Passau. Die Eröffnung eines syrischen Gastrobetriebs im niederbayerischen Passau sorgte Anfang Juni für Aufsehen: Lokalmagazine- und zeitungen berichteten über das exotische Angebot, zahlreiche Gäste kamen zur Eröffnungsfeier des Restaurant „SAFI“ in der Neuburger Straße. Aufhänger für die Presse schien vor allem die Tatsache zu sein, dass sich das „SAFI“ in den ehemaligen Räumlichkeiten einer bayerischen Metzgerei befindet. Dabei ist die Lage bei Weitem nicht das Interessanteste, was die Gaststätte zu bieten hat.
Mohamad Faiz Safi und seine Familie sind 2015 nach Deutschland gekommen. Die aus der syrischen Hauptstadt Damaskus stammenden Geflüchteten lebten kurze Zeit in Aidenbach im Landkreis Passau, bevor sie nach Vilshofen weiterzogen. Für den gebürtigen Syrer stand von vornherein fest, dass er aus der „Jobcenterlage“ herauswolle. Der heute 56-Jährige war in seinem Heimatland ein erfolgreicher Unternehmer – eine Tätigkeit, die er hierzulande schnell zu vermissen begann. Er und seine Frau hatten schon immer eine Leidenschaft fürs Kochen. Sie lieben es, vor allem Gerichte aus ihrer Heimat zuzubereiten. Aus diesem Grund beschloss Familie Safi, den Schritt in die niederbayerische Gastronomie zu wagen.
Mit viel Zusammenhalt und großer Leidenschaft
„In Passau gab es noch kein syrisches Restaurant – ein Vorteil für uns“, erinnert sich Sohn Mohamad junior. Die Suche nach passenden Räumlichkeiten gestaltete sich jedoch schwierig: „Wir haben lange Ausschau gehalten. Irgendwann beschloss mein Vater dann, eine Anzeige zu schalten.“ Nur kurze Zeit später meldete sich der Besitzer des Gebäudes in der Neuburger Straße. Schnell stand fest: Die Räume bieten genügend Platz, um Restaurant, Küche, Backstube und die Süßwarentheke unterzubringen. Bei der Planung packte die ganze Familie mit an. „So ist das bei uns“, erklärt Mohamad Faiz Safi. „Wir halten zusammen, unterstützen uns – und jeder hilft mit.“
Dem wurde sich auch Lisa Sturm schnell bewusst. Die 22-Jährige lernte 2017 Mohamads Bruder Fadi kennen. Die beiden verliebten sich und Lisa wurde sofort in den Kreis der Safis aufgenommen. „Ein großer Unterschied zu vielen deutschen Familien ist der Zusammenhalt“, ist die Studentin überzeugt. „Ich kenne viele, die nach der Schule wegziehen und ihre Eltern nur selten besuchen.“ Genau dieses Gemeinschaftsgefühl hat es Familie Safi möglich gemacht, den Traum von der eigenen Gaststätte zu verwirklichen.
Das Ehepaar Safi hat insgesamt sechs Kinder. Zwei der vier Töchter gehen noch zur Schule, die anderen beiden haben sich mit ihren Partnern im Ausland eine neue Existenz aufgebaut. Die Söhne Mohamad jun. und Fadi leben in Passau und unterstützen die Eltern, wo sie nur können. Die Tatsache, dass beide neben dem Beruf noch im Restaurant mithelfen, ist für sie selbstverständlich. „Natürlich packen wir mit an – außerdem macht es uns großen Spaß, denn: Das syrische Essen ist auch unsere Leidenschaft.“
Was bei keinem syrischen Gericht fehlen darf?
Eine Leidenschaft, die mehr und mehr Menschen teilen. „Wir bereiten alles selbst zu“, erklärt Mohamad Faiz Safi mit Nachdruck. Er zeigt auf die Nachspeisen und macht eine Handbewegung, die das Backen imitiert. Er wird nicht gerne als Chef bezeichnet – für ihn gibt es keine Hierarchien im Restaurant. Jeder hilft mit, jeder gehört dazu. Bisher arbeiten ausschließlich Familienmitglieder im Service, außerdem vier Köche und Confisseure, die für die Süßwaren verantwortlich sind. Schon bald komme eine Praktikantin, fährt der Familienvater fort. Das Wort „Praktikantin“ übersetzt sein Sohn für ihn – einige Worte fehlen ihm noch in seinem Wortschatz.
Es ist bewundernswert, wie schnell die Safis Deutsch gelernt haben. Nach ihrer Ankunft 2015 besuchten sie einen Sprachkurs. Schule und Arbeit führten dazu die Kenntnisse auch in der Praxis weiter auszubauen. Doch die Familie wurde auch mit Vorurteilen konfrontiert: In einer kleinen Stadt wie Vilshofen gab es vor allem anfangs einige Menschen, die lieber keinen Kontakt mit den Zugezogenen haben wollten und Vorbehalte hatten.
Heute ist das anders. Egal, zu welcher Tageszeit man das Passauer Lokal besucht: Es scheinen immer Gäste da zu sein. Da bereits morgens um 10 Uhr die Türen geöffnet werden, stellten die Restaurant-Betreiber kurzerhand eine Frühstückskarte zusammen. Tagsüber kann man aus einer Vielzahl vegetarischer und fleischhaltiger Speisen auswählen, die stets frisch in der Küche zubereitet werden. Auf die Frage, was bei keinem syrischen Gericht fehlen dürfe, witzelt Mohamad junior: „Salz und Pfeffer.“ Die eine, außergewöhnliche Zutat gebe es in der syrischen Küche nämlich nicht, erklärt der Sohn der Safis. „Es ist mehr die Kombination aus verschiedenen Gewürzen, Gemüsen und weiteren Zutaten. Viele denken aber, dass das Essen sehr scharf ist – und bitten uns deshalb, ihnen etwas Mildes zu empfehlen.“ Dabei gebe es den Inhabern zufolge so gut wie keine besonders scharfen Gerichte auf der Karte.
„Wir lassen die Leute gerne probieren“
Die gemütlichen Räume sind kreativ dekoriert: Das frische Obst, das für Säfte und Getränke verwendet wird, hängt in Körben von der Decke, ein Schild weist in geschwungenen Buchstaben auf den Verzicht von Alkohol hin. Ähnlich originell wie bei der Einrichtung ging man auch bei der Lösung kleinerer Probleme ans Werk: „Da wir keinen passenden Schrank für unsere Kerne- und Nussbar fanden, bauten wir einfach selbst einen Schrank“, erzählt Mohamad junior. Er und seine Geschwister sprechen die deutsche Sprache inzwischen fließend. Nur Bairisch fällt ihnen manchmal noch etwas schwer.
Der tägliche Kontakt mit den Gästen führt nicht nur zum besseren Sprachverständnis, sondern stellt auch eine Bereicherung für die Kunden dar. „Wir lassen die Leute gerne probieren“, sagt Mohamad Faiz Safi. Denn viele Speisen sind so manchem Restaurant-Besucher gänzlich unbekannt. Die üppig gefüllte Süßwarentheke wird täglich mit Torten, Gebäckstücken, Desserts und weiteren Leckereien gefüllt, die die Kunden als Nachtisch im Restaurant verzehren oder für später mit nach Hause nehmen können. „Mittlerweile verbinden einige auch den täglichen Gang zum Bäcker mit einem Abstecher zu uns“, erzählt Lisa Sturm.
Familie Safi hat sich ihren Traum von der Selbständigkeit, den Traum von der Unabhängigkeit in einem Land fernab der Heimat erfüllt: Mit der Eröffnung der Gaststätte stehen sie auf eigenen Beinen, können täglich ihrer Leidenschaft nachgehen und ihren Gästen die syrische Küche näherbringen. Ein erster Schritt in ein neues Leben.
Malin Schmidt-Ott