Es ist kaum zu glauben, dass „Walking To New Orleans“ bereits das 45. (!) Studioalbum des Blues- und Soulgitarristen George Benson ist. Der zehnfache Grammy-Gewinner aus Pittsburgh ist dabei das erste Mal seit 2013 wieder auf Tonträger zu hören – was diese Zahl umso eindrucksvoller macht. Zumal der Mann auch nicht ansatzweise so alt aussieht, geschweige denn klingt. Ganz im Gegenteil, selten hat man in den vergangenen Monaten ein dermaßen locker-flockiges Album, gespickt mit lauter potenziellen Hits gehört, das zu einem Frühlingsspaziergang durchs Grüne – ausnahmsweise mit Knopf im Ohr – einlädt.
Doch das mag vielleicht gar nicht so verwunderlich sein, wenn man bedenkt, dass sich Benson beim Schreiben des Albums zum einen Fats Domino, zum anderen Chuck Berry als Inspiration vorgegeben hatte. Für das vorliegende Album hat er einfach gleich zwei Hände voll von Songs dieser beiden Giganten der US-Rock-Musik aufgenommen – und dabei auf die ganz offensichtlichen Hits verzichtet. Zum Glück!
Man muss dieses großartige Stück Musik sofort noch einmal hören
Den Auftakt markiert Berrys „Nadine (Is It You)“, ein ordentlich nach vorne gehendes Stück Funk-Rock mit coolem Piano und fetten Bläsern. Dann kommen zwei Songs von Fats Domino – das cool-swingende „Ain’t That A Shame“ mit Piano- und Gitarrensolo zum Dauergrinsen und der stampfende „Rockin‘ Chair“ mit einem einmal mehr hervorragenden Bläsersatz. Der Wechsel zwischen Missouri (Berry) und New Orleans (Domino) wird auf dem restlichen Album ähnlich abwechslungsreich fortgesetzt. Denn direkt im Anschluss an „Rockin‘ Chair“ fährt einem das gutgelaunte „You Can’t Catch Me“ von Chuck Berry direkt in die Beine, die sofort anfangen mitzuwippen, ehe der smoothe „Havanna Moon“, ebenfalls von Berry, zur Cuba-Libre-Pause beim Frühlingsspaziergang einlädt.
Der bekannteste Hit auf „Walking To New Orleans“ dürfte die gemütliche Fats-Domino-Nummer „I Hear You Knocking“ sein. Aber auch sie funktioniert so geschmeidig wie eine Maus ins Mauseloch verschwindet. Dann ist wieder Berry dran – mit einer ausgelassenen Fahrt nach „Memphis, Tennessee“. Ob dort wohl auch der King vorbeigeschaut hat? Gelebt und gewirkt hatte Elvis damals jedenfalls bereits – und genügend Rock’n’Roll versprüht die Nummer ebenfalls. Egal, von Tennessee geht es weiter mit Fats Dominos wieder eher gemütlichem „Walking To New Orleans“, bei dem feine Streicher nicht nur die Saiten, sondern auch die Seele streicheln, während im Hintergrund wunderbare Backing Vocals zu vernehmen sind.
Mit „Blue Monday“ (Domino) wird es dann erneut etwas zackiger, wobei natürlich auf dem gesamten Album die gute Laune dominiert. Sogar beim latent blues-traurigen Abschlusssong „How You’ve Changed“ (Berry). Doch ein bisschen Tragik gehört natürlich zum Blues mit dazu, auch wenn die Musik den armen Helden gleich mehrmals errettet. Im Falle von George Benson bereits zum 45. Mal in abendfüllender Länge. Weil – völlig selbsterklärend – man muss dieses großartige Stück Musik nach dem letzten Ton des letzten Songs sofort noch einmal hören. Doppelt hält bekanntlich besser.
Wolfgang Weitzdörfer
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- VÖ: 26. April 2019
- Label: Provogue/Mascot/Rough Trade
- Songs: 10
- Spielzeit: 38:29 Minuten
- Preis: ca. 16 Euro