Wien. Dass Daniela Kickl kein Fan ihres namensgleichen Cousins ist, darüber weiß die Öffentlichkeit längst Bescheid. 200 „Brieferl“ an ihren „lieben Cousin Herbert“ verfasste sie bereits, in denen sie die Politik des ehemaligen FPÖ-Innenministers lautstark, humoristisch und scharf kritisiert. Nun möchte die Autorin von „Apple Intern“ bei den Parlamentswahlen im Herbst für die Grünen kandidieren. Bekommt sie ein Mandat, sitzt sie mit ihrem „lieben Cousin Herbert“ gemeinsam im Nationalrat: „Das wäre super! Ich würde ja hoffen, dass wir dann nebeneinander sitzen“. Ein Gespräch über Humor, #MeToo, Ibiza und innerfamiläre Differenzen…
Frau Kickl: Wie wichtig ist Humor in der Politik?
Momentan haben wir nicht allzu viel ‚freiwilligen‘ Humor. Unfreiwilligen haben wir genug. Humor ist immer wichtig – im gesamten Leben. Nicht nur als Überlebensstrategie, sondern auch, weil es Dinge viel leichter zugänglich macht. Da denke ich mir, Humor in der Politik, wohldosiert und auf einem gewissen Niveau, wäre total wichtig. Wenn es ein bisschen lustiger und entspannter wäre, würden sich mehr Leute dafür interessieren. Und wenn sich mehr Leute interessieren, setzen sie sich mehr damit auseinander. Und wenn sie sich mehr damit auseinandersetzen, haben sie einen besseren Einblick – und können bessere Entscheidungen treffen. Insofern: Ja, wäre sehr wichtig!
Die FPÖ und der „unbekannte Virus“
Ist das auch eine Strategie für Sie, die aktuellen Vorkommnisse zu verdauen?
Keine bewusste, sondern eine unbewusste Strategie, die ich einfach in meinem Leben habe. Begonnen hat das Brieferlschreiben ja damit, dass am 9. November 2017 Christian Kern (ehem. SPÖ-Bundeskanzler – Anm. Red.) im Nationalrat die Rede zu den Pogromen 1938 gehalten hat – und die FPÖ nicht applaudierte. Ich habe mir dieses Video angesehen, weil ich es nicht glauben konnte. Das hat mich aufgeregt und ich habe mir gedacht: Die schauen aus, als hätten sie irgendeinen komischen Virus erwischt, der sie davon abhält zu klatschen. ‚Der unbekannte Virus‘ war dann auch der Titel für mein erstes Brieferl. Das heißt, es gibt keine bewusste Strategie, das irgendwie lustig zu gestalten – das habe ich einfach in mir…
Wenn’s gut läuft, ziehen Sie demnächst für die Grünen in den Nationalrat ein – wird Ihnen Ihr Humor erhalten bleiben?
(lacht) Da bin ich hundertprozentig sicher! Das ist, wie gesagt, keine bewusste Strategie. Das ist eine Art Humor-Reflex von mir, dass ich die Dinge so wahrnehme, dass sie trotzdem lustig sind – auch wenn sie noch so tragisch scheinen.
Wie spielen Humor und Widerstand zusammen?
So erreiche ich offensichtlich viel mehr Menschen. Oft schreiben mir Leute, sie lesen keine Nachrichten mehr, weil sie das nicht verkraften. Das kenne ich auch. Spätestens nach der dritten Nachricht mag man sich fragen: Was ist besser – der Strick oder die Whiskey-Flasche? Aber: Viele schreiben mir, sie lesen keine Nachrichten mehr, freuen sich jedoch auf meine Brieferl, weil da bekommen sie auch die wichtigsten Informationen – und können dazu noch lachen! Das ist total wichtig. Egal, was man macht, es ist doch auch wichtig, dass man es sich selbst möglichst angenehm macht. Was bringt’s, wenn ich todernst nur ‚Widerstand!‘ schreie? Das wäre für mich auch nicht gut – ich könnte das nicht. Je lockerer man das nimmt, desto angenehmer ist es für mich selbst – und offensichtlich auch für die anderen.
Alles gleich als „Rassismus“ oder „Sexismus“ auszulegen, ist kontraproduktiv!
In Ihrem letzten Brieferl haben sie geschrieben: „Was nützt es denn, wenn mich die Grünen begeistert in die Arme schließen, ich aber nicht für das einstehen kann, was mir wichtig ist?“ – Was ist Ihnen denn wichtig?
