Wenn da eine Band ist, die sich nach acht Jahren und vier hervorragenden Modern-Metal-Alben (und das ist nun wahrlich ausschließlich positiv gemeint!) sang- und klanglos von der Bildfläche verabschiedet, um dann nach weiteren 14 (!) Jahren der Funkstille wiederzukommen, obendrauf dieses Comeback mit dem Albumtitel „Born Again“ hinlegt – dann ist das entweder einfach nur cool oder schrecklich einfallslos. Ich mach das jetzt so: Die Bewertung des Albumtitels geht einher mit der Qualität des neuen und fünften Werks der Schwabenpfeile „Farmer Boys„, die sich via Arising Empire, einem Sublabel der schwäbischen Metalschmiede Nuclear Blast, zurückmelden.
Mein Gott, die Farmer Boys… – das ist so sehr meine Jugend wie es praktisch der gesamte Back-Katalog der 1990er von Century Media und Nuclear Blast ist. Eines meiner ersten Konzerte, das ich für die Allgäuer Zeitung begleiten durfte, war seinerzeit im Jugendhaus zu Kempten das der Famer Boys. Damals noch mit analoger Schwarz-Weiß-Film-Kamera. Und einem gigantischen Shot von Gitarrist Alex Scholpp, Matte vorm Gesicht, Beine am Arsch, ein Meter in der Höhe – dafür hätte ich meine Hand gegeben, ne?
… als wären die Farmer Boys niemals weggewesen
In Zeiten der Digitalkameras und ihrer hunderttausend Bilder ist das hingegen nicht mehr so eindrucksvoll. „Countrified“ (1996) – mit jener Hammer-Coverversion von Depeche Modes „Never Let Me Down Again“ mit meiner großen Jugendliebe Anneke van Giersbergen von The Gathering an den Gast-Vocals, „Till The Cows Come Home“ (1997) mit den Großtaten „When Pigs Fly“ oder „Pig Nick“, „The World Is Ours“ (2000) mit der Ballade-der-Balladen „If You Ever Leave Me Standing“ und diesem Wahnsinns-Titelsong – und schließlich „The Other Side“ (2004) mit diesen Übernummern „For The World To Sing“, „Like Jesus Wept“ und „Once And For All“ – ich würde mal sagen: Die musikalische Sozialisation auf der meinen und das musikalische Vermächtnis auf deren Seite könnte wesentlich schlechter aussehen…
Gut, was ist aber nun mit „Born Again“? Die zwölf Songs beginnen genau so, als wären die Farmer Boys niemals weggewesen. „Cosmos“ ist eines der wesentlich besseren Intros, steigert es sich doch aus dem Nichts heraus zum fetten Gitarrenriff von „Faint Lines“, das einen Alex Scholpp in Bestform zeigt – der in seinen Jahren als Tourgitarrist von ex-Nightwish-Trällerelse Tarja Turunnen keineswegs glattgeschliffen wurde. Drüber sitzt Matze Sayers angenehm poppiger Gesang, der einmal mehr eine großartig poppige Melodie singt, wenngleich er beim Opener tatsächlich etwas weinerlicher als früher klingt. Das ist aber schon beim zweiten Song „Fiery Skies“, einer düsteren Up-Tempo-Nummer mit kratzigen Vocals und einer Gänsehautmelodie, wieder – sozusagen umgekehrt – glattgebügelt. Also, garstig gebügelt. Oder so. Aber, Kinder, was für ein Refrain!
… das konnten die Farmer Boys schon immer perfekt
Diese Mixtur aus Pop und Metal – das konnten die Farmer Boys schon immer perfekt. Dazu kam dann der Bombast, der einen immer irgendwie in höhere Sphären hob, von denen man dann auf die Welt runterlinsen konnte. „The World Is Ours“? Logisch! „You And Me“ ist dafür ein perfektes Beispiel. Wichtig ist dafür auch immer das Keyboard gewesen, das immer einem dicken Teppich glich und früher von Dennis Hummel gespielt wurde. Ein Job, den heute Richard Duee ebenso perfekt erledigt. Der Keyboarder ist neben Drummer Timm Schreiner, der Till Hartmann ersetzt, zweites neues Bandmitglied, nachdem Antonio Ieva am Bass wieder durch Ur-Basser Ralf Botzenhart ausgetauscht wurde.
Balladen gehörten auch schon immer zu den Farmer Boys – man erinnere sich nur an das bereits erwähnte „If You Ever Leave Me Standing“, das ganz großes Bombast-Kino ist. In diese Richtung geht auch „Isle Of The Dead“, das mit Piano-Klängen, Akustikgitarre und Konservenstreichern zu begeistern weiß. „Tears Of Joy“ ist eine tatsächlich insofern herausstechende Nummer, weil sie dem Titel mit einer beinahe fröhlichen Gesangsmelodie gerecht wird. Die zweite Seite wird durch das weitere stimmungsvolle Zwischenspiel „Mountains“ eröffnet, das in „Stars“ mündet. Das wiederum hat fast ein bisschen was von einer James-Bond-Titelmelodie, während man sich dabei ertappt, sich den Gitarrenmix etwas aggressiver zu wünschen.
„Oblivion“ gefällt wiederum vor allem wegen der Gitarrenarbeit, denn nicht nur schafft Scholpp es, mit einem großartigen Solo zu brillieren, auch seine Riffs und Licks im Hintergrund zeigen, dass er ein richtig guter seiner Zunft ist. „In The Last Days“ läutet dann mit flottem Riffing und einmal mehr einem Refrain zum Niederknien das letzte Viertel dieses grandiosen Comebacks ein. „Revolt“ und „Born Again“, zu dem gleich die Gretchenfrage noch zu beantworten wäre, runden das fünfte Farmer-Boys-Werk gekonnt ab.
Schlichtweg begeistert, das Fan-Herz jubiliert
So. Was ist nun mit dem Titel? Gemessen an der Qualität, die die fünf Schwaben hier an den Tag legen, ist er zum einen die Untertreibung des Jahres, denn es klingt auf der einen Seite, als wäre das Quintett niemals weggewesen. Zum anderen ist aber die Tatsache, dass 14 Jahre zwischen „The Other Side“ und „Born Again“ liegen, irgendwie auch mit einer Art Neugeburt einhergegangen. Ich bin schlichtweg begeistert, das Fan-Herz jubiliert – und es wird Zeit, einen schönen Abend mit allen fünf Alben der Bauernburschen aus dem Schwabenland am Stück einzuplanen.
Darauf ein „Dinkel Acker“! (Wer’s nicht kennt: Stuttgarter Pils-Bömble im 0,33-er-Format – Anm. d. Autors, der einige Jahre in Reutlingen und Ulm leben durfte.)
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 2. November 2018
- Label: Arising Empire/Nuclear Blast
- Songs: 12
- Spielzeit: 49:19 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro
Das offizielle Video zu „Revolt“: