In Schweden haben sich in den vergangenen Wochen fünf afghanische Asylbewerber das Leben genommen. Diese Menschen haben Leid hinter sich gelassen, welches wir uns hier – im vergleichsweise sicheren Europa – wohl kaum vorstellen können. Die Angst um das eigene Leben zwang sie zur Flucht aus ihrer Heimat. Ihr einziger Antrieb: die Hoffnung auf ein würdigeres Dasein – in Frieden.
Vom wahren Frieden ist dies alles weit entfernt
Doch meist sieht die Realität nach der geglückten Flucht etwas anders aus: Sie ist gezeichnet von aufkeimender Ungewissheit ob der drohenden Abschiebung – dorthin zurück, wo all das Leid seinen Anfang nahm. Sie ist geprägt von mehreren Umquartierungen, sodass soeben geknüpfte Freundschaften schnell wieder zerstört werden. Von der Sehnsucht nach der Heimat und von Einsamkeit, denn: Selbst wenn sie bleiben dürfen, leben sie häufig isoliert. Isoliert von Land und Leuten, da Einheimische häufig feindselig auf die Neuankömmlinge reagieren.
Vom wahren Frieden ist dies alles weit entfernt. Schließlich belastet das Vermengen von neuer und alter Situation nach den enormen physischen Strapazen vor allem die Psyche, das Gemüt. Manchmal sogar so sehr, dass Asylbewerber ihre Lage nicht mehr ertragen und letztlich nur noch den Freitod als letzten Ausweg sehen.
Wohl niemand möchte an ihrer Stelle stehen, getrennt von der Familie, allein und ausgeschlossen. Trotzdem schlägt diesen Menschen anstatt des ersehnten Friedens, der Akzeptanz, der Menschlichkeit oft nur eines entgegen: jede Menge Hass. Hass, der sich aus der Angst vor dem Fremden nährt und der durch Vorurteile geschürt wird. Eine echte Chance, sich gegen diese Feindseligkeiten zu wehren, bekommen die Flüchtlinge oft nicht, weil ein Großteil der Bevölkerung sich von vorne herein von ihnen abwendet. Doch ist das die Lösung? Die Isolation der Geflüchteten, sodass sie für immer Fremde bleiben?
Recht auf Frieden gilt in erster Linie für uns Europäer…
Jedem sollte doch laut UN-Menschenrechtscharta das Recht zustehen, „in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“, dort in Frieden und Freiheit leben zu dürfen. Darin sind wir EU-Bürger uns auch meistens einig. Allein bei der Frage, wer hier bei uns glücklich werden darf, scheiden sich dann aber offenbar doch die Geister. Denn die Flüchtlingsmassen, so denken augenscheinlich immer mehr, sollen ihren Frieden dann doch lieber woanders suchen. Kurz gesagt: Das Recht auf Frieden gilt in erster Linie für uns Europäer – für andere hingegen weniger.
Doch diesen Frieden, den wir uns selbst alle so hart erkämpft haben und uns weiterhin wünschen, sollten wir teilen. Denn nur auf diese Weise können wir auch selbst so weiterleben wie bisher. Geht man nämlich auf die Geflüchteten zu, macht man sie zu Bekannten, mit der Zeit vielleicht zu Freunden. Während Fremde oft zu Feinden werden und Feindschaft häufig zu Krieg führt, kommt der Krieg zwischen Freunden wesentlich seltener vor – denn eine Freundschaft ermöglicht erst den Frieden.
Text: Michele Bauer
Foto: Stefan Aigner