Was mir wichtig ist, ist primär das Gemeinsame. Und auch die Kirche im Dorf zu lassen. Es gibt nichts Blöderes als immer nur zu polarisieren. Das machen eh die Rechten schon – aber das machen die Linken auch: Alles gleich auf Rassismus und Sexismus umlegen. Das ist nicht gut. Wenn Sie mir jetzt ein nettes Kompliment machen, zum Beispiel sagen ‚Ihr Kleid ist aber hübsch‘ – und ich sofort sage: ‚Ach, dieser böse Reporter, der hat mir sicher nur in den Ausschnitt geschaut – Sexist!‘ Das wird kontraproduktiv und wird auch der Realität nicht entsprechen.
Wie weit das auf die Grünen insgesamt zutrifft, weiß ich nicht. Aber es ist wichtig für mich. Es geht mir ja auch darum, etwas weiterzubringen. Und ich werde nur etwas weiterbringen, wenn ich die Extremen – egal auf welcher Seite – so nicht gutheiße.
Sie wollen die Dinge differenzierter betrachten…
… so, dass man die Kirche im Dorf lässt! Ich habe im Standard mal einen Artikel geschrieben: „Eine Fluchtmöglichkeit aus der Genervt-sein-Schleife“. Da gab es eine Diskussion, ob es sich um Rassismus handelt, wenn ich jemanden nach seiner oder ihrer Herkunft frage, der oder die bzw. dessen Eltern unter Umständen nicht aus Österreich stammen. Wenn ich aus nettem Interesse frage: ‚Woher bist Du denn?‘ Dann hat das nichts damit zu tun, dass ich Rassistin bin – sondern damit, dass ich ein neugieriger Mensch bin. Wenn ich beispielsweise als Antwort bekomme: ‚Ich bin eigentlich in Österreich geboren, aber meine Eltern kommen aus Ghana.‘ Dann freue ich mich, weil dann kann ich etwas über Ghana erfahren, was ich bisher noch nicht wusste. Hier sofort Rassismus zu unterstellen, ist fatal.
Diese ganze übertriebene politische Korrektheit, die halt auch damit zu tun hat, dass – gerade in Bezug auf #MeToo – jeder gerade gerne Opfer sein möchte – das ist sowas von kontraproduktiv. Und das ist – davon bin ich überzeugt – mit ein Grund, warum die Rechten es so leicht haben.
#MeToo hat dennoch viele bestehende Missstände sehr effektiv aufgezeigt…
… darüber brauchen wir nicht reden! Aber es ist halt ein Unterschied, ob es tatsächlich ein Missstand ist – oder, ob sich jemand beschwert, dass ein Mann einer Frau ein Kompliment macht. Ich kann nicht ein Kompliment mit einer Vergewaltigung gleichsetzen.
Die türkis-blaue Regierung, war noch viel schlimmer als erwartet…!
Was war der Auslöser für Ihre Kandidatur?
Das hat sich so entwickelt. Ich habe bereits viele Lesungen aus meinen Brieferln gemacht. Unter anderem auch mit den Grünen gemeinsam in Innsbruck. Oder auch in Wien – da hatten wir im Parlament die Aktion ‚Kickl für Grüne‚ (lacht). Bei fast allen Lesungen war es dann immer so, dass Leute gesagt haben: Daniela, wir würden dich so super in der Politik finden. Ich habe mich damit nicht wirklich auseinandergesetzt, weil ich davon ausging, dass diese Regierung noch länger hält. Dann kam das Ibiza-Video (lacht). Und dann kam der Gedanke: Das mache ich jetzt, da könnte ich einen guten, wertvollen Beitrag leisten.
Es bewerben sich in Wien 29 Personen für 8 Listenplätze – wie groß schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Ich muss sagen, ich habe keine Ahnung! Es kann sein, dass sie mich ausbuhen, weil sie sagen, sie möchten das nicht hören, was ich zu sagen habe. Es kann aber auch sein, dass sie sagen: Das finden wir total super. Wie auch immer – mein Leben wird weitergehen, das Leben der Grünen auch. Wenn wir es zusammen machen, wäre das toll – wenn nicht, war es sicherlich eine tolle Erfahrung.
Grund für die Neuwahlen ist ja das abrupte Ende der Koalition von Schwarz-Blau…
Türkis-Blau! Das ist wichtig!
Okay, das Ende von Türkis-Blau. War die Regierung tatsächlich so schlimm wie erwartet?
In Wahrheit war sie noch schlimmer! Das ist der Grund, warum ich nach wie vor meine Brieferl schreibe: Ich habe bemerkt, wie wichtig es ist, dass wir die Dinge immer dokumentieren. Wir vergessen ja alle viel zu schnell. Nicht weil wir blöd sind, sondern weil wir täglich mit neuen Informationen bespielt werden. Wenn ich dann sitze, mir überlege, was ich in meiner nächsten Lesung vortragen soll und so meine Brieferl durchgehe – ich staune oft selbst! Wirklich, genau, das war ja auch! Das ist, glaube ich, das wirklich Wertvolle an diesen Brieferln.
