Zwiesel. Die Ausarbeitung eines sog. Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (kurz: ISEK) ist in der Bayerwald-Stadt Zwiesel bereits seit Längerem ins Stocken geraten (da Hog’n berichtete). Ob der ISEK-Prozess, bei dem auch die Zwieseler Bürgerschaft intensiv miteinbezogen werden soll, am Ende zu einem zufriedenstellenden Abschluss kommen wird, ist aktuell unklar. Vanessa Döhler (26) hat sich indes auf wissenschaftlicher Basis mit dem Thema Stadtentwicklung beschäftigt: Im Rahmen ihrer Abschluss-Arbeit an der TH Deggendorf ist die Studentin der Frage auf den Grund gegangen, wie ihre Heimatstadt mittels unterschiedlicher Konzept-Bausteine wiederbelebt werden kann.
Vanessa: Wie lautet der Titel Deiner Bachelor-Arbeit? Warum hast Du Dich für dieses Thema entschieden?
Der Titel meiner Bachelor-Arbeit lautet: „Wie kann die Stadt Zwiesel mithilfe von unterschiedlichen Konzept-Bausteinen revitalisiert werden?“ Ich habe mich dafür entschieden, da mich zum einen das Thema Stadtentwicklung sehr interessiert. Jede Stadt ist unterschiedlich, es werden verschiedene Bausteine benötigt. Durch das Setzen dieser Bausteine kann sich eine Stadt vielfältig entwickeln. Dies finde ich faszinierend. Zum anderen ist Zwiesel meine Heimatstadt, die offensichtlich frische, andere Ideen benötigt, um endlich voranzukommen.
Zwiesel: Zwischen Cittàslow, kreativer und schrumpfender Stadt
Als Basis für Deine Arbeit hattest Du einige Expertengespräche im Vorfeld geführt. Mit wem hast Du gesprochen?
Ich habe mich mit Zwiesels zweiter Bürgermeisterin Elisabeth Pfeffer unterhalten, mit Walter Binek vom Stadt-Planungsamt Deggendorf sowie mit Herbert Unnasch, dem Geschäftsführer der Arberland REGio GmbH. Durch die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Interview-Partner konnte ich unterschiedliche Aspekte in Erfahrung bringen. Frau Pfeffer hat mir einiges über Zwiesel und ihre eigenen Ideen erzählt, was sehr interessant und aufschlussreich war. Herr Binek konnte mir vor allem in theoretischen Fragen weiterhelfen. Herr Unnasch erzählte mir davon, wie er das Arberland weiterentwickelt hat – dadurch konnte ich Parallelen zur Stadtentwicklung ziehen.
Wie ging’s dann weiter mit Deiner wissenschaftlichen Abschluss-Arbeit?
Danach habe ich mich ans Werk gemacht, meine Bachelor-Arbeit mit den gewonnenen Erkenntnissen zu schreiben. Ich untersuchte dabei 21 Stadtkonzepte, um ein möglichst breites Spektrum abdecken zu können. Selbstverständlich kommt dabei nicht jedes Stadtkonzept in Frage. Je nachdem, welche Schwerpunkte in einer Stadt abgedeckt werden sollen, lässt sich dies ganz gut herausfiltern. Anhand von selbst aufgestellten Kriterien, die für Zwiesel wichtig zu sein scheinen, habe ich dann meine Ergebnisse erklärt.
Am Ende hattest Du drei Stadtkonzepte herausgefiltert, die sich Deiner Meinung nach für Zwiesel eignen. Welche sind das? Beschreibe sie bitte kurz.
- Das erste Konzept, welches für Zwiesel revitalisierend sein könnte, wäre das Konzept der Cittàslow. Die Cittàslow-Bewegung wurde in Italien gegründet und ist heute eine weltweite Vereinigung, in der Klein- und Mittelstädte zertifiziert werden. Cittàslow versucht vor allem die Regionalität in den Vordergrund zu bringen. Außerdem wird darauf geachtet, dass vor allem das vorhandene Potenzial benutzt wird, bevor neue Stadtentwicklungsmaßnahmen gestartet werden.
