ihr neuer Sound nun eher einem Mix aus Alternative Rock und Post Grunge zuzuordnen. Die Jungs von Heavy Ride liefern mit ihrem Erstlingswerk eine Scheibe ab, die sich ganz klar am Klangbild der Foo Fighters, ihrem musikalischen Vorbild, orientiert. Dass kerniger Rock mit Grunge-Elementen auch heute noch bestens funktioniert, haben erst letztes Jahr die Aufsteiger „The Gaslight Anthem“ bewiesen, die mit ihrem Erfolgsalbum „Handwritten“ in genau dieselbe Kerbe schlugen.
Ein absolut hörenswertes und hochwertiges Album!
Heavy Ride ist erdiger, dreckiger, druckvoller Gitarren-Rock. Die Band setzt auf eingängige Melodien und verzichtet auf übertriebene, technische Experimente. Simply back to the roots also. Dafür haben sich die jungen Mittzwanziger neben Produzent Benedikt Hain auch Thomas Heimann-Trosien, den man auch aus Produktionen von Schandmaul, In Extremo oder Nightwish kennt, fürs Mixing ins Boot geholt. Das Sahnehäubchen steuert der befreundete Schandmaul-Gitarrist Martin „Ducky“ Duckstein beim Solo auf „Along The Line“ bei. Trotz Studium, Beruf und niedrigem Budget liefern die vier Waidler ein absolut hörenswertes und hochwertiges Album ab, das nebenbei auch noch mit einem aufwendig gestalteten Booklet überzeugt.
Der Opener „Black Shirt“ galoppiert mit ACDC-ähnlichen Gitarren daher und fordert den Hörer auf „sich selbst zu vergessen, seine Lieblingsplatte einzulegen und sein schwarzes Shirt anzuziehen.“ Florian Seeman überzeugt hier mit seiner kraftvollen, rauchigen Stimme. Die mehrfach gedoppelten, teils geshouteten Stimmen beim Refrain sind immer wieder prägend für die ganze CD, was den Songs häufig einen grungeartigen Charakter verleiht. Ähnlich aufgebaut ist auch „Cut and Dried“, das mit einem eingängigen Basslauf beginnt, dann aber in eine interessante Mischung aus Soundgarden-Riffs und hymnenartigem Chorus übergeht. Der Bass setzt hier – wie auf der ganzen Platte – besondere Akzente durch seinen brillianten, stichigen wie auch unüblichen Sound. Seemanns Gesang überrascht dabei in den Strophen mit einer klaren und warmen Stimme.
Hittaugliche Mitgröhl-Kracher sind live ein Stimmungsgarant

Heavy Ride haben eine Gabe für wunderschöne Melodien, so wie etwa bei „Heading for Ruin“. Foto: Andreas Janich
Bei „No Silver Bullet“ findet man sogar poppig-fröhliche Anleihen von Green Day, die glücklicherweise beim Refrain mit einer Portion Aggression wieder weggeblasen werden. Im selben Stil kommt auch „Demons and Prayers“ daher, wahrscheinlich der radiotauglichste – und gleichzeitig auch unspektakulärste Song auf der Scheibe. Absolute Highlights sind „Last Tones Died Away“ und „Old Salt“, die durch raffiniert und spannend aufgebaute Intros in hittaugliche Mitgröhl-Kracher übergehen. Das prollige „Wohohoo“-Geschrei ist vielleicht etwas gewagt, dürfte aber live ein Stimmungsgarant sein.
Heavy Ride haben jedenfalls eine Gabe für wunderschöne Melodien. Eine der schönsten ist ihnen bei der Ballade „Heading for Ruin“ eingefallen. Sie erinnert wegen des schlichten „Ahh“-Chors ein wenig an System Of A Downs „Lost in Hollywood“ und endet in einem emotionalen Feuerwerk. Mit „For all the Heroes“ folgt zum Schluss noch ein interessanter, punkiger Walzer im 6/8-Takt. Spätestens jetzt dreht sich alles nach dieser rasanten Achterbahnfahrt. Genauso, wie es auf dem Cover dargestellt ist.
Fest steht: Heavy Ride werden mit diesem Debüt weiter ihren Weg nach vorne gehen und für Aufmerksamkeit sorgen. Die große Anzahl an bevorstehenden Gigs und ihr Selbstvertrauen sprechen dafür, dass sie vielleicht schon bald von einem größeren Platten-Label entdeckt werden. Das Zeug dazu haben sie allemal.
Jason Ditshej