Wien. Rund 15 Monate ist es her, dass sich die konservative ÖVP und die rechte FPÖ in der Wiener Hofburg das Ja-Wort gaben. Seit der Regierungsangelobung zieht sich ein Muster – wie ein brauner Faden – durch die Koalition: rassistische Entgleisungun der FPÖ, gefolgt von leisen, mahnenden Worten der ÖVP. Wiederum gefolgt von ungleich lauterer Kritik der Opposition. Nach einem poetisch wenig gehaltvollen, dafür ungleich rassistischerem „Gedicht“ des Braunauer FPÖ-Vizebürgermeisters, in dem er Migranten mit Ratten vergleicht, musste dieser – immerhin – nun seinen Posten räumen. Für Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist das dann aber auch wieder genug der Distanzierung – und dennoch dürfte ihm sein Koalitionspartner langsam unangenehm werden.
„Die Stadtratte (Nagetier mit Migrationshintergrund)“ – so überschreibt der Vizebürgermeister von Braunau am Inn, Christian Schilcher, seinen semi-poetischen Erguss. Darin heißt es unter anderem: „So, wie wir hier unten leben/ müssen and’re Ratten eben/ die als Gäst‘ oder Migranten/ auch die, die wir noch gar nicht kannten/ die Art zu leben mit uns teilen!/ Oder rasch von dannen eilen!“
In jüngster Vergangenheit bröckelt die Fassade
Das „Rattengedicht“, erschienen in einer Parteizeitung der FPÖ, ist nur ein weiterer Tiefpunkt in einer Serie von rassistischen, antisemitischen oder islamverachtenden Äußerungen und Handlungen diverser FPÖ-Mitglieder. Dass das „Gedicht“ – noch dazu am „Führergeburtstag“ (20. April) in Braunau veröffentlicht – hochgradig rassistisch ist, darüber kann es kaum zwei Meinungen geben. Interessant ist eher der Umstand, dass Vize-Rathaus-Chef Schilcher offenbar tatsächlich der Meinung war, dass die Veröffentlichung einer solchen Hetzschrift folgenlos bleiben würde. Was wiederum darauf schließen lässt, dass er tatsächlich der Meinung war, derart verpoetisierter Chauvinismus finde bei der eigenen Anhängerschaft Anklang. In einer Aussendung des Braunauer Vizes hieß es dann: „Dass der Vergleich von Mensch und Ratte historisch belastet und mehr als unglücklich ist, ist ein Faktum und es tut mir aufrichtig leid, das missachtet zu haben“. Er habe lediglich „provozieren“, jedoch „keinesfalls beleidigen“ wollen. Provokation gelungen.
Diese „historische Belastung“ war es dann auch, die Schilcher um sein Amt als Vizebürgermeister brachte. Auch aus der FPÖ trat der Hobby-Poet nun aus. Und seither vollzieht man in der österreichischen Regierung wieder jenen Eiertanz, den man seit Angelobung im Wochentakt aufs Parkett legt: Entgleisung, Entschuldigung, Tadel, zurück zum Modus Vivendi. Wenn man der rechtskonservativen Regierung etwas anrechnen kann, dann das: Sie hat die Kunst der „Message Control“ im Laufe der Legislaturperiode beinahe perfektioniert. Zumindest die ersten zwölf Monate standen unter dem öffentlichen Banner reinster Harmonie. In jüngster Vergangenheit bröckelt die Fassade jedoch.
Attentäter von Christchurch spendete 1.500 Euro an die „Identitären“
Als vor einigen Wochen bekannt wurde, dass der mutmaßliche Attentäter von Christchurch, der in zwei Moscheen 50 Menschen ermordete, Kontakte zur rechtsextremen Szene in Österreich unterhält und sich nachweislich im November 2018 in Österreich aufhielt, kam erstmals Bewegung in die Sache – mehr Bewegung als üblich. Martin Sellner, Chef-Ideologie der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), hatte laut Grazer Staatsanwaltschaft von genanntem Christchurch-Mörder mutmaßlich eine Spende von 1.500 Euro erhalten, woraufhin Sellner sich per Mail bei diesem bedankte. Die selbsternannte „Identitäre Bewegung“ ist seit ihrer Gründung – in Anlehnung an ihren Vordenker Renaud Camus – reichlich bemüht vor einem angeblich drohenden „Großen Austausch“ zu warnen. Das Pamphlet, das der Massenmörder von Christchurch hinterließ, trug den Titel: „Der Große Austausch“ (The Great Replacement). Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither gegen Sellner wegen Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.
Dass Sellners Wohnung in Wien von der Polizei durchsucht wurde, war mit einem Schlag nicht mehr nur Sellners Problem – sondern auch jenes von Kurz. Dessen Koalitionspartner ist es nämlich, der beste Kontakte zur IBÖ pflegt. „Mindestens 48 Personen“ im Kreise der Freiheitlichen Partei, so heißt es in einem Dossier von „SOS-Mitmensch“, pflegen Kontakte zur IBÖ, waren auf deren Veranstaltungen oder auf IBÖ-nahen Veranstaltungen zugegen – oder sogar als Redner aufgetreten. Im Dossier genannt werden auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Innenminister Herbert Kickl, Sozialministerin Beate Hartinger-Klein und Außenministerin Karin Kneissl. Wahrlich keine Hinterbänkler.
Deutliche Worte – und dann: nichts
Reichlich bemüht war man in der FPÖ-Führungsriege nach Bekanntwerden der Vorwürfe, sich von den „Identitären“ zu distanzieren. Mit mäßigem Erfolg. Zu zahlreich die Sympathiebekundungen, zu deutlich die ideologischen Schnittmengen, zu eng die Verwobenheit des eigenen Klientels. Selbst Kurz wurde in weiterer Folge in seiner Wortwahl deutlicher – zumindest deutlicher als zuvor. Passiert ist dann in weiterer Folge jedoch: nichts. Abgesehen von lautstarken Vorwürfen der Opposition, die FPÖ sei als Koalitionspartner nicht mehr tragbar. So wie das eben seit rund 15 Monaten läuft in der Alpenrepublik.
Seit Regierungsangelobung im Dezember 2017 betreibt die ÖVP-FPÖ-Koalition eine Art Arbeitsteilung, jeder darf abwechselnd sein Klientel bedienen. Auf ein Zuckerl für die Wirtschaft folgt ein Zuckerl für die braune Sippschaft. Gibt’s für die ÖVP den Zwölf-Stunden-Tag, darf der Koalitionspartner mal kurz den Nicht-Österreichern die Sozialleistungen kürzen. Das Ganze folgte augenscheinlich dem Reisverschluss-Prinzip und beruhte bisher auf der gegenseitigen Übereinkunft: nur den Bogen nicht überspannen. Denn die Zuckerl, die die ÖVP verteilt, liegen der FPÖ-Wählerschaft teils schwer im Magen. Und umgekehrt stößt so manch rassistischer Rundumschlag den Konservativen schwer auf. Jeder hat seine Interessenten zu bedienen und dem jeweils anderen dabei nicht auf den Schlips zu treten.
Die FPÖ kann nicht ohne rechte Vorfeldorganisationen
Das Dilemma, in dem sich die FPÖ-Führungsriege aktuell befindet, ist das Folgende: Um des Koalitionsfriedens willen muss sie sich von derartigen Skandalen und personellen Verstrickungen im rechtsextremen Milieu fernhalten. Andererseits ist sie auf Vorfeldorganisationen wie die IBÖ und diverse Burschenschaften, die tief im rechtsextremistischen Milieu mitwühlen, angewiesen. Als sich Heinz-Christian Strache öffentlich von den „Identitären“ distanzierte, empörte das nicht nur Martin Sellner und die IBÖ, sondern auch Teile der FPÖ-Anhängerschaft. Um das Tänzchen zwischen dem bürgerlichen Lager und extremer Rechter weiterhin bewältigen zu können, distanziert man sich so viel wie nötig – und so weit wie möglich. Nicht immer gelingt das.
Die Frage ist, wie weit Kurz gewillt ist, dieses Spielchen noch mitzuspielen. Auch er muss – irgendwann – rote Linien ziehen. Spätestens wenn die Industriellenvereinigung rote Linien zieht. Auch wenn der türkise Shootingstar so beliebt ist wie kaum zuvor, kann ihm sein Koalitionspartner irgendwann zum Stolperstein werden.
Analyse: Johannes Greß
Es ist beschämend wie Ihr unsere östereichichen Nachbarn diffamiert und die wahren Auswüchse der Migration verharmlost. Dies trägt in keiner Weise zur europäischen Gemeinschaft bei.
Ich sehe mir Euren linksradikalen Populismus nicht länger an und bestelle Da Hog’n ab.
Lieber Jürgen,
ich glaube, Verbindungen zu einem Terroristen, der in einer Moschee 50 Muslime erschießt und die Sorge um die „wahren Auswüchse der Migration“, sind nochmal zwei ganz verschiedene paar Schuhe.
Liebe Grüße!