- Das zweite Konzept ist die Kreative Stadt. Kreativität wird vor allem mit Kultur assoziiert. Kultur spielt in einer Stadt eine wichtige Rolle. Durch das Verbessern dieser könnte die Stadt attraktiver wirken. Dabei sollen aber nicht nur die Kreativen angesprochen werden, sondern alle Einwohner einer Stadt.
- Das Modell der schrumpfenden Stadt ist das dritte Konzept. Dies wird leider häufig sogleich negativ konnotiert. Das Konzept sagt jedoch aus, dass neue Schwerpunkte in einer Stadt gesetzt werden sollen, da sich die alten nicht bewährt haben. Durch Innovationen und Ideen könnte so die Stadtentwicklung vorangetrieben werden.
„Ziel, die Stadt lebenswert, authentisch und attraktiv zu gestalten“
Auf welches Konzept fiel letztlich Deine Entscheidung?
Meine Entscheidung fiel auf das Stadtkonzept Cittàslow. Meiner Meinung nach besitzt Zwiesel viel Potenzial, das jedoch noch nicht ausreichend ausgeschöpft wurde. Durch die Zertifizierung als Cittàslow kann Zwiesel zusätzlich Werbung machen. Außerdem sagt Cittàslow aus, dass die Bevölkerung miteinbezogen werden soll. Dies empfinde ich persönlich als sehr wichtig, da eine Stadt erst dann authentisch ist, wenn sich die Bürger darin wohlfühlen. Des Weiteren hat dieses Stadtkonzept am meisten meiner Kriterien abgedeckt.
Jedoch wäre es auch vorstellbar, verschiedene Bausteine der drei genannten Konzepte zu verwenden, um ein individuelles Stadtkonzept für Zwiesel zu entwerfen. Kurz gesagt: ein Mix aus Cittàslow, Kreative Stadt und schrumpfende Stadt.
Was wünschst Du Dir persönlich für die Zwieseler Stadtentwicklung?
Ich persönlich wünsche mir, dass die Verantwortlichen gemeinsam an einem Strang ziehen und sich nicht länger mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufhalten. Stadtentwicklung sollte kein Spiel sein, indem gemessen wird, wer, wann und wo die größere Entscheidungsmacht hat. Ziel der Zwieseler Stadtentwicklung sollte sein, die Stadt lebenswert, authentisch und attraktiv zu gestalten. Außerdem wünsche ich mir, dass die Bevölkerung aktiv miteinbezogen wird – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.
„Zwiesel sollte sich auf eine grundsätzliche Strategie konzentrieren“
Was glaubst Du, was Zwiesel unbedingt braucht, um wieder „auf Kurs“ zu kommen?
Um ehrlich zu sein, denke ich, dass Zwiesel mehr jüngere Menschen in der Verwaltung braucht, die wissen, wohin sich die Trends bewegen. Auch eine Stadt muss sich immer wieder entwickeln, man kann sich nicht auf Erfolgen ausruhen.
Zwiesel benötigt Menschen, die für ihre Stadt kämpfen und das Beste für sie wollen. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich Zwiesel auf einen grundsätzlichen Schwerpunkt bzw. auf eine Strategie konzentrieren und nicht auf jeder Hochzeit mittanzen sollte. Als Best-Practice-Beispiel sehe ich da Bodenmais: Der Ort hat sich auf den Tourismus spezialisiert – und dies wunderbar umgesetzt.
Weißt Du schon, was Du nach Deinem Studium beruflich machen willst? Wieder zurück nach Zwiesel oder hinaus in die weite Welt?
Ich habe eine Anstellung an der Technischen Hochschule Deggendorf in Aussicht und möchte noch berufsbegleitend einen Master in Geographie/Stadtentwicklung machen. Ich werde in Zwiesel bleiben – es ist meine Heimatstadt, in der ich viele schöne Erinnerungen habe. Hier bin ich glücklich, ich habe meine Berge und meine Familie um mich. Schön wäre es natürlich, wenn ich irgendwann mal aktiv die Stadtentwicklung in Zwiesel mitgestalten kann.
Vielen Dank fürs Gespräch – und weiterhin alles Gute für die Zukunft.
Die Fragen stellte: Stephan Hörhammer