Das Ibiza-Video: „Wirklich überrascht hat’s mich leider nicht“
Der Grund für das Ende von Türkis-Blau ist das Ibiza-Video. Hat Sie das überrascht? Was haben Sie gedacht, als Sie das Video zum ersten Mal gesehen haben?
Im ersten Moment war ich völlig fassungslos. Ich glaube, das waren wir alle. Wirklich überrascht, dass so etwas gesagt wird, hat’s mich leider nicht. Vielleicht dann eher, dass das wirklich so ausgesprochen wird. Ich meine, dass jeder mal in seinem privaten Umfeld etwas sagt, was er öffentlich vielleicht nicht sagen würde, ist klar. Aber es sind halt diese Grundwerte, die dort offensichtlich vertreten werden…
Bekannt sind Sie geworden durch Ihre „Brieferl an den lieben Cousin Herbert…“ – wie steht’s denn im Hause Kickl derzeit um den Familienfrieden?
Grundsätzlich gut. Der Herbert und ich haben so viele Cousins und Cousinen. Unsere Väter waren ja Brüder, aber die hatten noch zwölf weitere Geschwister. Insofern ist das eine sehr große Familie. Ich habe mich total gefreut, dass sich Cousins und Cousinen, die ich bis dato nicht kannte, bei mir gemeldet haben und gesagt haben: ‚Super Daniela, weiter so!‘ (lacht). Kann natürlich auch sein, dass es welche gibt, die das nicht so gut finden, mir das nicht sagen – und dem Herbert solche Mails schreiben. Kann ich nicht ausschließen.
Hat Herbert Kickl selbst bereits darauf reagiert?
Nein, nein. Obwohl ich ihm in das erste Buch eine Widmung reingeschrieben und das ans Innenministerium geschickt habe – per Einschreiben mit Tracking-Nummer! Die habe ich dann extra auf Facebook und Twitter gestellt, damit die Fans auch mitfiebern können, ob das Buch ankommt. Trotzdem hat er nicht reagiert. Schade.
„Ein Brieferl hat er ausgedruckt in die Hand bekommen“
Aber Martha Bißmann (parteilose Nationalratsabgeordnete, ehem. Liste Jetzt – Anm. Red.) hat einmal ein Brieferl im Parlament vorgelesen. Die hat mich extra vorher angeschrieben. Also eines hat er definitiv gehört und dann auch ausgedruckt in die Hand bekommen. Dank hat er mir keinen ausrichten lassen.
Zukünftig könnten Sie gemeinsam im Nationalrat sitzen.
Das wäre super! Ich würde ja hoffen, dass wir dann nebeneinander sitzen. Dann könnte ich ihm immer die Briefe zustecken.
Bei aller Streitbarkeit der Person Herbert Kickl – er macht seine Sache erfolgreich. Ganz ehrlich: Was macht er Ihrer Meinung nach richtig, was macht er gut?
Das ist überhaupt keine Frage, dass er sein Handwerk versteht. Da brauchen wir nicht reden. ‚Daham statt Islam‘ oder ‚Pummerin statt Muezzin‘: Ob einem das inhaltlich gefällt oder nicht – vom Marketing her ist das total genial. Er schafft es gut, Sachen zu transportieren, die seine Wähler ansprechen. Das kann er so formulieren, dass die genau wissen, wie der Hase läuft.
„Mir fällt nichts ein, wo ich sagen könnte, das war wirklich gut …“
Was werden Sie besser machen?
Besser würde ich nicht sagen. Ich würde sagen: anders. Für Humor ist er ja nicht so bekannt….
Ihr Cousin schrieb ja bereits für Jörg Haider die „Gags“…
…natürlich. Aber inhaltlich mache ich etwas besser! Was macht denn die FPÖ? Sagen Sie mir eine, eine einzige Maßnahme, die die FPÖ oder der Herbert umgesetzt haben, die irgendwie gut war. Im Prinzip ist ja das Ganze, was die da machen, ausgelegt auf Polarisieren – die Ausländer gegen die Inländer. Dass sie sich aber um die Inländer genauso nichts scheren, macht den Wählern offensichtlich nichts aus. Aber mir fällt wirklich nichts ein, wo ich sagen könnte, das war wirklich gut …
Interview: Johannes Greß
Zur Person: Daniela Kickl, 48, wurde in Wien geboren, studierte zunächst Politikwissenschaft und Publizistik an der Universität Wien, später BWL an der WU Wien. Nach einer dreijährigen Anstellung in der Europa-Zentrale von Apple im irischen Cork publizierte sie das Buch „Apple Intern„. Seit November 2017 verfasst sie regelmäßig „Brieferl an meinen lieben Cousin Herbert…“, welche mittlerweile in drei Bänden als Buch veröffentlicht wurden. Für die Grünen möchte sie im Herbst in den Nationalrat einziehen.