Zwiesel. Die teils hitzige Debatte um die künftige Ausrichtung des Zwieseler Tourismus ist – bekanntermaßen – in vollem Gange. Auslöser dafür war Bürgermeister Franz Xaver Steininger, als dieser am Freitagnachmittag, 6. November, eine Pressemitteilung mit dem Betreff „Stadt Zwiesel – Tourismusbetriebe wollen Ausstieg aus der FNBW“ an die örtlichen Medien versandte. Daraufhin (10. November, vormittags) reagierte das Landratsamt Regen mit einer Pressemeldung „zur Diskussion um die Arberland REGio GmbH, die Ferienregion Nationalpark GmbH und die Stadt Zwiesel„, worüber das Onlinemagazin da Hog’n unter dem Titel „Arberland-Chef Unnasch: Die Aussagen Steiningers entbehren jeder Grundlage“ berichtete. Dies wurde wiederum (10. November, abends) seitens Bürgermeister Steininger mit einem Vorschlag für ein touristisches Gutachten erwidert, das für Klarheit im Zwieseler Richtungsstreit sorgen solle, jedoch bei den Beteiligten auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Warum wir das hier alles nochmals wiedergeben? Weil wir seit mehr als zehn Tagen auf eine Reaktion von Seiten Franz Xaver Steininger warten, die unsere Nachfragen (9. November) bzgl. seiner ersten Pressemitteilung (6. November) beantwortet.
Franz Xaver Steiningers Pressemitteilung vom 6. November 2015 im Wortlaut:
„Tourismusbetriebe sehen keine Zukunft der Stadt Zwiesel bei der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH
Ferienland Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW), Arberland oder versucht man nach Vorbild von Bodenmais die Eigenvermarktung, welche touristische Strategie ist für die Zukunft der Stadt Zwiesel die Richtige? Auch wenn noch längst nicht alle Fragen geklärt sind, so vertrat man bei einem Treffen mit touristischen Leistungsträgern und einigen wenigen Stadträten, zu dem Bürgermeister Franz Xaver Steininger eingeladen hatte, doch mehrheitlich die Meinung, die FNBW ist es nicht.
‚Mir war im Vorfeld dieser Besprechung wichtig, die touristischen Hauptentscheider bei diesem Treffen dabeizuhaben.‘ So wurden die 25 Top-Betriebe, die zusammen 84 Prozent der Zwieseler Übernachtungszahlen leisten, an den runden Tisch gerufen. Zwölf davon waren dabei, mit vier weiteren hat der Rathauschef im Vorfeld Gespräche geführt. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Alle 16 Befragten haben sich geschlossen für einen sofortigen Austritt aus der FNBW ausgesprochen.
Die Gründe für dieses eindeutige Votum sind vielfältig. So bekomme Zwiesel als Mitglied der FNBW schon jetzt die Auswirkungen zu spüren. Man werde als eine der beiden Top-Destinationen im Bayerischen Wald in der Öffentlichkeit für sich fast nicht mehr wahrgenommen. Weiterer Kritikpunkt: Die Tourismusarbeit vor Ort wurde bereits jetzt stark zurückgefahren, die FNBW habe in Zwiesel ein strukturelles Defizit verursacht. Und weiter: ‚Die Marke Zwiesel verschwindet zusehends im Einheitsbrei der FNBW.‘
Im Kern geht es allen Beteiligten aber darum, dass auch für die Zukunft keine Perspektive oder Besserung in Sicht ist. Mit rund 250.000 Euro Marketing-Etat, die der Tourismusgesellschaft zur Verfügung stehen, sei dies gar nicht möglich. Der Blick auf andere Destinationen vergleichbarer Größe zeige: Notwendig wären finanzielle Mittel in mindestens dreifacher Höhe.
Was laut Steininger ebenfalls in die völlig falsche Richtung läuft, ist die Abkoppelung von der Wirtschaft. Hier würde die Arberland GmbH, die die Wirtschaft maßgeblich einbezieht, vormachen, wie es richtig geht. Deshalb stellt sich für die Zukunft die Frage: Wo wollen wir hin? Aus Sicht aller – Touristiker und Verwaltung – kann die Antwort nur lauten: ‚Wir brauchen eine enge Verzahnung von Beherbergungs- und Gastgewerbebetrieben zusammen mit Handel und Wirtschaft.‘ Man könne diese Bereiche nicht voneinander trennen und den Tourismus, der ja ein Top-Wirtschaftsfaktor in Zwiesel ist, separieren. Die bereits angelaufene Revitalisierung der Innenstadt ist auch für den Tourismus von zentraler Bedeutung: ‚Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir die gleichen Kundengruppen ansprechen.‘Letztendlich vertrat man die Meinung, dass es Zwiesel alleine machen muss. Ständig steigende Übernachtungszahlen – Prognosen sprechen für die Zukunft von bis zu 550.000 im Jahr – machen eine klare Positionierung demnach unumgänglich. ‚Wir müssen im Gespräch bleiben, handeln und alle ins Boot holen“, fasst Steininger abschließend zusammen.‘
Wer? Wie? Mit welchen? Gibt es? Was? ? ? ?
Unsere Nachfragen zu dieser Pressemitteilung an Bürgermeister Steininger, die bis heute unbeantwortet geblieben sind, lauten wie folgt: Wer sind die „25 Top-Betriebe“, die sie an den runden Tisch gerufen haben? Wer sind die zwölf Betriebe, die am runden Tisch Platz genommen haben? Mit welchen vier Betrieben haben sie „im Vorfeld Gespräche geführt“? Mit welcher Begründung haben die restlichen neun Betriebe nicht am runden Tisch teilgenommen? Wie kommen Sie bzw. die 16 Teilnehmer des runden Tischs zu der Einschätzung, dass „Zwiesel als Mitglied der FNBW schon jetzt die Auswirkungen zu spüren“ bekomme und man „als eine der beiden Top-Destinationen im Bayerischen Wald in der Öffentlichkeit für sich fast nicht mehr wahrgenommen“ werde? Gibt es dafür Zahlenmaterial oder sonstige Belege, die Sie zu dieser Einschätzung kommen lässt?
Wie kommen Sie zu der Ansicht, dass „die Tourismusarbeit vor Ort bereits jetzt stark zurückgefahren“ wurde? Welche Belege gibt es hierfür? Auf welche „anderen Destinationen vergleichbarer Größe“ beziehen Sie sich? Wie sieht die „Verzahnung von Beherbergungs- und Gastgewerbebetrieben zusammen mit Handel und Wirtschaft“ Ihrer Meinung nach konkret aus? Sie sprechen in Ihrer Pressemitteilung von „gleichen Kundengruppen“ – wer sind denn die „gleichen Kundengruppen“ im Detail? Was bedeutet dieses „alleine machen“ eigentlich konkret? Wie wollen Sie erreichen, „im Gespräch zu bleiben“? Wie wollen Sie künftig handeln? Was bedeutet „alle ins Boot holen“?
Zu keiner dieser Fragen wollte uns Bürgermeister Steininger – trotz Erinnerungschreiben am 11. November – bis heute keine Antwort geben. Was übrig bleibt, sind viele, viele Fragezeichen. „Mehr Transparenz, Offenheit und Basisdemokratie kann nicht geschaffen werden“, hatte sich Zwiesels Gemeindeoberhaupt noch bei der (Eigen-)Werbung für (s)ein Tourismus-Gutachten in die Pressemitteilung geschrieben (10. November). Hm…
Interview(-anfragen): Stephan Hörhammer
In einem hat Herr Steininger Recht. Zwiesel wird wirklich nicht wahrgenommen. Die anderen übrigends auch nicht.
Nur Waldkirchen hat es, Dank dem Bikeverbot, in die Medien geschafft, genauso wie die toten Luchse. Ich kann nur den Kopf schütteln.
Paul Einhell