Gut, die Cover der Alben der finnischen Melo-Deather mit dem Faible für von Serienmeuchlern dahingerafften Teenies, Children Of Bodom, sind wirklich nicht gerade das, was man verkaufsfördernd nennt. Immer und immer wieder taucht da von Anfang an – also seit dem formidablen Debüt-Derwisch „Something Wild“ – der Reaper mit seiner Kapuze und der Sense auf. Irgendwas wird’s schon zu ernten geben, wird sich der Schnitter vermutlich gedacht haben, als er den Vertrag auf Lebenszeit mit Alexi Laiho und Co. unterschrieben hat…
Aber gut. Kann sich ja nicht jeder ein Cover von Hipgnosis, Hugh Syme oder Travis Smith leisten. Und wer wiederum die Bodom-Kinder kennt, weiß ohnehin, dass sich hinter beinahe jedem ihrer Alben zumindest solide Melodic-Death-Metal-Kost verbirgt – und wird wohl auch zugreifen, ohne vom Cover angezogen zu werden.
Fette Gitarrenriffs, simple Harmonien, wüstes Gekeife
Genug gelästert – kommen wir zum Eigentlichen: „Hexed“, das mittlerweile elfte Werk der Band aus Espoo in Finnland. Und ja, man könnte es als allenthalben notwendig gewordenen Schritt zurück bezeichnen – was allerdings durchaus die richtige Richtung zu sein scheint. Denn plätscherten gerade die letzten Alben der Band um den immer irgendwie unsympathisch rüberkommenden Laiho und seine Jungs eher belanglos dahin, sind auf „Hexed“ in ziemlich genau einer Dreiviertelstunde wieder jene Elemente enthalten, die vor allem das ungestüme Debüt zu einer derart famosen Sache gemacht hatten: wilde Keyboard- und Gitarrensoli im Dutzend, eingängige Melodien und simple, stets nachvollziehbare Strukturen mit jeder Menge Widerhaken und 80er-Jahre Pop-Appeal.
Bestes Beispiel dafür sind gleich die beiden ersten Songs „This Road“ und „Under Grass And Clover“. Da passiert auf der Meta-Ebene jetzt nicht so wahnsinnig viel – progressive Komplexität sieht anders aus. Aber wenn es mit fetten Gitarrenriffs, ein paar simplen Harmonien und Melodien sowie wüstem Gekeife einfach nur auf die Zwölf geht, freut sich das Headbanger-Kind im Manne und die ersten Nackenwirbel beginnen schon bald zu knacken… Zumindest dann, wenn das Kind in einem Ü40-Mann steckt.
Düster geht es bei den Bodom-Kindern eh immer zu. Fröhliche Momente sucht man auch auf dem elften Album vergebens. Aber wenn es dann wie in „Hecate’s Nightmare“ im schleppenden Midtempo nur zäh vorangeht, wird es immer schwerer, dem Reaper zu entkommen. Denn der Kerl mit der Sense taucht immer dort auf, wo man ihn am wenigsten erwartet. Wie gut, dass mit „Kick In A Spleen“, „Platitudes And Barren Words“ – schon jetzt ein heißer Anwärter auf den Songtitel des Jahres! – sowie dem Titelsong das Gaspedal gleich wieder aufs Bodenblech gepresst wird.
„Hexed“ sorgt für einen gewissen Suchteffekt…
Die Dreiviertelstunde auf „Hexed“ vergeht somit wie im Flug, ruckzuck ist man beim letzten Song „Knuckleduster“ angekommen – und wundert sich anschließend doch kurz über die nun folgende Stille. Das hätte doch gut und gerne noch für ein paar Songs so weitergehen können, denkt man sich. Und die Finger tasten zur Play-Taste, denn dieses Album, so simpel dahergerockt es erscheint, sorgt doch für einen gewissen Suchteffekt, der eben nur durch erneute Zufuhr befriedigt werden kann. So muss gute Musik!
Wolfgang Weitzdörfer
P.S.: Wer es noch nicht wissen sollte: Die Band ist benannt nach einem realen Mordfall, der gut und gerne Stoff für einen klassischen Slasher-Film in Freitag-der-13.-Manier hergibt. Im Jahr 1960 wurden drei von vier am Bodom-See in Espoo zeltende Jugendliche ermordet. Der vierte Junge überlebte schwer verletzt, konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Er konnte lediglich unter Hypnose aussagen, dass die vier von einem Mann überfallen wurden. Da die Fahndung nach dem Unbekannten erfolglos verlief, bot die Geschichte der toten Kinder vom Bodom-See Stoff für Schauermärchen und urbane Legenden. 2005 wurde der Überlebende wegen neu ausgewerteter DNA-Spuren überraschend angeklagt. Der mehrfache Familienvater, damals 62 Jahre alt, wurde indes freigesprochen. Neben ihrem Bandnamen haben Children Of Bodom den Opfern auf ihren ersten sechs Alben jeweils einen Song gewidmet.
- VÖ: 8. März 2019
- Label: Nuclear Blast
- Songs: 11
- Spielzeit: 45:48 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro